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Bleistifte und Radierer | Papier | Trichterfeder und Tuscheschreiber
 

Bleistifte und Radierer

Von Niels Kolditz

Im Januar 1662 kam der Nürnberger Schreiner Friedrich Staedtler auf eine geniale Idee: In schmale Stäbe aus Zedernholz hobelte er Rinnen, bestrich sie mit Leim, legte einen sogenannten Bleiweißstift hinein (wie man den Graphit damals noch nannte) und verklebte schließlich beide Stäbe gegeneinander. So erfand er, bei einer Tages- produktion von 36 Stück, den Bleistift, wie er heute noch nahezu unverändert in Gebrauch ist.

1848 entwickelte Faber, ebenfalls in Nürnberg, die ersten dampfgetriebenen Bleistiftmaschinen, die es immerhin auf 15 Millionen Stück im Jahr brachten, und das heute noch gültige Rezept für die Herstellung der Minen: Eine Mischung aus Tonerde und Graphit, je höher der Anteil an letzterem, desto weicher der Härtegrad. Fabers Stifte waren die ersten Markenartikel Europas: Unverwechselbar ihr grüner Lack mit goldenem Aufdruck. Heute produziert dieselbe Firma 360.000 Stück am Tag, also 120 Millionen im Jahr. Jährlich werden weltweit sieben Milliarden Bleistifte produziert, davon alleine 500 Millionen in Nürnberg. Ein einziger Stift liefert, 17 Mal gespitzt, etwa 5 km Strich, das entspricht etwa 45.000 Worten - genug, um in den Olymp der Literatur aufzusteigen.

Auch die zeichnerische Umsetzung eines Comics beginnt meistens mit der Anfertigung einer Bleistiftskizze oder -vorzeichnung.
Bleistiftreinzeichnungen sind in der neunten Kunst aufgrund ihrer schier endlos abstufbaren Grauschattierungen zwar keineswegs selten (Leone Frollos Erotik-Comics z.B.), aber stets mit Schwierigkeiten verbunden, da sie aufwendig gerastert werden müssen - das heißt, man muß sich für jede Drucklegung von seinem Original trennen (außerdem sind Rasteraufnahmen mehr als doppelt so teuer als Strichaufnahmen). Schwarz-Weiß-Zeichnungen mit Tusche oder Filzstift z.B. können problemlos fotokopiert werden, und ihre Originale sind weniger empfindlich.

Bleistifte gibt es in der traditionellen Holzfassung oder als reine Graphitstifte mit Lackumhüllung. Letztere liegen, wie ich meine, besser in der Hand. Für die Skizze kann ein weicher Stift (6B bis 3B), mit dem man schnell und unverbindlich ein paar Linien aufs Papier wirft, von großem Nutzen sein: Auch noch bei leichtester Berührung mit dem Papier ist ein deutlicher Strich zu erkennen - und das ist wichtig, wenn man seine ersten Ideen sichtbar machen möchte. Drückt man jedoch zu fest auf, schmieren die Stifte leicht. Für eine Vorzeichnung sind sie aus genau diesem Grunde völlig ungeeignet. Hier benötigt man klare und präzise Linien, da diese ja später einmal die Grundlage für die Tuschezeichnung sein sollen. Trotzdem sind harte Minen (3H bis 8H) nicht sehr empfehlenswert, da man sie kaum noch wegradieren kann und sie tiefe Furchen im Papier hinterlassen. Am besten HB, F oder H.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch ein guter Spitzer. Billigprodukte, wie sie für Schulmäppchen angeboten werden, sollte man nicht nehmen: ihre Klingen werden schnell stumpf. Gute Anspitzer benötigen langlebige Klingen, die sich auswechseln lassen und so angeschraubt sind, dass sie sehr feine Bleistiftspitzen produzieren. Selbstverständlich kauft man nur Dosenanspitzer, damit der Holz- und Bleiabfall nicht auf die Zeichnungen krümeln und sie verschmutzen kann. Bei sehr langer und anstrengender Zeichnerei ist ein fest auf der Schreibtischplatte installierter Anspitzer mit einer Kurbel eine große Hilfe. Das ständige Anspitzen der Stifte in einem herkömmlichen Anspitzer kann das Handgelenk manchmal ganz schön ermüden - und mit Schmerzen ist nicht gut zeichnen.

Will man sich diese Mühe sparen, kauft man gleich Feinminen-Druckstifte mit Minen in den Strichstärken 0,3 und 0,7 und unterschiedlichen Härtegraden. Ihr großer Vorteil ist nämlich, dass sie nicht stumpf werden und ungespitzt eine immergleiche Strichstärke liefern. Überdies kann man die Minen leicht in bestimmte Zirkel einspannen und so mit derselben Strichstarke einen Kreis ziehen. Sehr zu empfehlen sind Minen-Klemmstifte. Es sind Druckstifte, allerdings mit denselben Minen wie in Holzbleistiften. Sie kosten im Endeffekt jedoch nur halb so viel und lassen sich mit einem Minenspitzer (nicht etwa mit Sandpapier!) viel feiner anspitzen (außergewöhnlich gut arbeitet der ,Dahle 322").

Nun zu den Buntstiften. Diese gibt es im klassischen Holzmantel oder als Farbminen für Druckstifte. Sie werden im Comic ausgesprochen selten verwendet. Es gibt zwar Künstler wie Harm Bengen und Chris Scheuer, denen es gelingt, durch kühne Linienführung und effektvolle Farbkontraste ihre Seiten originell und unverwechselbar zu colorieren - hat man diesen Schwung jedoch nicht im Handgelenk, wirkt das Ergebnis leider all zu oft wie eine Zeichnung aus Kindertagen. Wer sich jedoch ähnlich veranlagt fühlt wie die oben genannten Zeichner, sollte es ruhig einmal ausprobieren. Er wird dann nämlich feststellen, dass der Buntstift, im Gegensatz zu anderen Kolorierungsmethoden, eine Reihe von Vorzügen hat: Mit dem Buntstift wird nämlich jede Fläche - auch eine sehr kleine - mit einer feinen Spitze umrißgenau eingefärbt. Der Buntstift verläuft nicht, wellt das Papier nicht auf, und man kann durch geschickte Schraffur mehrere Farben problemlos miteinander mischen - vor allem kann das Ergebnis, sollte es nicht gefallen, einfach wegradiert werden. Der Nachteil sollte allerdings nicht verschwiegen werden: Originale können schlecht koloriert werden, da sich jede Vertiefung (z.B. wegradierte Bleistiftstriche) negativ abzeichnet.

Damit wären wir beim Radierer.
Er sollte nicht zu klein sein, damit er besser in der Hand liegt, und vor allem farblos, da das Gummi sich bei besonders intensiven Radierungen leicht erhitzt und dann unschöne Farbspuren auf dem Papier hinterläßt. Für Buntstifte benötigt man noch einen zweiten Radierer aus härterem Material, das mit kleinen Sandpartikeln durchsetzt sein sollte. Letztere sind der Grund dafür, dass man, will man stark aufgetragene Striche entfernen, schon einmal ein Loch ins Papier radiert. Grundsätzlich sollte man Radierer wählen, die mindestens eine abgeschrägte Seite haben, mit der man ausschließlich sehr kleine und präzise Stellen wegradiert. Die andere, stumpfe und klobige Seite ist entsprechend für große Flächen oder Linien zuständig, wo man ohne Rücksicht auf feinere Arbeiten drumherum großzügig radieren kann. Empfehlenswert ist in dieser Hinsicht der (allerdings sehr teure) Knetgummi, da er sich ganz nach Anforderung formen läßt. Er ist besonders geignet, um Kohle oder sehr weiche Bleistiftstriche zu radieren, ohne das Blatt zu verschmieren. Billiger ist es, sich für kleine Details zusätzlich einen anspitzbaren Radierer in Stiftform zu kaufen.