COMIC!-JAHRBUCH 2018 |
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Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation:
«ASH Austrian Superheroes» 14 von Harald Havas u.a.
Interview mit Harald Havas von Thorsten Krings
COMIC!: Wie kommt man auf die Idee, eine österreichische Superhelden-Truppe zu erfinden? Insbesondere einen Charakter wie den Bürokraten?
Harald Havas: Das hat sich schrittweise so ergeben. Zuerst war da die Idee einer Superheldenparodie, dann die Idee eines ernstzunehmenden Superhelden, Captain Austria Jr., und langsam hat sich dann die Idee einer ganze Truppe herauskristallisiert. Bürokrat, Donauweibchen und Lady Heumarkt waren alle der Versuch, glaubhafte Comicfiguren mit Superkräften zu erschaffen, die aber doch auf die eine oder andere Art eine typisch österreichische Punzierung aufweisen.
COMIC!: Und wer hatte all die Ideen? Bist du der alleinige Autor der Hauptgeschichte, wer schreibt die Kurzgeschichten? Wer hat das Character-Design gemacht?
Harald Havas: Die Grundidee zu fast allen Figuren stammt von mir. Manche habe ich alleine erfunden, andere sind im Gespräch mit Zeichnern entstanden. In manchen Fällen haben Zeichner eine eigene Figur vorgeschlagen, und ich hab sie dann in die Handlung integriert, etwa die Figur Grüner Panther von Jörg Vogeltanz. Wenn ich eine Figur erfinde, habe ich in den meisten Fällen schon eine recht klare Vorstellung von ihrem Äußeren. Die gebe ich dann an das Zeichnerkollektiv oder den gerade mit der aktuellen Story beschäftigten Zeichner weiter, und die oder der entwerfen dann die Figur. Ein paar Beispiele: Lady Heumarkt habe ich als eine robuste Catcherin mit Zigarillo beschrieben und Leo Koller hat sie selbständig entwickelt. Das Donauweibchen habe ich als Doodle vorgezeichnet und Leo hat sie realisiert. Den definitiven Look von Captain Austria hat Andi Paar mit Thomas Aigelsreiter basierend auf Zeichnungen von Leo Koller entwickelt. Das Aussehen des Bürokraten, von Dr. Phobos und von Alfred Kogler, dem Vater von Captain Austria, wurde im Kollektiv durch das Hin- und Hermailen vieler Skizzen ausprobiert und schließlich von Jörg Vogeltanz beziehungsweise Michael Liberatore finalisiert. Die Retro-Figur Insektenmaid habe ich ebenfalls als Idee gezeichnet und Michael Wittmann hat sie dann im Kirby-Stil ausgeführt. Bei der neuen Gegnerin Deimonia habe ich dem Zeichner Bernd Trübswasser ein Foto gezeigt, wie ich mir die Frau in etwa vorstelle, und noch ein paar Anmerkungen dazu gegeben, die er dann auf seine eigene Weise großartig zusammengefaßt hat.
Bei ASH schreibe ich derzeit alle Geschichten, sowohl die durchgehende Hauptstory, als auch alle Nebengeschichten. Was auch recht wichtig ist, um das Universum einheitlich zu etablieren und auszuformulieren. Ich schließe aber die Beteiligung anderer Autoren nicht aus. Derzeit gibt es Gespräche mit einem «Perry Rhodan»-Autor, der gerne eine ASH-Geschichte für uns schreiben möchte. Bei LDH habe ich die Funktion des «Showrunners», das heißt ich koordiniere die Storyline und den Einsatz der Künstler. Ähnlich amerikanischer Fernsehproduktionen, bei denen einer die künstlerische Oberaufsicht hat, obwohl er selbst keine Drehbücher schreibt oder Regie führt.
COMIC!: Wie weit habt ihr die ganze Geschichte im Voraus geplant? Captain Austria senior schien mir etwas unerwartet zu verschwinden?
Harald Havas: Verschwinden? In Heft 2? Nun, er ist ja noch da, in Rückblicken, in Gesprächen und auch als Mann im Hintergrund. Wie das alles zusammenhängt, wird sich noch im Laufe der Story herausstellen. Den groben Plot für das alles gab es schon von Anfang an, die Feinheiten klären wir jetzt im Laufe der Entwicklung. Aber daß wir den großen Bogen von Anfang an vorhatten, kann man schon an den vielen Details in den ersten vier Heften erkennen, die jetzt erst nach und nach Handlungsrelevanz bekommen und wieder aufgegriffen werden.
COMIC!: Wie habt Ihr euch als Team gefunden? Ihr habt ja im Team auch eine ziemlich große Altersspanne, und mir ist in der ICOM-Jury aufgefallen, daß Alter und Sehgewohnheiten schon eine große Rolle spielen. Funktioniert das bei euch reibungslos, oder gibt es da manchmal auch unterschiedliche Auffassungen?
Harald Havas: Um den Schluß zuerst zu beantworten: Natürlich gibt es Auffassungsunterschiede, sogar große. Aber alle sind bereit, ihre eigenen Vorlieben und Meinungen etwas zurückzuhalten, um dem großen Ziel, wenn man so sagen kann, zu dienen. Wichtig ist, daß die Qualität immer auf einem hohen Niveau ist und die Abweichungen zu anderen Mainstream-Superhelden-Comics nicht allzu groß.
Gefunden haben wir uns nach und nach. Leo Koller, der älteste von uns, hat etwa parallel zu mir an der Kunstschule Wien eine Comicklasse unterrichtet, das war ein Kontakt. Ein paar der jüngeren Zeichnerinnen wiederum stammen aus dieser Klasse. Thomas Aigelsreiter kam aus seinem persönlichen großen Interesse an Superhelden hinzu, wie auch Andi Paar, und Thomas hat dann gleich ein paar seiner Freunde mit an Bord geholt, die jetzt nicht nur für das Künstlerische sondern für das mindestens genauso wichtige Verwaltungstechnische zuständig sind, wie Michael Hafner oder Patrick Kloepfer. Und dann schaut man sich halt um, bei Messen, Treffen und in Publikationen, wer vielleicht noch in unser Beuteschema passen könnte, man fragt herum, wird gefragt ...
COMIC!: Ihr habt euch zur Finanzierung des Projektes für eine Crowdfunding-Kampagne entschieden. Ist das ein Geschäftsmodell für die Zukunft?
Harald Havas: Das kann man nicht generell mit ja oder nein beantworten. Man muß auf jeden Fall etwas bieten, das die Leute schon von vornherein interessiert oder von der Idee her anspornt, dafür vorab Geld abzuliefern. Gleichzeitig mit uns hat ein anderer Wiener Zeichner, Walter Fröhlich, ebenfalls ein Crowdfunding für seine Comicversion des Lebens und der Texte von Hermes Phettberg, den manche auch in Deutschland noch kennen werden, durchgeführt. Ebenfalls erfolgreich. Kurz nach uns ist dafür ein anderer Zeichner mit einem etwas schwer zu vermittelten Projekt, teils Comic, teils Skizzenbuch, teils phantastisches Lexikon, gescheitert. Es ist also kein Allheilmittel, aber es ist eine Möglichkeit.
Übrigens war unsere Überlegung, es mit Crowdfunding zu versuchen, folgende: In Österreich gibt es zwar ein paar Verlage, die anspruchsvolle Comics verlegen, aber niemand, der Mainstream macht; und warum sollte ein deutscher Mainstreamverlag österreichische Superhelden publizieren? Also selbst verlegen und selbst finanzieren. Außerdem haben wir beim Crowdfunding auch auf den PR-Effekt gesetzt, weil bereits durch die Methode des Geldeinsammelns Aufmerksamkeit erregt wurde und zukünftige Leser gewonnen werden konnten.
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COMIC!-Jahrbuch 2018
Artikel, Interviews, Analysen, Porträts... November 2017
Format: DIN A4 Umfang: 264 Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25 ISBN 978388834-948-5
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