COMIC!-JAHRBUCH 2018 |
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Herausragendes Artwork:
«München 1945» von Sabrina Schmatz
Interview von Thorsten Krings
COMIC!: Wie kommt man in deinem Alter dazu, sich ausgerechnet mit dem Krieg zu beschäftigen?
Sabrina Schmatz: In der Schule hab ich das Thema Zweiter Weltkrieg wirklich gehaßt. Alles was ich vom Unterricht mitnahm, waren Schuldgefühle und Unverständnis, wie es dazu kommen konnte. Leider ist der Unterricht nie wirklich in die Tiefe gestiegen. Vor einigen Jahren hat mir eine Freundin «Band of Brothers» empfohlen. Eine 10teilige Mini-Serie über die Airborne Division im Zweiten Weltkrieg bzw. D-Day und ihre Odyssee im Kampf gegen Nazi-Deutschland. Ich lernte völlig neue Aspekte des Zweiten Weltkrieges kennen. Klar, die Serie behandelte durchweg die Geschichte aus der Sicht der Amerikaner, aber die letzten beiden Folgen ließen auch Einblicke in die «Befreiung» Deutschlands zu. Zudem gab es eine nette Szene zwischen einem G.I und einer französischen Krankenschwester. Da ich schon immer mal eine Romanze zeichnen wollte, dachte ich mir:
«Hey....vielleicht liefert die Nachkriegszeit einen ‹guten› Geschichtshintergrund, um eine spannende Geschichte mit romantischen Elementen zu vereinen. So, daß man einfach viele Leser für sich gewinnen kann und ich mich selbst beim Zeichnen und Recherchieren auch nicht langweile.» Und da begann ich, mich intensiv mit dem Thema Zweiter Weltkrieg insbesondere Nachkriegszeit in Deutschland zu beschäftigen. Letztendlich fiel die Wahl dann auf München als Schauplatz, wo ich auch wohne.
COMIC!: In der Diskussion wurde immer wieder angemerkt, daß einigen die Geschichte zu unpolitisch ist. Wie siehst du das?
Sabrina Schmatz: Diesen Kritikpunkt kann ich durchaus verstehen. Ich selbst mußte mir die Frage stellen: «Was will ich mit dem Comic erreichen?» Sollte es ein wirklich politischer Comic werden, der sich intensiv mit allen Aspekten des Dritten Reichs auseinandersetzt, oder möchte ich Freiraum lassen für eigene Interpretationen? Das Dritte Reich und alles, was damit zusammenhängt, ist bei weitem kein Thema, das man leicht behandeln sollte. Dem war ich mir durchaus bewußt.
Der Wendepunkt kam ab Band 3. Hier gibt es die Schlüsselszene zwischen Konstanze und Daniel, in der man auch vieles über Konstanzes Vergangenheit und ihr Leben im Dritten Reich erfährt. Das Kapitel war eigentlich viel länger gedacht. Dabei wollte ich eine kleine «Geschichtsstunde» einbauen. Anhand von Fakten erklären, wie die Partei an die Macht kam, wie die Gesellschaft dazu stand etc.
Letztendlich verwaf ich die Idee. Ich hatte Angst, daß die Charaktere ab diesem Zeitpunkt für mich zu «hölzern» werden und nur noch als Informationsträger von politischen Aspekten dienen könnten.
Ich möchte lieber Einblicke in das Leben der Menschen geben, wie sie den Krieg aus ihrer Sicht erlebt haben KÖNNTEN (man stellt sich ja selbst oft genug die Frage «Wie hätte ich gehandelt?»). Ebenso wollte ich Nachkriegsthemen einbringen, die mich persönlich beschäftigt haben.
Im Vordergrund stehen die Charaktere, die durch das Geschehen leiten und den Lesern «ihre» Sicht der Dinge näherbringen. Natürlich nicht immer ausführlich, vielleicht auch manchmal zu wenig. Aber einige Szenen brachten viele Leser schon ins Grübeln. Es freut mich zu hören, wenn sie sich selber über die politische Situation zur damaligen Zeit Gedanken machen und diese mit heute vergleichen.
COMIC!: Du zeichnest bei «München 1945» ausschließlich mit Bleistift. Stellt dich das vor besondere Herausforderungen? Reizt es dich, auch einmal andere Techniken auszuprobieren?
Sabrina Schmatz: Reizen tut mir sehr vieles! Ich habe lang überlegt, wie ich an das Werk herangehe. Aber daß ich alles in Bleistift halte, hat im Endeffekt einen einfach Grund: Zeitmangel. Zeichnen ist «leider» im Moment noch ein Hobby, das ich neben meiner regulären Arbeit mache. Bleistift gibt mir die Möglichkeit, relativ schnell zu arbeiten aber auch Qualität zu hinterlassen. Hierbei muß ich jedoch etwas umdenken was die Atmosphäre angeht. Es darf auch nicht zu dunkel wirken oder gar zu layoutmäßig. Details muß ich mit verschiedenen Bleistiftstärken ausarbeiten.
In Photoshop «pimp» ich die Seiten noch mit Rasterfolie, wie man es aus den Mangas kennt. Diese erlauben es mir, noch ein wenig mehr Tiefe zu erzeugen.
Jedoch könnte man Stimmungen bzw. die Atmosphäre mit Schwarzweiß-Kombination oder Farben um einiges besser einfangen. Daher liegt mein Augenmerk besonders auf den Gesichtern. Ich möchte gerne vieles über die Mimik rüberbringen, ohne große Worte zu verwenden. Da ich leider dazu neige, mit Tusche alles «tot» zu inken, bin ich immer noch unglaublich froh, daß ich alles in Bleistift lassen durfte. Ich denke jedoch, daß der Bleistift-Charakter gut zu der Zeit paßt, in der die Geschichte spielt.
COMIC!: Würdest du dich selbst als Manga-Zeichnerin sehen? Wäre es eine faire Einschätzung zu sagen, daß da zwar Mangaeinflüsse sind, sich daraus aber etwas Eigenständiges entwickelt hat?
Sabrina Schmatz: Dem kann ich nicht widersprechen! Angefangen hat alles mit Manga, und hier liegen letztendlich meine zeichnerischen «Wurzeln». Neben den verbreiteten «großen» Augen gibt es jedoch auch Autoren, die das semireale beherrschen. Hier kann ich nur die Werke von Takehiko Inoue mehr als loben. Seine Manga waren ein Auslöser dafür, daß ich das Zeichnen von Mimik perfektionieren wollte. Er hat eine unglaubliche Art, Gefühle seiner Charaktere rüberzubringen, ohne viel Worte dabei zu verlieren. Ein weiterer großer Auslöser war «Blade» von Hiroaki Samura. Seine Story wirkt sehr skizzenhaft, was eine unglaubliche Dynamik in die ganze Sache bringt. Auch dies sprach mich damals mehr an als komplett farbige Comicbände, wie sie sonst zu finden sind.
Vor einigen Jahren begann ich mich jedoch auch für US- und frankobelgische Comics zu interessieren. Ich bin in dieser Hinsicht also noch ein Frischling. Viele Eindrücke und Inspirationen brachen nun auf mich ein; ich wollte irgendwie alles in mich aufsaugen und von jedem etwas in meinem Stil vereinen. Zum Beispiel vergöttere ich die Tuschearbeiten von Sean Gordon Murphy! Oder die meisterliche Handhabung von Aquarell von Gibrat.
So hat sich aus all den Einflüssen fast schon ein «Hybrid»-Stil entwickelt. Viele Leute, denen ich auf Messen begegne, können mich bzw. meinen Stil nicht so recht einordnen. Was es manchmal für mich auch schwer macht, Fuß zu fassen. Man ist irgendwie nicht Manga genug für Mangafans und nicht Comic genug für Comicfans.Jedoch erfahre ich immer wieder viel Lob von Leuten, die mit Manga so gar nichts anfangen können. Ich hoffe nur, daß sich irgendwann die Grenzen zwischen Mangafans und Comicfans mehr öffnen werden. Auf jeder Seite gibt es wunderbare Werke, die Beachtung verdienen! Und vielleicht kann ich zu dieser Annäherung etwas beitragen.
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COMIC!-Jahrbuch 2018
Artikel, Interviews, Analysen, Porträts... November 2017
Format: DIN A4 Umfang: 264 Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25 ISBN 978388834-948-5
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