COMIC!: Welchen Stellenwert bei deiner Arbeit haben Comics?
Katharina Netolitzky: Mein Geld verdiene ich mit Graphik-Design und Kinderbuch-Illustrationen, hauptsächlich Buchcoverdesign. Der Bereich Comic ist mir aber schon sehr lange sehr wichtig. Ich habe mit 13 angefangen, Comics zu zeichnen, damals noch im Mangastil und im Bereich Fantasy und Magical Girl, was man als Teenager halt toll findet. Ich habe mit dem Comiczeichnen nie aufgehört, weil ich mir gerne Geschichten ausdenke und sie zeichnerisch umsetze. Deshalb versuche ich, das Thema Comics so groß in meinem Leben zu haben wie möglich. Das ist manchmal sehr schwierig, wenn ich mit Graphik-Arbeiten zugeschwemmt bin. Dann komme ich kaum dazu, Comics zu machen. Wenn ich aber eine Deadline habe für eine Comic-Anthologie zum Beispiel oder eine Messe wie den Comic Salon in Erlangen, dann bin ich auch motiviert, wieder mehr Zeit in meine Comics zu stecken.
COMIC!: Heißt das, du würdest gern vom Comiczeichnen leben, es geht aber nicht?
Katharina Netolitzky: Nein, das möchte ich nicht. Eigentlich finde ich die Mischung, die ich gerade habe, ganz gut. Buchcoverdesign ist eigentlich mein Traumjob. Kinderbuchillustration auch. Und Comiczeichnen auch. Ich habe gar nichts dagegen, daß es drei Säulen meiner Arbeit gibt. Comiczeichnen ist natürlich sehr zeitaufwendig und bringt nur wenig Geld in Deutschland. Deshalb ist es eigentlich ganz gut, wie es ist.
COMIC!: Die Manga, die du mit 13 gemacht hast, hast du wahrscheinlich für dich selbst gezeichnet. Wie war dann dein Einstieg in die Comicszene?
Katharina Netolitzky: Ja, am Anfang habe ich nur für mich selbst gezeichnet. Dann kam irgendwann das Internet. Es gibt eine Plattform namens Animexx, eine deutsche Manga-Fanseite. Dort konnte man Comics und Fanart hochladen. Diese Community, die da entstanden ist, mit anderen Mangazeichnern, die wie ich im Teenager-Alter waren, war sehr fruchtbar. Wir haben uns ausgetauscht, unsere Comics gelesen und kommentiert. Aus dieser Zeit habe ich auch immer noch Freunde, die auch noch Manga beziehungsweise Comics zeichnen. Irgendwann kamen Manga-Zeichenwettbewerbe, zum Beispiel von der Leipziger Buchmesse, da habe ich immer fleißig mitgemacht auch angestachelt von der Community, weil alle mitgemacht haben. In dieser Zeit habe ich endlos Kurzgeschichten im Mangastil rausgehauen.
COMIC!: Wie siehst du diese Frühwerke heute?
Katharina Netolitzky: Sie waren nicht grauenhaft; die Qualität ist okay, ich kann sie immer noch lesen, ohne mich zu schämen. In dieser Zeit habe ich auch meine erste längere Geschichte mit über 70 Seiten gezeichnet. Ich war außerdem im Comicforum aktiv, über das die Comicanthologie JAZAM! entstand. Einer der Verleger, Adrian vom Baur, hat sich damals bei mir gemeldet und gesagt: Du machst doch ganz nette Comics; möchtest du nicht mal eine Kurzgeschichte für JAZAM! machen? In Ausgabe 5 wurde eine Geschichte von mir abgedruckt; das war mein erster Schritt in die Comicecke.
COMIC!: Du machst also einen Unterschied zwischen Manga und Comics?
Katharina Netolitzky: Ja, schon. Ich habe eine Weile gezögert, weil ich mich ein wenig geschämt habe, mit meinem Mangastil in dieser Comicanthologie veröffentlicht zu werden. Ich habe eine Geschichte gezeichnet, die stilistisch irgendwo dazwischen ist, aber die Kommentare im Forum waren: Ich mag keine Sachen im Mangastil! Das lese ich nicht! Da war ich schon etwas verletzt, weil ich mir so viel Mühe gegeben habe. Ich hatte das Gefühl, daß die Comicleute nicht sahen, daß ich einen ganz eigenen Stil hatte. Es gab zwar größere Augen, aber mein Stil hatte nichts mit dem zu tun, was man sich so als Klischee-Manga vorstellt.
COMIC!: Wie ging’s dann weiter?
Katharina Netolitzky: Nach dem Abitur habe ich in einer Werbeagentur ein Praktikum gemacht, und dann habe ich mich an der Hochschule Augsburg für den Studiengang Kommunikationsdesign beworben. Ich hatte eine Mappe mit vielen Arbeiten, auch im Mangastil, für die ich mir sehr viel Mühe gegeben habe. Bei einer Vorbesprechung sagte mir der Dozent: Man sieht, daß du Talent und Ideen hast, aber ich empfehle dir, die Mappe nochmal von vorne anzufangen, weil du stilistisch zu festgefahren bist. So etwas kommt da wohl öfter vor. Das war wieder ziemlich verletzend. Ich habe mich aber davon nicht unterkriegen lassen und genau gemacht, was er mir gesagt hat: also Aktzeichnungen, ein Skizzenbuch mit Alltagsbeobachtungen und sowas, und dann bin ich auch problemlos angenommen worden. Das wäre schon bitter gewesen, wenn das nicht geklappt hätte! In der Comicwerkstatt von Mike Loos hatte ich dann die Möglichkeit, eine Kurzgeschichte für die Comicanthologie Strichnin zu zeichnen, und er hat mich stilistisch nicht eingeschränkt. Ich habe dann aber von allein angefangen, meinen Stil zu verändern. Die große Veränderung kam während meines Auslandssemesters in Finnland. Da habe ich einen Tagebuchcomic gezeichnet, jeden Tag einen Strip mit vier Panels. Da brauchte ich einen Stil, der schnell geht, und es entstand der Stil, den ich heute habe. Seither hat keiner mehr gesagt: Das sieht aber nach Manga aus!
COMIC!: Hast du irgendwann mal überlegt, etwas anderes als Illustration zu machen?
Katharina Netolitzky: Ich wollte gerne Illustration machen, aber es war ein bißchen furchteinflößend. Meine Bachelorarbeit war die Illustration eines Kinderbuchs. Der nächste Schritt wäre gewesen, mich als Illustratorin oder Comiczeichnerin selbständig zu machen. Davor hatte ich irgendwie Schiß. Dann hatte ich aber Glück. Durch eine Rundmail erfuhr ich, daß der dtv eine Volontariatsstelle in der Coverabteilung anbietet. Die Stelle habe ich bekommen und war ein halbes Jahr Trainee. Es war nicht besonders gut bezahlt, aber es ist ein toller Verlag, und ich bin die größte Leseratte, die ich kenne. Ich liebe Bücher, deshalb fand ich auch die Idee, mit Büchern zu arbeiten, toll. Ich hatte in meinem Portfolio fast nur Illustrationen und Comics, aber der dtv hat mich trotzdem genommen. Ich habe mich ganz gut geschlagen. Deshalb durfte ich dann eineinhalb Jahre die Mutterschaftsvertretung für eine Kollegin machen. In der Zeit habe ich viel gelernt. Als die Kollegin zurückkam, habe ich keinen neuen Vertrag bekommen, und dann haben wir beschlossen, daß ich weiter Coveraufträge erhalte, aber eben als Selbständige. Ich finde das persönlich klasse, weil ich so auch Zeit für Comics habe.