COMIC!-JAHRBUCH 2018 |
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Bester Independent Comic:
«Survivor Girl» von Christopher Tauber, Ingo Römling und Kim Liersch
Gespräch mit Christopher Tauber von Björn Bischoff
Folge 73 und danach nichts mehr. Die Serie «Survivor Girl» von Christopher Tauber und Ingo Römling befindet sich in der Pause. Trotz Hilfe von Zeichnerin Kim Liersch bei den letzten Folgen gab es seit letztem Jahr keinen Nachschub. Zwischenzeitlich erschien eine gedruckte Version des Webcomics, die gleich mal den ICOM-Preis für den besten Independent-Comic 2016 einfuhr. Mit «Survivor Girl» schrieben Tauber und Römling im klassischen Cartoon-Format eine Parodie auf das Horror-Genre und gleichzeitig eine wunderbare Hommage an den Horror selbst. Denn mit viel Liebe zum Detail erzählen sie von Phoebe und Helmut. Sie ist das «Survivor Girl», jene Figur, die am Ende des Gemetzels überlebt, und er der maskierte Serienmörder.
Fast jede ikonische Figur aus amerikanischen Horrorfilmen taucht in ihrem Webcomic auf, selbst Gizmo aus «Gremlins» darf kurz aus dem Karton schauen. Mit allen Facetten des Humors lassen Tauber und Römling dabei das Hirn spritzen. Allerdings sorgten diverse andere Arbeiten der beiden Künstler für die Pause: Römling zeichnet mittlerweile für «Star Wars Rebels», Tauber für «Die drei ???». Dazu kommt: Römling zog vor einiger Zeit nach Berlin, Tauber wohnt weiterhin in Frankfurt am Main. Wie soll es nun weitergehen? Ein Gespräch mit dem 38-jährigen Autor über Pointen und «Paranormal-Activity-Müll», über den deutschen Comic und die Zukunft von «Survivor Girl».
COMIC!: Ich würde gerne mit einer eher klassischen letzten Frage in das Interview einsteigen: Wie geht es mit «Survivor Girl» weiter? Warum die Pause?
Christopher Tauber: Der Hauptgrund sind auf jeden Fall unsere aktuellen Jobs. Es liegt aber zu einem anderen großen Teil an mir, weil ich noch keine neuen Folgen geschrieben habe. Wenn es soweit ist, steht noch die Frage im Raum, ob Ingo zu den Zeichnungen kommt oder wieder Kim Liersch oder vielleicht ein anderer Künstler für den nächsten Abschnitt der Geschichte übernimmt. Das Projekt ist im Hiatus, da befinden wir uns gerade. Wir sagen nicht, daß wir aufhören. Aber es gibt keinen konkreten Plan für die nächste Zeit. Das wird einfach irgendwann passieren. Ohne große Vorankündigung. So wie wir es bisher gemacht haben.
COMIC!: Kannst du denn trotzdem vielleicht ein wenig verraten, wie es weitergehen könnte?
Christopher Tauber: Es gibt ein, zwei Figuren, die Ingo und ich uns ausgedacht haben, mit denen ich wirklich gerne arbeiten würde. Das ist aber ein wenig schwierig, sie jetzt zu beschreiben. Das würde zu viel von der Story verraten. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, welche Sachen man noch durch den Kakao ziehen könnte. Was mich reizen würde, wäre was mit Lovecraft zu machen. Den hatten wir bislang gar nicht drin.
Ich habe zudem mal über eine Storyline nachgedacht, die auf «Fright Night» und «Das Fenster zum Hof» hinausläuft. Allerdings habe ich die Idee wieder verworfen. Und es gibt eine konkrete Storyline, von der ich bereits drei Folgen geschrieben habe, aber nicht so richtig weitergekommen bin. Ich kann es auch nicht verraten. Das ist so, als würde ich jetzt schon die Pointe verraten. Aber im Horror gibt es ja genug, das reizt, es zu parodieren. Ich hätte gerne mal «Stranger Things» und diese Horror-Nostalgie verarscht, die ich im Mainstream eher kritisch sehe. Oder: Ingo steht auf «Hellraiser» und diese Sachen von Clive Barker, so etwas zu machen, eine Bodyhorror-Geschichte in Richtung Cronenberg wäre ebenfalls sehr reizvoll. Wo ich so rede, würde ich jetzt am liebsten direkt anfangen zu schreiben. Aber wie gesagt: Es fehlt die Zeit.
COMIC!: Wir haben uns vor drei Jahren schon einmal über «Survivor Girl» auf dem Comic-Salon in Erlangen unterhalten. Da fiel von dir die schöne Aussage: «Ich saß einfach da, habe einen Horrorfilm geguckt und gedacht: Dieser scheißlangweilige Paranormal-Activity-Müll.» Was ist im Jahr 2017 der «scheißlangweilige Paranormal-Activity-Müll»?
Christopher Tauber: Oh Gott, bei der Antwort werde ich von allen gesteinigt. Ich bin vielleicht echt ein bißchen anti-mainstream, aber für mich war es im letzten Jahr «Stranger Things». Das fand ich furchtbar langweilig. Die Serie war so lahm erzählt, sie hat sich die ganze Zeit nur im Zitat gefallen. Es war gut gemacht und auch gut gespielt von den Kids. Ich habe aber die ganze Zeit gedacht: Wann passiert da mal was? Es ist aber natürlich nicht so ein scheißlangweiliger Müll wie «Paranormal Activity». Was mich 2017 sehr enttäuscht hat, aber vielleicht weil es auch so gehypt wird, ist «Get Out». Ich fand den Film eher ziemlich planlos. Das war eine furchtbar zähe Veranstaltung. Ich warte jetzt darauf, wie «ES» wird. Ich bin ganz guter Dinge. Aber am Ende ist das vielleicht der große Scheiß des Jahres, ich weiß es nicht.
COMIC!: Aber es wäre genug Stoff zum Parodieren für dich da? Würde dich etwas wie «Get Out» reizen? Oder würde so etwas nicht funktionieren, weil die Bilder aus diesen Filmen und Serien noch nicht in die Popkultur eingezogen sind?
Christopher Tauber: Bei «Get Out» ist das Problem: Du müßtest es wie eine MAD-Parodie direkt auf den Film machen und mich reizt es eher, diese Subgenres abzuklatschen. Als wir «Paranormal Activity» parodierten, haben wir auch gleich den Bogen zu «V/H/S» geschlagen, den ich wiederum total großartig fand. Es muß beim Parodieren entweder totaler Haß oder totale Liebe sein. Bei «Get Out» ist mir nichts eingefallen, außer: Der Film funktioniert für mich nicht. Er hat mich nicht so geärgert. Mich ärgert eher der Hype darum. Genau wie bei «Stranger Things». Das ist eine familientaugliche Horror-Serie, die alte Platten und Dias rausholt. Da könnte man eher ansetzen. Der Ansatz wäre vielleicht: Wenn wir bei «Survivor Girl» genug Folgen hätten, könnten wir schöne Selbstreferenzen bauen und so etwas wie «Stranger Things» mit unserem Comic machen. Das wäre dann eine Meta-Sache. Ich glaube, ich brauche so etwas oder eben komplette Albernheit. Da aber «Get Out» selbst so albern an manchen Stellen ist und sich fast schon selbst parodiert das würde nicht funktionieren.
COMIC!: In den letzten Folgen von «Survivor Girl» habt ihr euch ja von der eher cartoonigen Panelfolge verabschiedet und mit diesem Layout gebrochen. Wie kam es dazu?
Christopher Tauber: Das war der Effekt, daß Ingo an der Stelle keine Zeit mehr und Kim übernommen hatte und sie ist Mangazeichnerin. Sie hat ein paar Strips im Stil von Ingo gemacht, mit dieser klassischen Anordnung von vier oder fünf Panels. Dann wurde die Geschichte aber so, daß ich gemerkt habe: Ich würde gerne ausprobieren, das Format aufzubrechen. Und Kim den Stil machen zu lassen, wie sie das eigentlich beim Zeichnen macht. Sie kann supergeile Strips zeichnen. «Free Fall» von ihr ist absolut super, darüber bin ich auf sie aufmerksam geworden. Das ist so eine Mischung aus Manga und «Calvin & Hobbes». Und ich wollte es einfach mal ausprobieren, wie es ist, wenn wir in einem richtigen Seitenlayout erzählen. Eigentlich würde mich das weiterhin reizen, wenn bei «Survivor Girl» eine Episode mit anderen Zeichnern läuft. Das ist ja das Geile am Internet: Wir können es uns aussuchen, wir müssen keinem Druckformat folgen. In der gedruckten Version haben wir es ganz gut hinbekommen, daß es nicht so auffällt. Wir haben die Seiten einfach auf der Hälfte auseinander gefieselt. Ich weiß, daß Ingo da nicht so experimentierfreudig ist. Er steht total auf diese Strip-Anordnung, weil sie für ihn sehr befreiend ist, da er ansonsten seine barocken «Malcolm Max»- und «Star Wars»-Seiten bastelt. Für ihn ist das einfach so: Yeah, cool, ich haue das jetzt hin. So wie ein Ingo Römling das eben hinhaut total genial und auf den Punkt.
COMIC!: Wie ist es zum Kontakt mit Kim Liersch gekommen?
Christopher Tauber: Ich habe sie einfach angeschrieben. Ich glaube, es war Asja Wiegand, die mir die Comics von Kim gezeigt hat. Mir gefielen sie und sie blieben bei mir hängen. Dann habe ich irgendwann gesagt: Ich rede mal mit Ingo, wie es mit «Survivor Girl» weitergeht. Und Ingo hat gesagt: No Way, es ist alles dicht. Da habe ich Kim gefragt, ich hatte ja nichts zu verlieren. Sie konnte nur «Ja» oder «Nein» sagen. Und war dann ziemlich schnell dabei.
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Artikel, Interviews, Analysen, Porträts... November 2017
Format: DIN A4 Umfang: 264 Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25 ISBN 978388834-948-5
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