Noch vor einem Jahr sah es so aus, als wäre der Comicmarkt in den USA, nach Jahrzehnten der Krise, endlich saniert [vgl. Comic!-Jahrbuch 2017]. Aber bereits im Oktober kündigte sich eine Trendwende an, zumindest bei einem der «Big Two»: Konnte DC zunächst noch mit dem «Rebirth»-Event punkten, scheint sich bei den Marvel-Lesern nach dem «Civil War 2» eine Event-Müdigkeit breitgemacht zu haben, die von vielen auch als Veränderungsmüdigkeit verstanden wurde.
Marvel-Geschäftsführer David Gabriel spricht im Interview mit dem Blog ICV2 von einem plötzlichen Umschwung im Kaufverhalten, als hätten die Leser, die Marvels Wandel über die Jahre unterstützt hätten, plötzlich die Lust daran verloren. Auch ökonomische Faktoren mögen eine Rolle gespielt haben. Einige Händler sehen, wie Publishers Weekly in einer Umfrage feststellte, sogar die Folgen der US-Wahl als möglichen Grund dafür, daß viele Leser jetzt lieber protestieren gingen als Comics zu kaufen. Eine Rolle spielten aber sicher auch die Schwemme von neuen Comics vor allem Marvel veröffentlichte im vergangenen Herbst deutlich mehr neue Titel als im Vorjahr und die zunehmende Unübersichtlichkeit des Marvel-Universums. (DCs «Rebirth» dagegen versprach ja gerade eine Rückkehr zum bekannten Universum. Vielleicht war das einer der Unterschiede, die den Erfolg ausmachten?) Seitdem sind die Heftverkäufe allgemein stark zurückgegangen. Das muß noch keine Krise sein: Vielleicht bedeutet es einfach, daß sich der Markt nach einem Aufbäumen im letzten Jahr jetzt normalisiert. So scheinen es jedenfalls DC-Herausgeber Dan DiDio und Jim Lee zu sehen, wenn ICV2 sie nach den gesunkenen Graphic-Novel-Verkäufen fragt: «Wir sehen es nicht als Leiden [unter dem Schwund, Anm. d. Übers.], in dem Sinn, daß wir letztes Jahr einfach ein herausragendes Jahr hatten.»
Stagnation
Der Gesamtumsatz für 2016 sieht in der jährlichen gemeinsamen Aufstellung der Blogs ICV2 und Comichron auf den ersten Blick noch ganz gut aus: Getragen von drei starken Quartalen, konnten amerikanische Comics wieder ein leichtes Plus von 5 % einfahren. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber: Dieses Plus geht ausschließlich auf das Konto des Buchhandels, dessen Comicumsatz um 12 % gestiegen war. Die anderen Marktsegmente, der «Direct Market» und die digitalen Comics, stagnierten dagegen. Immerhin findet der Stillstand auf hohem Niveau statt: Die erfolgreichsten Hefte des Jahres kamen Comichron zufolge auf knapp 400.000 Vorbestellungen. Mit Ausnahme von 2015, wo das durch den Abodienst Loot Crate1 vertriebene STAR WARS 1 die Millionengrenze sprengte, aber auch die Nächstplatzierten noch über 500.000 Exemplare absetzten, sowie dem einsamen Spitzenreiter 2014, AMAZING SPIDER-MAN Nr.1, sind das die besten Spitzenwerte der letzten Jahre.2 Allerdings findet das Hauptgeschäft eher im niedrigen bis mittleren fünfstelligen Bereich statt: Wie The Beat in seinen monatlichen Marktberichten herausarbeitet, verändert sich das Bild deutlich, wenn man Erstausgaben, Crossover-Events und die einsamen Ausleger (bei DC BATMAN, bei Marvel STAR WARS) ausklammert, die Monat für Monat bis über hunderttausend Exemplare absetzen. Die erfolgreichsten Comics, die dann noch bleiben, kommen im Sommer 2017 auf 5060.000 Exemplare, das Gros liegt sogar nur zwischen 10.000 und 40.000.
Während die Hefte um 3 % nachließen, legten Graphic Novels und Trade Paperbacks 2016 um 5 % zu. 2017 ist zwar in beiden Segmenten ein Rückgang zu beobachten, bei den Heften aber stärker ausgeprägt. Das ist insofern wichtig, als die Segmente teils andere Leser ansprechen und entsprechend andere Titel die Bestenlisten dominieren: Die Trade-Bestenliste 2016 ist wieder einmal von Image-Titeln geprägt, vor allem SAGA, PAPER GIRLS und natürlich dem Dauerbrenner THE WALKING DEAD. Dazu kommen einige DC-Klassiker und aktuelle Hits.