COMIC!-JAHRBUCH 2018 |
|
Die niederländische Comicwelt gerät aus dem Gleichgewicht
Von Rik Sanders
Aus dem Niederländischen von Marcus Kirzynowski
Ein Comicverlag geht pleite, genauso wie ein Comicmuseum, das gerade erst seine Türen geöffnet hatte; ein Festival, das keine kommunale Unterstützung mehr bekommt, ein Schatzmeister, der mit Geld der Vereinigung Het Stripschap durchbrennt, verstorbene Comicmeister ... eine Unheilsnachricht nach der anderen gab es in den vergangenen zwölf Monaten in der niederländischen Comicwelt zu notieren. Glücklicherweise gab es noch genügend Lichtblicke.
Nein, die Sterne standen nicht günstig für die niederländische Comicwelt. Bezeichnend ist zum Beispiel die Insolvenz von Strip2000. 2016 bekam dieser Comicverlag noch den «P. Hans Frankfurther-Preis» für besondere Verdienste von der Vereinigung der niederländischen Comicliebhaber Het Stripschap verliehen. Etwa ein Jahr später verschickte Strip2000 eine Pressemitteilung, in der der Verlag bekanntgab, alle seine Aktivitäten zu beenden. Dann wurde der Comicverlag Mitte Mai 2017 auch noch durch das zuständige Gericht für insolvent erklärt mit Schulden von fast 200.000 €.
Strip2000 war insbesondere ein humoristisches Verlagsprogramm mit Comics von hauptsächlich niederländischen und flämischen Zeichnern. Um 2015 kam über eine Zusammenarbeit mit dem französischen Verlag Paquet noch das Abenteuerlabel Gorilla hinzu. Gründer Peter van der Heijden starb unerwartet am 25. September 2015. Der Verlag wurde von seiner Ehefrau Carolien van der Heijden weitergeführt. Sie bekam es jedoch mit rückläufigen Umsätzen in Verbindung mit kleinen Gewinnmargen zu tun. Nachdem Strip2000 2017 vergeblich versucht hatte, das Unternehmen zu verkaufen unter anderem an den belgischen Comicvertrieb Ballon Media , beschloß die Witwe Van der Heij-den, Insolvenz zu beantragen. Der Insolvenzverwalter hat noch versucht, den Lagerbestand von gut und gerne 140.000 Alben via Online-Auktion zu verkaufen. Daran beteiligten sich aber nur Schnäppchenjäger. Einige von ihnen boten die Alben von Strip2000 nach dem Erwerb bei der Aktion selbst für nur 0,79 € im Internet an.
Bankrott und Veruntreuung
Kurz nach dem Bankrott von Strip2000 folgte eine andere aufsehenerregende Insolvenz: die des Comicmuseums Strips! Museum voor het Beeldverhaal in Rotterdam. Dieses Museum war im September 2016 eröffnet worden zu früh, wie sich im Nachhinein herausstellte. Durch die auf wackligen Füßen stehende Startfinanzierung ein bißchen Crowdfunding und Geld von «Freunden», aber keine Förderung durch Fonds oder die Gemeinde standen unter anderem für Marketing nur unzureichende Mittel zur Verfügung. So wurde das Museum in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt. Die Besucherzahlen waren enttäuschend, wodurch die Einnahmen hinter den Erwartungen zurückblieben. Einfach gesagt wurde mehr Geld ausgegeben als wieder reinkam. Ein trauriges Ende für dieses Museum, das auch Ambitionen auf dem Gebiet der Sammlungsverwaltung hatte (siehe Kasten auf Seite 142).
Daneben gab es finanzielle Probleme für zwei große Comicfestivals in den Niederlanden. So endeten die Stripdagen, das von Het Stripschap organisierte größte Comicfestival, Anfang März 2017 erneut mit roten Zahlen. Es kommen zurzeit zu wenige Besucher, um die Veranstaltung gewinnbringend abschließen zu können; eine Situation, die jetzt schon seit einigen Jahren anhält. Das gibt Anlaß zur Sorge, will Het Stripschap doch 2018 sein Goldenes Jubiläum gebührend feiern.
Zu allem Unglück stellte sich heraus, daß der (Ex-)Schatzmeister von Het Stripschap etwa 2.000 € veruntreut hatte. Das kam ans Licht, nachdem ein aufmerksamer Kassenwart die Alarmglocke über eine Anzahl dubioser Überweisungen geschlagen hatte und zudem ein anderer Verein einen Tip gab, bei der der Schatzmeister auch aktiv war (dort hatte er, wie sich schließlich herausstellte, circa 10.000 € unterschlagen). Dieser Schatzmeister bekam 120 Arbeitsstunden aufgebrummt und muß außerdem das unterschlagene Geld (irgendwann) zurückzahlen.
Ein anderes großes Comicfestival in Breda, das jährlich im Herbst stattfindet, bekam die Förderung von der Gemeinde gestrichen. Der Vorhang schien schon gefallen, aber nach Verhandlungen zwischen den Organisatoren und der Gemeinde wurde 2017 zum Überbrückungsjahr erklärt und wird doch noch Geld zur Verfügung gestellt. Will das Comicfest danach noch für Fördergelder in Frage kommen, wird der Organisator mehr Gewicht auf den kulturellen Charakter der Veranstaltung legen müssen statt wie heute auf den kommerziellen Zweck des Geldverdienens. Wer weiß: Vielleicht hilft dabei die Ernennung des «Comicschöpfers des Vaterlands» auf der diesjährigen Ausgabe des Festivals (am 14. und 15. Oktober). Die Initiatoren dieser Auszeichnung erhielten 2016 den Preis Stripcultuurbeurs (wörtlich etwa Comickulturbörse) für innovative Comicprojekte von der Gemeinde Breda. Sie bekamen damals 4.000 €, um einem solchen Titel Form und Inhalt zu geben. Fortsetzung folgt.
Gallionsfiguren fallen weg
Zu allem Unglück verlor die niederländische Comicwelt auch noch zwei Gallionsfiguren: Peter van Straaten und Jan Kruis. Ihr Ableben kam zwar nicht unerwartet beide Zeichner waren schon betagt und kämpften mit ihrer schlechten Gesundheit , bedeutet aber erneut einen Aderlaß für die Comicszene der Niederlande. Es sind nur noch wenige richtig große Namen übrig, und es sieht nicht danach aus, daß ihre Nachfolger genauso breite Anerkennung in der Öffentlichkeit finden werden wie diese beiden.
Peter van Straaten (25. März 1935 8. Dezember 2016) war ein berühmter politischer Cartoonist, schuf aber auch Comics, darunter den Klassiker «Vader & zoon» (Vater und Sohn) über einen rechts eingestellten Vater und seinen «arbeitsscheuen» linken Sohn. Van Straaten war ein Meister im Zeichnen menschlicher Schwächen und enorm produktiv. Er fertigte täglich mehrere Zeichnungen an, mit seinen Schraffierungen als Markenzeichen.
|
|
|
Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2018 |
|
Links zum Artikel
|
|
Übersicht der Linklisten
|
|
|
 |
 |
 |
 |
 |
COMIC!-Jahrbuch 2018
Artikel, Interviews, Analysen, Porträts... November 2017
Format: DIN A4 Umfang: 264 Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25 ISBN 978388834-948-5
|
 |
|
BESTELLEN |
 |
|