COMIC!-JAHRBUCH 2018 |
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Vom Schreiben
Hörspiel, Comic und Roman
Interview mit Achim Schnurrer
Von Burkhard Ihme
COMIC!: Eine deiner wichtigsten Veröffentlichungen als Autor war vermutlich der Katalog «Die Kinder des fliegenden Robert», den du zusammen mit Hartmut Becker zu der gleichnamigen von euch kuratierten Ausstellung verfaßt hast, zumindest ob deren Langzeitwirkung, die in der Gründung des Internationalen Comic-Salons Erlangen1 gipfelte.
Achim Schnurrer: Es war eines meiner ersten Bücher, aber das wichtigste? In Hinsicht auf den Comicsalon hast du natürlich Recht.
COMIC!: Zu wievielen der gut zwanzig von dir kuratierten Ausstellungen hast du Kataloge zusammengestellt?
Achim Schnurrer: Falls das nicht zu ermüdend ist, zähle ich einfach mal auf:
«Die Kinder des Fliegenden Robert» (1979), «Erich Ohser e.o. plauen» (1982), «Die Kunst der Comics» (1984), «Die Welt der Bilderfrauen» (1986), «Die Kunst des André Franquin» (1988), «Paolo Eleuteri Serpieri» (1995), «Magnus» (1998). Zu anderen Ausstellungen wie etwa «Colour Kamikaze» von WON ABC erschienen Comic- und Bildbände. Zu einigen der von mir organisierten Galerie-Ausstellungen in der T17, Fürth, erschienen limitierte und signierte Drucke, z. B. von HR Giger. Oder es wurden gerade bei uns herausgekommene Bücher als Begleitpublikation verwendet.
COMIC!: Das Sachbuch, das dich persönlich vermutlich am meisten betroffen hat, war «Comics zensiert?!», das im Anschluß an die gleichnamige Ausstellung auf dem Erlanger Comicsalon 1996 entstand, die wiederum den Anschlag der Meininger Staatsanwaltschaft auf das Verlagshaus der Edition Kunst der Comics aufbereitete. Hast du in den 20 Jahren danach das Thema «Zensur» weiter intensiv verfolgt?
Achim Schnurrer: Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, nur gezwungenermaßen. Jeder Fall von Zensur, der mir seitdem bekannt wurde und wird, ist, als würde die ganze Scheiße, die damals über uns hereingebrochen ist, nochmal von vorne losgehen. Das war schon eine traumatische Erfahrung! Was mich auch immer mit der Frage konfrontiert, wie es Menschen ergeht, die noch wesentlich schlimmere traumatische Erfahrungen wie Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung o.ä. erdulden müssen. Dagegen ist ja die Vernichtung von beruflichen Existenzen (und Verlagen), so wie in unserem Fall, eher ein Klacks. Und dennoch ist die Erinnerung daran noch immer etwas, worauf ich gerne verzichten würde.
COMIC!: Als wir uns 1981 in Erlangen auf der Gründungsversammlung des ICOM kennenlernten, warst du Autor für die «Gespenstergeschichten» von Bastei, wenn ich mich recht erinnere. Wieviele Geschichten hast du zu der Reihe beigetragen, wie sah das konkret aus?
Achim Schnurrer: «Gespenstergeschichten», «Geistergeschichten», «Phantom», «Arsat, der Magier von Venedig» usw. In den gut drei Jahren, in denen ich für Bastei Comic-Szenarios geschrieben habe, sind wohl ein- bis zweihundert Storys entstanden. Der Ablauf war immer gleich: Zuerst habe ich ein kurzes Exposé von ca. einer halben Seite mit der Story-Idee verfaßt. Dann kam der Auftrag, und ich habe diese Idee in Form eines «Drehbuchs» ausgearbeitet, das Seite für Seite und Bild für Bild das beschrieb, was der Zeichner in Spanien oder Dänemark oder wo auch immer dann zuerst als Skizze und dann als Schwarzweiß-Reinzeichnung umgesetzt hat. Das heißt, meine Skripte wurden mehr oder weniger exakt (eher weniger) in die jeweilige Sprache übersetzt.
COMIC!: In den Heften war dann aber wieder dein Originaltext? Oder wurde der dann wieder rückübersetzt?
Achim Schnurrer: Nein, in der Regel wurde der Dialogtext erst dann geschrieben, wenn die fertigen Zeichnungen vorlagen, man also sehen konnte, was der Zeichner mit der Vorgabe gemacht hat. Das war teilweise schon sehr überraschend. Außerdem ließ sich erst dann abschätzen, wie groß die Sprechblasen und Textboxen überhaupt sein konnten.
COMIC!: Und woher wußten die Zeichner, wieviel Platz sie für Sprechblasen und Textboxen einplanen sollten?
Achim Schnurrer: Die Zusammenarbeit war mehr oder weniger ein Glücksspiel. Es war ja immer die Bastei-Redaktion dazwischengeschaltet, die wahrscheinlich auf Anweisung der Verlagsleitung darauf achtete, daß es keinen direkten Kontakt zwischen Zeichnern und Autoren gab. Auch unter den Autoren sollte es zumindest damals nicht dazu kommen, daß die voneinander wußten und sich dann womöglich über Arbeitsbedingungen oder Honorare hätten austauschen können. Letztlich war diese höchst unbefriedigende Situation für mich der Auslöser, jetzt erst recht andere Kreative im Comic-Geschäft kennenlernen zu wollen, woraus dann wenig später der ICOM entstanden ist. Ich erinnere mich außerdem, für die Hörspiel-Serie von «Captain Future» einige Comic-Szenarios geschrieben zu haben. Das waren kleine Heftchen, die wie ich glaube den Kassetten beigelegt wurden. Ich habe aber weder von den Bastei-Publikationen noch davon irgendwelche Belege über die Zeit retten können.
COMIC!: Wurdest du als Autor genannt? Und schriebst du damals schon unter Pseudonym? Wie etwa das Album «Odyssee» (als Karl-Heinz Baal, zusammen mit Zeichner Michael Musal, bekannt durch die «Zeitzocker»)? Und wie wurde aus Karl-Heinz Baal schließlich Lucas (Luc) Bahl?
Achim Schnurrer: Nein, Namensnennung war bei Bastei seinerzeit nicht üblich, das wird ja bei «Jerry Cotton» auch heute noch praktiziert. Bei «Captain Future» gab es auch keine Erwähnung. Karl-Heinz Baal war eigentlich ein Redaktions-Pseudonym bei Alpha Comic. Lucas bzw. Luc Bahl ist entstanden, als ich nach dem Ende von Alpha/Edition Kunst der Comics begann, für die Serien «Bad Earth», «Schattenwelt» und vor allem «Sternenfaust» (alle Bastei-Lübbe) zu schreiben. Der damalige Lektor meinte, ich solle ein Alias wählen, um mich von meiner bisherigen Tätigkeit
im Comic-Bereich als Verleger, Herausgeber usw. abzugrenzen. Es waren ja auch Romane, keine Comics.
COMIC!: Für die, die wie ich diese Serien nicht kennen: Spielen sie in einem vorgegeben Universum und mit wiederkehrenden Figuren?
Achim Schnurrer: Das Konzept und damit das Universum von «Bad Earth» hat Manfred Weinland entwickelt, hier bekam ich ein Exposé von ihm. «Schattenwelt» hieß im Untertitel «pulp magazine» und enthielt jeweils drei sogenannte Kurzromane, korrekterweise würde man sie als Erzählungen bezeichnen; bei den Storys gab es nur die Vorgabe, daß es sich um Horror- oder Fantasy-Texte handeln sollte. Mit diesem leider nur kurzlebigen Format haben Verlag und Lektorat neue Autoren testen können. Die ersten Ideen zu «Sternenfaust» hat der damalige Lektor Holger Kappel entwickelt. Die Grundlinie der Rahmenhandlung wurde dann später auf Autorenkonferenzen entwickelt, es war also so etwas wie eine Koproduktion. Schön waren die ersten von Kappel geschriebenen Exposés, die pro Roman manchmal nur aus ein, zwei Sätzen bestanden, dem Autor also viel Freiheit einräumten. Das ist natürlich je weiter sich so eine Serie entwickelt und je mehr Details aus vorherigen Handlungssträngen berücksichtigt werden müssen, nicht mehr möglich.
1 siehe COMIC!-Jahrbuch 2001: «Zwanzig Jahre ICOM der Anfang» von Achim Schnurrer, komplett, aber mit wenigen Abbildungen auf der ICOM-Website nachzulesen (siehe Linkliste zum COMIC!-Jahrbuch www.comic-i.com/jahrbuch18.html)
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Links zum Artikel
«Zwanzig Jahre ICOM der Anfang» von Achim Schnurrer (komplett, aber mit weniigen Abbildungen)
Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus - DadA
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COMIC!-Jahrbuch 2018
Artikel, Interviews, Analysen, Porträts... November 2017
Format: DIN A4 Umfang: 264 Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25 ISBN 978388834-948-5
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