Forschung beruht immer auch auf der Kenntnis des bereits Erforschten. Insofern nimmt die Bonner Online-Bibliographie zur Comicforschung (www.comicforschung.uni-bonn.de) eine wichtige Stellung in der theoretischen Beschäftigung mit der Sequentiellen Kunst ein. Das COMIC!-Jahrbuch sprach mit dem Initiator und Betreiber der Datenbank, Dr. Joachim Trinkwitz.
COMIC!: Du bist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und IT-Verantwortlicher am Institut für Germanistik an der Universität Bonn. Was sind dort deine «normalen» Aufgaben?
Joachim Trinkwitz: Ich betreue zum einen (zur Zeit zusammen mit zwei Mitarbeitern) Rechner und Software von über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, kümmere mich um Netzwerkprobleme und die Mail-verteiler, beschaffe und installiere neue Geräte, gehe bei Problemen und Fragen zur Hand etc. Dazu gehört auch die Einrichtung und Betreuung des Online-Vorlesungsverzeichnisses und des Prüfungssystems sowie die der Homepage des Instituts, wie auch die Gremienarbeit in allen Kommissionen und AGs in der Uni, die mit der IT zu tun haben.
Zum anderen unterrichte ich pro Semester acht Wochenstunden, davon zur Zeit meist sechs zum Thema Comics. Im Grunde wird das ermöglicht eben dadurch, daß ich der IT-Mensch des Instituts bin, ich bin daher keiner Professur unterstellt, die mir vorschreibt, was ich zu lehren habe.
COMIC!: Wie kam es zur «Bonner Online Bibliographie für Comicforschung»? Inwieweit ist sie an das Institut angebunden und welche technischen Möglichkeiten hast du vorgefunden bzw. installiert?
Joachim Trinkwitz: Die Online-Bibliographie war ursprünglich nur eine umfangreiche Papierliste mit Literaturhinweisen zum Thema Comic für meine Seminare. Irgendwann wurde die Liste so lang, daß ich angefangen habe, mit bibliographischer Software zu experimentieren, wobei ich bei dem Open Source System WIKINDX des amerikanischen Musikwissenschaftlers Mark Grim-shaw hängengeblieben bin, der das System ursprünglich auch für seine eigenen Zwecke entwickelt hat. Das System ist zwar nicht sehr weit verbreitet, bietet aber die besten Möglichkeiten für eine dezentrale Eingabe und einen flexiblen Schlagwortkatalog. Mittlerweile bin ich fast der einzige Tester von Vorab-Versionen und finde daher ein offenes Ohr des Entwicklers für Verbesserungsvorschläge. Installiert habe ich das System auf dem eigenen Server unseres Instituts, den ich ohnehin selbst betreibe.
COMIC!: Wie zukunftsfähig ist so ein System? Und wird es deine Tätigkeit in Bonn überhaupt überleben?
Joachim Trinkwitz: Da der Entwickler lebt und wohlauf ist, sehe ich das System als durchaus zukunftsfähig an. Und dank der normalen, wohldefinierten SQL-Datenbank wäre im äußersten Notfall auch eine Übertragung in ein anderes System möglich.
COMIC!: Da die Datenbank aber an keinen Lehrstuhl gebunden ist, sondern nur deinem «Hobby» dient, sehe ich durchaus die Gefahr, daß sie nach deiner Pensionierung nicht nur nicht weitergepflegt wird, sondern sogar vom Uniserver entfernt wird. Oder gibt es bindende Vereinbarungen?
Joachim Trinkwitz: Die Gefahr besteht durchaus. Es ist noch ein paar Jahre hin, so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß das Institut die Bibliographie offiziell weiterführt. Ansonsten hoffe ich, daß ich sie einer anderen Institution übergeben kann, z. B. der ComFor (Gesellschaft für Comicforschung) oder einem der Archive in Hamburg oder Frankfurt.
COMIC!: Wie bist du selber zu den Comics und später zur Comicforschung gekommen?
Joachim Trinkwitz: Natürlich habe ich als Kind das übliche gelesen, eine bunte Mischung von Fix und Foxi, Disney-Comics, Wäscher-Piccolos, «Illustrierte Klassiker» etc., später «Asterix», MAD und, als Science-Fiction-Fan, die frühen «Perry Rhodan»-Comics. Zu der Zeit waren Eltern nicht gerade begeistert darüber, daß ihre Sprößlinge derartiges Zeugs lesen, so daß ich das meiste bei Freunden und Verwandten ausgeliehen habe. Diese frühe Phase hat sich aber, wie bei vielen meiner Studenten, wieder gelegt, und bis zu meiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit Comics habe ich lange Jahre keine mehr in die Hand genommen.
Zur Comicforschung und damit wieder zum Comiclesen bin ich durch einen Sammelband gekommen, der bei einer Online-Zeitschrift zur Rezension angeboten wurde und der mich neugierig machte. Es handelte sich um den von Stefanie Diekmann und Matthias Schneider herausgegebenen Band «Szenarien des Comic», 2005 im Berliner Verlag SuKuLTuR erschienen. Der Band enthält Beiträge zu Serien wie «Gasoline Alley», «Zippy the Pinhead» und «Doonesbury», die mein Interesse am Comicstrip geweckt haben, ferner Aufsätze über Suehiro Maruo und Enki Bilal, die mich auch neugierig machten. Für die Rezension habe ich mich sehr gründlich in das Thema Comics eingearbeitet und es so auch als Gegenstand für die Lehre entdeckt. Mit der Comicforschung bin ich dann noch direkt in Kontakt gekommen durch eine ComFor-Tagung in Köln, die ich besucht habe und dort, weil zufällig ein Vortrag ausfiel, Gelegenheit bekam, die Bibliographie vorzustellen.
COMIC!: Du unterrichtest als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, nicht als IT-Verantwortlicher. Oder spielt das keine Rolle?
Joachim Trinkwitz: Doch, das ist richtig. Ursprünglich habe ich fast nur Computerkurse gegeben, aber das ist mittlerweile durch das Kursangebot unseres Rechenzentrums und durch externe Lehrbeauftragte abgedeckt, danach gibt es kaum noch Nachfrage. In die IT bin ich eher zufällig reingerutscht, durch die Mitarbeit an einem computergestützten sprachhistorischen Projekt.
Studiert habe ich Germanistik, Skandinavistik und Vergleichende Literaturwissenschaft, meinen Doktor habe ich in Skandinavistik gemacht. Vor meiner Wiederentdeckung des Comics hat mich übrigens schon immer die visuelle Dimension von Literatur interessiert, ich habe mich viel mit Typographie von der Literaturwissenschaft kläglich vernachlässigt , Buchkunst und visueller Poesie beschäftigt. Da sehe ich viele Berührungspunkte zum Comic, der ja auch ein buchförmiges (damit sind Hefte eingeschlossen) Medium ist Webcomics mal beiseite gelassen. Auffällig ist ja, daß Kunsthistoriker sich eher selten für Comics interessieren, zumindestens hier in Bonn sind es fast ausschließlich Literaturwissenschaftler (Romanisten, Anglisten, ganz selten mal Medienwissenschaftler), die sich damit beschäftigen.