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COMIC!-JAHRBUCH 2017

Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation:
Jaja Verlag
Interview mit Annette Köhn

von Clemens Heydenreich


COMIC!: Dein Verlags- und Wohnsitz ist Berlin, aber geboren und aufgewachsen bist du in Erlangen. Der Internationale Comic-Salon hat dich von Kindesbeinen an geprägt – das geht auch aus einem autobiographischen Mini-Comic namens "Annettes Weg ins Glück" hervor, den du 2012 ins Netz gestellt hast und der von einer frühen Comic-Salon-Begegnung mit Klaus Cornfield über dein Studium in Weißensee bis hin zu deiner Verlagsgründung führt. Könntest du diesen Weg und deine Prägungen noch einmal etwas ausführlicher beschreiben?

Annette Köhn: An den Comic-Salon erinnere ich mich noch aus Kindertagen, da habe ich Workshops mitgemacht, und meine Brüder haben vor allem wie irre Aufkleber "abgegriffen", die heute noch an diversen alten Möbelstücken kleben. Als Teenagerin war ich dann Fan von "Throw that Beat in the Garbagecan" und ließ mir beim Salon von Klaus Cornfield ein Autogramm aufs T-Shirt schreiben. Das T-Shirt habe ich leider nicht mehr, aber das Autogramm blieb das einzige bis heute, das ich mir von einem Star geben ließ.
Inzwischen besuchte ich den Salon auch vor allem wegen der Zeichnungen und schöpfte meine Inspiration aus den Ausstellungen. Den ersten Teil meines Studiums habe ich ja noch in Nürnberg absolviert und war, glaube ich, auf jedem Comic-Salon, zum Staunen und Ideenkriegen und Träumen ... Ich studierte Kommunikationsdesign und träumte davon, nach dem Studium etwas Schönes und nicht zu (Groß-)kommerzielles anzufangen, zum Beispiel irgendwann einen Verlag zu gründen. Die Idee dazu ist uralt, und schon als Grundschülerinnen haben zwei Brieffreundinnen und ich quasi "Verlag gespielt", indem wir jeweils eine kleine Zeitschrift herausbrachten in einer Auflage von drei Stück. ;)
Bis zur Verlagsgründung im Herbst 2011 prägte mich dann natürlich noch das Weiterstudieren in Berlin und dort speziell die Comicszene an der Hochschule (Mawil, Jens Harder, Ulli Lust ... die studierten alle ein Jahr "über" mir) und in der Renate-Comicbibliothek. Meine praktische Diplomarbeit 2005 hieß "PupsPopelPipiKack" und war eine Art Erklär-Comicbuch. Nach dem Studium mietete ich in meinem Kiez ein Ladengeschäft und machte daraus die "Musenstube". Dort konnten ich und weitere freiberuflich selbständige Graphikdesigner und Illustratoren arbeiten und in Ausstellungen unsere freien Arbeiten zeigen. Wir kreierten zusammen auch Druckprodukte zum Verkauf, die wir in Berlin in ein paar Läden oder auf Designmärkten verkauften. Die "Musenstube" entwickelte sich zu einem kleinen Knotenpunkt im Netzwerk der zeichnenden Kreativen, auch mit Förderprojekten und Workshops.
Über die "Musenstube" lernte ich also immer mehr tolle Zeichner kennen und dann vor allem auch über das wunderbare Skizzenfestival. Seit 2006 trafen zunächst immer in Stralsund an die 40 Zeichner aufeinander und zeichneten zehn Tage lang in ihre Skizzenbücher. Jedes Mal entpuppte sich diese Zeit als unglaublich förderlich für die eigenen Zeichenskills, fürs Horizont-erweitern und für das Entstehen neuer Kontakte und Freundschaften.
Also, der Verlag war einfach fällig, als Maki Shimizu (langjährige Mitmuse) ihren Comic fertig gezeichnet hatte, und wir ihn brauchten.

COMIC!: Mal ganz ketzerisch gefragt: Als du im Jahr 2011 den Jaja Verlag gründetest, da gab es ja nun bereits den einen oder anderen Comicverlag in Deutschland. Was brachte dich auf die Idee, es bedürfte noch eines weiteren?

Annette Köhn: Weil es für mein Gefühl ein Überangebot an toll gezeichneten, aber unveröffentlichten Manuskripten gab – deshalb mußte ich Jaja gründen. Aber eigentlich ist es fast noch einfacher zu sagen, daß es mir egal war, ob es schon Comicverlage gibt oder wieviele ... Jaja ist auch kein ausschließlicher Comicverlag, es gibt da auch ein kleines Segment Kinderbücher, es gibt illustrierte Literatur für Erwachsene – und die Kochbücher.

COMIC!: Wie kam es zu dem Namen "Jaja"?

Annette Köhn: Mannmann, diese Frage immer! Also: Ein "Ja" hat ja was Positives, das fand ich schon mal passend, zwei "Jas" sind dann quasi doppelt optimistisch, und es kommt dann noch so ’ne lockere Klangfärbung dazu. Oft genug wurde mir dieser Spruch unter die Nase gehalten, in dem es heißt: "Jaja, leck mich doch am Arsch", aber dann kann ich immer nur mit den Schultern zucken, weil, so hatte ich es ja nicht gemeint. Wenn man die Ohren aufsperrt oder man wegen seines Verlagsnamens eine gewisses selektives Hörbewußtsein hat, dann hört man Leute ständig "Jaja" sagen. In jeeeeder Unterhaltung! Darum der Slogan "Jaja ist in aller Munde".

COMIC!: Wie muß man sich die Beziehungen zwischen Jaja und anderen Independent-Comicverlagen vorstellen? Sind (um nur einmal die beiden geläufigsten Berliner Vertreter zu nennen) Reprodukt oder Avant für dich Adressen, bei denen du kollegiale Tips austauschen und über Projektideen sprechen kannst (so nach dem Motto: "In mein Programm paßt das Buch XY eher nicht, aber vielleicht wäre es ja etwas für euch?") – oder gibt es Konkurrenzen, und man belauert einander manchmal auch so ein bißchen?

Annette Köhn: "Kollegiale Tips austauschen" trifft es schon ganz gut. Wobei ich die Kleine bin, die sich gerne Tips holt, aber von den Großen nicht um Rat gefragt wird. Dafür schieben wir tatsächlich manchmal die Bewerber hin und her, wenn wir das Gefühl haben, sie passen eher in einen der anderen Verlage. Eine Konkurrenz gibt es auch deswegen nicht, weil wir in unseren Verlagsprogrammen unterschiedlich genug sind, also jeder Verlag hat schon so einen eigenen Stil.

COMIC!: Während Reprodukt und Avant – um diese Namen rein beispielhaft noch einmal aufzugreifen – in erster Linie Lizenznehmer sind und nur gelegentlich deutsche Zeichner veröffentlichen, veröffentlicht Jaja nur Eigenproduktionen ...

Annette Köhn: Ich habe noch nie eine Lizenz gekauft! Und bislang auch nur einmal eine Lizenz ins Ausland verkauft: "Leto – Reise in die Halonbucht" gibt’s auf Vietnamesisch.

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November 2016
Format: DIN A4
Umfang: 224 Seiten, davon 60 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-947-8
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