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COMIC!-JAHRBUCH 2017

Zehn Jahre Splitter Verlag
Interview mit Horst Gotta

Von Burkhard Ihme


COMIC!: Der (neue) Splitter Verlag wurde 2006 gegründet. Gratulation zu zehn erfolgreichen Jahren, die den deutschen Comic-Markt verändert haben. Wie lange war die Vorlaufzeit, welche Rolle spielte euer Vertrieb PPM dabei und warum der Name Splitter?

Horst Gotta: Danke! ... Wie fing das alles an? Nun, die "Idee" im Comicgeschäft tätig zu sein, war bei uns drei Gründern sicher keine kurzfristige Entscheidung. Denn schon vor vielen Jahrzehnten haben Dirk, Delia und ich (damals natürlich noch ganz unabhängig voneinander) jeweils den Beschluß gefaßt, Comics zu texten, zu zeichnen, zu drucken und zu verkaufen. Inwieweit das in einem eigenen Verlag stattfinden sollte, dürfte damals bei uns allen eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Aber gleichzeitig ist es ja nicht so, daß sich deutsche Comicverlage um die Künstler reißen. Also war es auch schon immer naheliegend, selbst zu veröffentlichen. Wenn man also den "Verleger-Vorlauf" extrem großzügig auslegt, dann habe ich Ende der 70er Jahre angefangen und Dirk und Delia Ende der 80er. Das heißt: Comicproduktion ist schon immer unser Beruf, graphische Studios hatten wir eh am Laufen (mein Studio ist von Anfang an sowieso als Verlag eingetragen), und der letzte Schritt zu Splitter war "nur" eine Konsequenz von vielen, die man so im Laufe der Jahre trifft.
Nun aber konkret zu Splitter. Hier ist die Initialzündung erst einmal das persönliche Kennenlernen von Dirk und mir, das vom Jahre 2000 an in vielen Comicideen und Umsetzungen gipfelte (oft auch im Werbebereich). Wir hatten unsere eigenen Comics am Markt und auch in der Dienstleistung für Comicverlage gearbeitet. Für Dirk und Delia lag der Hauptansporn darin begründet, daß deren "Arbeitgeber" Carlsen sich aus dem Geschäft zumindest in den Bereichen zurückzog, die Dirk und Delia betreuten. Sie waren – mit dem Blick auf die Zukunft – gezwungen, eine Alternative auf die Beine zu stellen. Bei mir war es eher der Grund, daß ich dem Alleinkämpfer-Status auf Wiedersehen sagen wollte und nur in einem Verlag mit mehreren Mitarbeitern auch mehr Profession sah.
Das Thema kam dann im Jahre 2005 irgendwann erstmals auf den Tisch. Anfangs war es natürlich nur so eine Idee ... aber dahinter stand auch sofort der Gedanke: warum nicht? Profis waren wir drei sowieso. Lernen mußten wir nichts mehr. Die Umsetzung (auch als Inhaber jeweiliger Firmen) war uns auch nicht wirklich fremd. So trafen wir uns Anfang 2006 erstmals, um die Idee einfach mal zu konkretisieren. Das erste Treffen war "zu viert" angedacht. Aber es stellte sich heraus, daß der vierte Partner – obwohl selbst eigentlich ein jahrelanger Profi – das Ganze nicht ganz so groß aufziehen wollte. Also waren wir gleich danach zu dritt, und im Frühjahr trafen wir uns, um es dingfest (die GmbH&Co KG- Gründung) zu machen. Die Geschäftstätigkeit startete im Sommer und die ersten beiden Bücher hatten wir auf der Buchmesse im Oktober in den Händen.
Die Frage des Vertriebs konzentrierte sich darauf, daß wir zwei Ideen im Kopf hatten:
a) zu einer Auslieferung zu gehen, die am Markt schon etabliert ist und uns eine gewisse Sicherheit gibt, oder b) einen Vertriebs-Neueinsteiger auszuwählen, der das "Buchhandels-Geschäft" mit uns neu starten wollte – also ein alleiniger und fester Vertriebspartner von Splitter wird.
Mit beiden gab es Treffen und Vorbesprechungen. Wir entschieden uns für die Variante Sicherheit, also einen etablierten Vertrieb. Der Grund: Unser "Risikokapital" hätte nur für ca. ein Quartal mit sechs bis acht Büchern gereicht. Und unter den Bedingungen waren MSW und PPM die naheliegensten Adressen. Letzterer war jünger am Markt, schneller im Business und mit viel mehr Wachstumsphantasie. Und somit ideal passend zur Situation und Philosophie von Splitter! :-)
Der Name Splitter ist zwei Zusammenhängen geschuldet: a) hatten Dirk und Delia eine gute Beziehung zu dem Namen, weil sie ihre Comicserien dort veröffentlichten, und b) paßte der Namen – wie die Faust aufs Auge – zu unserer Programmausrichtung, die sich zum Start hin (und nur zum Start hin) auf Science-Fiction und Fantasy konzentrieren sollte.

COMIC!: Gab es bei der Gründung ein Konzept, das all das beinhaltete, was ihr jetzt umsetzt?

Horst Gotta: Sehr oft wird uns die Frage gestellt, warum wir – im Laufe der Jahre – immer wieder andere Genres und andere Produktideen ins Programm aufnehmen, die es zuvor bei uns nie gab. Nun, hier steht schon – von Anfang an – ein langfristig gedachtes Konzept dahinter. Wir wollten immer schon einen breit aufgestellten Verlag führen, uns aber auf dem Weg dahin nicht verzetteln. Und so sind Genres wie Western oder Horror oder Produktgruppen wie die toonfish-Funnies und die Graphic Novels oder die Specials wie die Figuren-Editionen und die Schuber immer step by step zusätzlich eingeführt worden, wenn wir das Gefühl hatten, die vorherigen Ziele erreicht zu haben.
So ist also nur weniges, das Splitter heute ausmacht, nicht vorgeplant. Einfallen würden mir da vielleicht die "Midlife-Crisis-Bücher" eines JIM oder die Idee, Splitter auf bis zu zehn Mitarbeiter hochzufahren. So weit hatten wir dann doch nicht gedacht. Der heutige Erfolg liegt letztendlich wirklich über den Erwartungen.

COMIC!: Splitter ist nicht der erste Verlag, der von Comiczeichnern gegründet wurde, aber im deutschsprachigen Raum sicher der erfolgreichste. Hattet ihr immer im Hinterkopf den Plan, eure eigenen Comics bei Splitter zu veröffentlichen? Und hält der Erfolg des Verlages euch davon ab, neue Comics zu zeichnen?

Horst Gotta: Ja, als Comicautoren und -zeichner war natürlich ein fester Anteil eigener Arbeiten eingeplant. Ein bißchen was davon konnten wir auch in Alben umsetzen (z. B. die Mitarbeit an der "Wolkenvolk"-Trilogie) – andere, wie die lange angekündigten "Perry-Rhodan"-Alben, blieben leider auf der Strecke. Und ja, der Hauptgrund dafür ist die mittlerweile erreichte Größe von Splitter: Es steht täglich so viel Arbeit an, daß wir drei "leider" unsere Künstlerkarrieren im Moment hintanstellen müssen.

COMIC!: Was war dein zeichnerischer Anteil an "Wolkenvolk", Horst? 

Horst Gotta: Ich habe bei Band 1 und 2 die Tusche gemacht (ab Band 3 wurde auf Bleistift-Strich koloriert), und in allen Bänden ist fast alles Technische von mir. Seien es diverse Räume, die Wolkenmaschinen, die "Zeppeline" und Gleiter ... also die meisten komplexen "Bühnen" kommen von mir (aber auch nicht alle).

COMIC!: Dirks "Indigo" ist im Rahmen der Jubiläumsausgaben nachgedruckt, besser gesagt gefeiert worden. Ist mit "Janet", "Jerry Jetson", "Celtis", "Chiq und Chloe" und "Parasiten" in irgendeiner Form auch noch zu rechnen?

Horst Gotta: Alle drei Künstler hinter Splitter wollten immer schon ihr eigenes Kunsthandwerk als Teil des großen Ganzen sehen. Letztendlich ist aber nur "Indigo" zur Veröffentlichung fertig geworden, da Dirk ihn "noch kurz vor Splitter-Gründung" in eine überarbeitete (überwiegend Carlsen-)Fassung bringen konnte.

COMIC!: 2006 stand es um den deutschen Albenmarkt nicht zum Besten. Die Comicläden hielten sich nur durch den Mangaboom, wenn sie einen Zipfel davon erhaschen konnten, über Wasser. Das hat euch nicht geschreckt?

Horst Gotta: Eigentlich nein, da die Lücke im Albenmarkt nicht auf zu geringe Nachfrage zurückzuführen war, sondern eher auf das strategische Umschwenken einiger Verlage und vorrangig die große Neuausrichtung bei Carlsen. Man hat das Segment, in das Splitter startete, bewußt runtergefahren. Genau da, wo man vorher vielleicht auch zu viel Geld ausgegeben hat!?
Und noch einmal nein, denn selbst, wenn es eine spezielle Marktschwäche gegeben hätte, dann wäre es verlagsstrategisch immer noch interessant, in diese Lücke reinzustarten, denn die Zukunfts-Aussichten waren gut, da der frankobelgische Markt gleichzeitig "mit diesem Material" boomte. 

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November 2016
Format: DIN A4
Umfang: 224 Seiten, davon 60 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-947-8
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