COMIC!-JAHRBUCH 2017 |
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Nach zuletzt zwei Ausgaben mit jeweils 264 Seiten
ist dieses COMIC!-Jahrbuch nun wieder etwas schmaler geraten, was nicht etwa Folge von Kosteneinsparung ist, sondern schlicht daran liegt, daß viele eingeplante Beiträge verschoben werden
mußten oder schlicht nicht geliefert wurden. Dafür haben wir uns zum Ausgleich 32 zusätzliche Farbseiten gegönnt.
Einer der geplanten Beiträge sollte sich mit den Publikationen deutschsprachiger Zeichner im Ausland befassen. Als Ersatz hier die extreme Kurzversion: "Malcolm Max" von Peter Mennigen und Ingo Römling erscheint auch in Polen und belegt in den dortigen Rankings Ränge im ähnlichen Bereich wie Hermanns "Comanche", Pratt/Manaras "Indian´skie lato" (Estate Indiana) und Swolfs "Durango".
Und à propos Splitter Verlag (in dem die deutsche Ausgabe von "Malcolm Max" erscheint): Der feierte in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen mit zehn limitierten Luxusausgaben, darunter auch der erste Zyklus um den "charismatischen Dämonenjäger". Ebenso wie der im gleichen Jahr gegründete Verlag Bocola wird Splitter in diesem Jahrbuch ausführlich vorgestellt. Weitere Jubiläen (ohne weitgehende Würdigung in dieser Ausgabe): "Mecki"-Comic (65 Jahre), Interessenverband Comic e.V. ICOM, Edition Moderne (je 35 Jahre), Carlsen Manga (25 Jahre), Reprodukt (25 Jahre), Schwarzer Turm (18 Jahre), Cross Cult (15 Jahre), Alfonz (fünf Jahre, die digitale Nullnummer eingerechnet). Auch mit einem sehr bescheidenen Jubiläum (fünf Ausgaben) sei hier die sehr geschätzte COMIXENE von René Lehner erwähnt. Und das 1989 von Steffen Boiselle als COMIC NEWS gegründete Informationsblatt COMICS & MEHR wechselte nach Ausgabe 80 Verlag und Redaktion und wird nun von Michael Beck (zusammen mit Sebastian Roepke Gründer des neuen Verlages Kult Comics und für dessen Inhalt verantwortlich) betreut. Gleichzeitig wurde die Auflage des Kostenlosmagazins von 9.500 auf 25.000 Exemplare erhöht. Für jeden Leser des COMIC!-Jahrbuchs dürfte also wohl eins übrigbleiben. Und selbst wenn nicht: Für Freunde von Kostenlosmagazinen gibt es ja noch COMICS INFO und die Leseprobenhefte COMIC von Splitter und seit diesem Jahr GRINGOMAG aus dem Hause Gringo Comics.
Kult Comics sollte nicht mit den Kult Editionen verwechselt werden, auch wenn möglicherweise der eine oder andere Titel des verblichenen bei dem neuen Verlag landen könnte. Zusammen mit dem MSW Medienvertrieb Wuppertal ging auch Kult Editionen in Insolvenz und mußte die Geschäftstätigkeit einstellen. Neben den Gläubigern war auch der ICOM Independent Comic Shop (www.independent-comic-shop.de) betroffen, der zahlreiche Comicalben in Kommission anbot und nun alle auf einen Schlag bezahlen mußte. Der Comic Combo Vertrieb, der sich in Wuppertal niedergelassen hat, bemühte sich lange um die Übernahme des Medienservice. Als sich dessen Geschäftsunfähigkeit abzeichnete, wechselten viele Verlage zu dem neuen Vertrieb oder zu PPM (Peter Poluda Medienvertrieb). Die Auslieferung der ca. 370.000 Hefte zum Gratis Comic Tag 2016 durch CCV verlief zur allgemeinen Zufriedenheit und wird im nächsten Jahr wiederholt.
Ebenfalls ins Schlingern geriet Mark O. Fischers Epsilon Verlag, der zahlreiche (nach Meinung der Fans unpfleglich behandelte) Serien aus seinem Programm abgeben mußte, nachdem auch die Lizenzgeber die Geduld verloren und diese der Konkurrenz anboten, die auf Drängen der Leserschaft nach langem Zögern schließlich zugriff. Die bei Epsilon veröffentlichenden deutschen Zeichner warten nun auf klare Signale. Stephan Hagenow hat mittlerweile die Konsequenzen gezogen und die Zusammenarbeit aufgekündigt. Andere, wie Dirk Seliger, Jan Suski und Erik ("Dédé", "Deae ex machina"), arbeiten unbeirrt an ihren Serien weiter und harren ansonsten der Dinge.
Es gibt aber auch neue Comicverlage. Der älteste davon ist Pyramond in Bonn, der bereits 2015 an den Start ging und im Mangabereich verortet ist (der kreative Kopf des Verlages, Christian Allmann, betreut seit 2012 die Fanstände auf der Düsseldorfer Anime Convention DoKomi und ist im eigenen Verlag mit dem Band "Treasure Hunt" vertreten). Der ilovecomics Verlag hat es sich "zur Aufgabe gemacht, die schöne bunte Welt der 40er und 50er Jahre Comics aus den Vereinigten Staaten wiederzubeleben". Der Mila Verlag hat sich italienischen Comics verschrieben, und zwar den fumetti neri. Die wirklich nicht jugendfreien Geschichten erscheinen im Heft ZACKo und sind nur im Direktvertrieb erhältlich. Die Werbe- und Medienagentur RTO GmbH arbeitet für das Erotikgewerbe und hat dieses Jahr einen Verlag gegründet: Comicladies.de. "Durch Comicladies.de soll der Leser einen Einblick in den Alltag von Prostituierten und Clubbesitzern erhalten." Die erste Publikation, "Geschichten aus der Erotikwelt", wurde von Alicia Lorenza geschrieben und von David Boller gezeichnet und auf dem Erlanger Comic-Salon vorgestellt. Ebenfalls eine Agentur, wenn auch mit anderer Klientel, ist Contentkaufmann, die 2016 die 288-seitige Graphic Novel "Buben weinen nicht" von Michael Hafner und Andi Paar vorlegte. Paar gehört auch zu den Zeichnern, die Harald Havas’ Superhelden-serie "Austrian Superheroes" umsetzten, darunter viele erfahrene Illustratoren, von denen Walter Fröhlich, Frans Stummer und Jörg Vogeltanz in der Comicszene die bekanntesten sind und die Namen Loisel und Liberatore auf eine falsche Fährte führen (es handelt sich dabei um Verena Loisel und Michael Liberatore). Dazu gibt es zahlreiche Variantcover, u.a. von Nicolas Mahler, Ronald Putzker, Sarah Burrini und Heinz Wolf.
Die Miniserie bzw. der erste Zyklus wurde durch Crowdfunding finanziert (dabei wurden immerhin 205% der angestrebten Summe erreicht) und zweimal auf der Vienna Comix vorgestellt (dazu einmal in Erlangen und einmal in Graz). Neben "Österreichs größter Comicveranstaltung für Sammler" versucht sich die Vienna Comic Con (VIECC) zu etablieren, die am 19. und 20. November zum zweitenmal über die Bühne der Stadthalle ging, bei Preisen zwischen 13 € (Tageskarte für Kinder) und 350 € (Jeri Ryan Dinner Ticket). Auch in Deutschland hat diese dem San Diego Comic Con abgeschaute Verquickung von Comic- und Film-Veranstaltung Konjunktur und lockt deutlich mehr Besucher als der Comic-Salon. Ob sich das für die Verlage (bisher spärlich vertreten) und Zeichner auch noch rechnet, wenn das Comicangebot in ähnliche Dimensionen steigt wie auf reinen Comicmessen (bisher profitierten sie gelegentlich von einem gewissen Exotenbonus), muß sich noch zeigen. Bisher gab es solche Cons in Dortmund, Stuttgart, Hannover und Berlin, 2017 kommt Frankfurt dazu.
Diese Cons sind rein privatwirtschaftlich organisiert. Das Gegenteil, nämlich staatliche Förderung, beinhaltete die Forderung des Comicmanifestes, das 2013 im Rahmen des internationalen literaturfestivals berlin verlesen wurde. Daraus entstand der Deutsche Comicverein e.V., quasi der politische Arm der Comicszene (siehe auch COMIC!-Jahrbuch 2014 und 2016). Stefan Neuhaus berichtet auf Seite 62 nur sehr knapp über die Anhörung vor dem Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses von Berlin zum Thema "Comickultur in Berlin". Wir empfehlen die wesentlich süffigere Reportage des TAGESSPIEGEL (siehe Linkliste comic-i.com/Jahrbuch2017). Den Gegnern des Manifestes dient stets die Filmförderung als abschreckendes Beispiel. Nun erhielt aber der Film "Endzeit" von Carolina Hellsgård nach der gleichnamigen Graphic Novel von Olivia Vieweg eine Produktionsförderung der Mitteldeutschen Medienförderung GmbH in Höhe von 450.000 € (23 Projekte wurden gefördert, "Endzeit" erhielt ein Viertel der Gesamtsumme). Und darin geht es nicht um die übliche "Kunstscheiße", sondern um zwei Frauen in einer von "Zombies verseuchten apokalyptischen Welt". So erhält Heiner Lünstedt auch eine Antwort auf seine Rezension des Comics (highlightzone.de): "Bei der Lektüre von ‹Endzeit› drängt sich die Frage auf, warum eigentlich keine deutschen Zombie-Filme gedreht werden". Sie werden ja, zumindest einer.
2016 gilt in der Geschichte der Popmusik als Schreckensjahr, und das liegt nicht allein an der Musik. Auch die Comicszene mußte in den vergangenen zwölf Monaten traurige Verluste verzeichnen: Gary Reed (Comicautor und Gründer des kanadischen Independent Verlages Caliber Comics), Paul Ryan (Zeichner von "The Phantom"), der belgische Zeichner René Hausman ("Laiya" erschien im alten Splitter Verlag), Gallieno Ferri (sein Western "Zagor" wurde beim Walter Lehning Verlag zu "Rocky"), Mell Lazarus (Zeichner der Comicstrips "Miss Peach" und "Momma"), Darwyn Cooke ("The Spirit"), Jack Davis (einer der wichtigsten Zeichner des amerikanischen MAD), Richard Thompson ("Cul de Sac"), Victor Mora (in Deutschland vor allem bekannt durch sein Szenario für "Dani Futuro"), Martin Gray (nach dessen autobiographischen Roman "Au nom de tous les miens" Patrick Cothias und Paul Gillon den zweiteiligen Comic "Der Schrei nach Leben" gestalteten), Luke Haas (luxemburgischer Musiker und Comiczeichner) und Steve Dillon (arbeitete mit Garh Ennis an "Hellblazer" und "Preacher"). 1982 eroberten Yves Chaland, Ted Benoît und Serge Clerc mit ihrer Nouvelle Ligne Claire auch den deutschen Comicmarkt. Benoîts 112-seitiges Album "Ray Banana", erschienen im Ta-schen Verlag, war nach "Silence der Stumme" von Didier Comès die erste Graphic Novel, auch wenn das damals keiner so nannte. Nun lebt von den letztgenannten nur noch Serge Clerc (Comès starb 2013).
Die deutsche Comicszene trauert um zwei Legenden. Ob Hansrudi Wäscher (5.4. 19287.1. 2016) heute noch leben würde, wenn ein nicht namentlich genanntseinwollender "Autor" ihm nicht vor einem Berliner Gericht die Autorschaft an seinen Comics absprechen wollte, sei dahingestellt. Seine Comichelden leben jedenfalls weiter, sei es in den Publikationen der Verlage Wildfeuer, Mohlberg und Ingraban Ewald oder in der Version von Gerhard Förster und Martin Frei in der SPRECHBLASE, seit kurzem auch als Album erhältlich.
Lothar Dräger (19.1. 1927 9.7. 2016) prägte ab 1957 die DDR-Zeitschrift MOSAIK und schuf nach dem Ausscheiden des Zeitschriften-Gründers Hannes Hegen als Ersatz für dessen "Digedags" nicht frei von Vorbildern die "Abrafaxe", die bis heute in MOSAIK (aber zeitweise auch in Zeitungen und Comicalben) Abenteuer in wechselnden Geschichtsepochen und auf mehreren Kontinenten erleben. Dräger blieb auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1990 der Zeitschrift und ihren Autoren, Zeichnern und Lesern verbunden.
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Links zum Artikel
Verstorbene Musiker
Luke Haas
www.independent-comic-shop.de
highlightzone.de
Nachtrag: Neuer Verlag |
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Übersicht der Linklisten
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COMIC!-Jahrbuch 2017
Artikel, Interviews, Analysen, Porträts...
November 2016
Format: DIN A4
Umfang: 224 Seiten, davon 60 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978388834-947-8
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