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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation:
Comic Solidarity

Interview von Christian Endres


Webcomic-Solidargemeinschaft zwischen Netz- und Comickultur: Bereits im letzten COMIC!-Jahr-buch wurde Comic Solidarity als loser Verbund von Independent- und Webcomic-Künstlern vorgestellt. Die Unzufriedenheit mit dem Comicfestival in München vor zwei Jahren sorgte dafür, daß man zusammenkam und sich hauptsächlich über das Internet weitgehend unverbindlich organisierte – um sich auszutauschen, zu diskutieren und zu be-raten, um Lösungen für die zu verbessernden Punkte in München sowie Erlangen zu finden, und um sich vor allem auch gemeinschaftlich bestmöglich zu positionieren und zu präsentieren, z. B. mit einem Messestand und Workshops.
So viel Gemeinschaftssinn und Kommunikation digitaler Künstler im Zeitalter des Web 2.0, die keine Satzung brauchen und möchten und dennoch oder gerade deshalb den deutschsprachigen Independent- und Webcomic mit intensivem Networking fördern und verbessern – das blieb nicht unbemerkt! Deshalb erhielten Eve Jay, Sebastian Kempke und Lukas R.A. Wilde nun den Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Leistung.
Im Interview sprechen die ausgezeichneten Comic-Solidarity-Hauptverantwortlichen und die für die Comicfestival-Organisation hinzugestoßene Anna Fuchs über die Fortschritte 2015 in München, die Perspektive des Webcomics und die Ziele ihrer kleinen, feinen Commu-nity. Außerdem kommen Comic-Solidarity-Sympathisanten wie Sarah Burrini, Felix Schittig, Sascha Dörp u.a. zu Wort.

COMIC!: Für den Anfang darf gerne einmal jeder von euch erzählen, wie er zum Comic gekommen ist und was er an der Front so macht ...

Sebastian Kempke: Ich bin selbst Illustrator und habe mich schon immer leidenschaftlich mit Comics auseinandergesetzt. Während meines Studiums der englischen und deutschen Literaturwissenschaft habe ich mich auch viel mit Comics beschäftigt. Comics waren irgendwie einfach immer wichtig!

Anna Fuchs: Mit Wolfgang als Vater bin ich schon seit ich ganz klein bin mit Comics in Kontakt. Da war mir auch relativ früh klar, daß ich sein Erbe später einmal, in welcher Form auch immer, weiterführen will. In Erlangen 2014 habe ich Eve und Lukas kennengelernt und dem Festivalleiter vom Comicfest München gesagt, daß wir in München vielleicht auch einen Fokus auf Web-co-mics legen sollten. So bin ich dazugekommen, von beiden Seiten aus mit zu organisieren. In München habe ich gefragt, ob ich mich mehr in der Comic Solidarity engagieren kann, und wurde sehr herzlich aufgenommen.

Lukas R.A. Wilde: Im ‹echten Leben› bin ich Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen, mit einem Schwerpunkt auf graphischer Kommunikation – ich falle also etwas aus dem Spektrum der sonst doch eher praxisaffinen Solidaristen. Ich finde es aber unglaublich spannend, was gerade mit unserem Comic-Gebrauch passiert, da verändert sich sehr viel. Wo sind hier die Grenzen zwischen Fan-Fiction, Kunst, Kommunikation und einfach nur ‹coolem Zeugs›? Das Spannende ist, daß diese Fragen gerade alle in Bewegung sind. Durch Alternativen zu traditionellen Vertriebsstrukturen wird tagtäglich von den unterschiedlichsten Leuten Online-Material produziert, das nicht mehr nach literarischen (oder literaturwissenschaftlichen) Kategorien vermarktet, beworben und bewertet werden muß – oder kann. Da helfe ich gerne ein bißchen mit, indem ich, so als ‹Halb-Außenstehender›, unterschiedliche Perspektiven zusammenbringe und vielleicht ein paar andere Fragen stelle.

COMIC!: Wir leben in einer extrem digitalisierten Welt. Wieso haben es digitale Comics und Webcomics trotzdem noch so schwer?

Lukas R.A. Wilde: Ist das denn so? Ich habe in meinen Seminaren oft ein gegenteiliges Gefühl: Nur ganz wenige Studis würden sich als ‹Comicleser› bezeichnen – aber auf Nachfrage haben dann doch viele Lieblings-Webcomics in der Linkliste. Selbst in den USA liegen die Zeiten, in denen der Comic noch ein Massenmedium darstellte, viele Jahrzehnte zurück; aber "Penny Arcade" hat heute wieder viele Millionen Leser; die Schöpfer, Holkins und Krahulik, tauchten 2010 sogar in der Time-Liste der 100 einflußreichsten Menschen der Gegenwart auf. Ich denke also schon, daß Comic-Medien gerade eine kleine Renaissance im Web erleben ... das macht es natürlich für Einzelkämpfer nicht un-be-dingt leichter.

Sebastian Kempke: Im englischsprachigen Raum und in Asien ‹funktionieren› digitale Comics einfach schon ein bißchen länger. Die Alterskluft zwischen Lesern ‹der alten Schule› und modernen Medien klafft in Deutschland besonders groß, weil hier alles immer etwas später passiert. Global gesehen ist diese Übergangsphase meines Erachtens seit vielen Jahren längst überwunden.

COMIC!: Das Comicfestival in München 2013 war als Negativerfahrung so etwas wie der Stein des Anstoßes, der Comic Solidarity als Community ins Rollen brachte. 2015 fand das Comicfestival jetzt wieder statt, mit Erlangen als positivem Zwischenschritt im Vorjahr. Was hat sich in München verändert für deutsche Digital- und Webcomic-Künstler?

Anna Fuchs: Es wurde beispielsweise von vornherein eine Location gesucht, die es ermöglicht hat, Verlage und Independent-Künstler unter einem Dach zu versammeln. Und da ich sowohl beim Comicfest München als auch bei der Comic Solidarity mitorganisiert hatte, hatten beide Seiten einen direkten Ansprechpartner, und im großen und ganzen waren alle sehr offen. Gut, teilweise fiel da vielleicht auch mal ein "Du willst doch nicht, daß es wieder so wird wie vor zwei Jahren", aber am Ende wurde sich schon sehr bemüht, es besser zu machen.

Lukas R.A. Wilde: Ich war 2013 in München noch nicht dabei und kann also nur von den Messeerfahrun-gen in Erlangen ’14 und München ’15 ausgehen ... Bei dem Comic-Salon sind wir offene Türen eingerannt mit der Idee, auf der größten deutschen Comicmesse auch die lebhafte Comic-Kultur des Netzes zu präsentieren, gemeinsam zu diskutieren. Ohne Bodo Birks Aufgeschlossenheit wären wir sicherlich auch generell nicht weit gekommen. Ich glaube, vielleicht etabliert sich nach dem ebenfalls schönen Auftritt in München dieses Jahr ein wenig, daß es bei dem Solidarity-Gedanken eben nicht nur um Ausstellungsfläche für Indie-Artists geht, sondern auch um Lesungen, Vorträge, Ausstellungen, Diskussionsrunden, kurz: gemeinsamen Austausch rund um Netz- und Comickultur.

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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