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Bester Independent Comic:
«Als ich mal auf hoher See verschollen war» von Maximilian Hillerzeder

Interview von Björn Bischoff

Ein Mensch treibt alleine auf einem Floß über das offene Meer. Nur die Sonne sieht ihn. «Es ist nicht leicht, hier über die Runden zu kommen», sagt er. Und was für manchen Autor oder Zeichner die beste Ausgangssituation für eine alptraumhafte Geschichte gewesen wäre, ist beim 23-jährigen Maximilian Hillerzeder der Auftakt zu einem kleinen Comic mit allerlei Absurditäten und abseitigem Humor. Denn «Als ich mal auf hoher See verschollen war» bringt Seemonster, Hessen, Mexikaner, Monster und Kellner in einer Geschichte unter.

Keine Idee war Hillerzeder, der aus Bad Reichenhall stammt und mittlerweile für sein Graphikdesignstudium nach Leipzig umgezogen ist, zu abwegig, um sie hier nicht unterzubringen. Wer mag, darf diese Herangehensweise an einen Comic gerne anarchisch nennen, doch würde er damit untergraben, daß Hillerzeder sehr wohl weiß, wie er eine Geschichte nach vorne bringt, welche Kniffe und Regeln er brechen und an welche er sich halten muß. Oder wie eine der Figuren sagt: «Glauben Sie mir, Nina, das hier ist um einiges besser als Bremen.» Daß die Hauptfigur eigentlich Hillerzeder selbst ist, wird schnell klar. Und spätestens wenn die letzte Seite auftaucht, hat jeder Leser ein Grinsen im Gesicht.
«Hallöchen», flötet HIllerzeder durch den Hörer an einem Sommertag. Ein Gespräch über seine Arbeitsweise, Linus Volkmann, Einstiegsszenen und Humor.

COMIC!: Du hast in deinem Comic eine kafkaeske Ausgangssituation, Seemonster und Geistererscheinungen. Hätte «Als ich mal auf hoher See verschollen war» nicht auch eine gute Horrorstory gegeben?

Maximilian Hillerzeder: Bestimmt, das hätte sicher noch einiges anderes werden können. Ich hatte am Anfang ja kein Konzept. Das war eine Sache, die ich für meinen Blog gemacht habe, jeden Tag habe ich eine Seite gezeichnet. Und je nachdem, welche Richtung ich gesehen habe – da bin ich weitergegangen. Dann ist es letztendlich der Quatsch geworden, der es ist.

COMIC!: Warum hast du dir vorher kein Konzept überlegt?

Maximilian Hillerzeder: Weil ich überhaupt nicht geplant hatte, einen längeren Comic zu machen oder die Panels sogar zu drucken. Die Idee kam erst durch Jörg Faßbender von Kwimbi, der mich nach der Hälfte der Geschichte angeschrieben hat und meinte, daß ihm das gefällt, und ob ich weiß, wann der Comic abgeschlossen ist, und ob ich das nicht mit ihm als Buch rausbringen möchte.
Ich weiß gar nicht mehr, was der Anlaß für mich war, mit «Als ich mal auf hoher See verschollen war» zu beginnen. Ich habe einfach angefangen, eine Seite zu zeichnen. Ich hatte nur die Idee, daß ich auf einem Floß auf dem Meer sitze. Da habe ich weitergemacht, und dann wurden es mehrere Seiten. Es war eher so aus einer Laune heraus.

COMIC!: Und das Ende hattest du vorher nicht geplant?

Maximilian Hillerzeder: Nein, als ich ein paar Seiten zusammenhatte, wußte ich zwar schon ungefähr, wo ich hin will. Aber ganz am Anfang war das Ende noch völlig offen.

COMIC!: Ist das nicht schwer, wenn man sich jeden Tag hinsetzt und gar nicht so genau weiß, wohin die Reise geht? Ist das nicht unter Umständen sogar hinderlich?

Maximilian Hillerzeder: Ja, das ist nicht meine normale Arbeitsweise. (Überlegt.) Ich wollte das einfach mal ausprobieren, und es ist tatsächlich schwer. Es hätte komplett nach hinten losgehen können, wenn man sich in eine bestimmte Ecke schreibt. Glücklicherweise hat es aber geklappt, auch weil ich jetzt die eher humorvolle Richtung genommen habe. Da kommt man mit einigem mehr durch, als wenn ich jetzt eine eher ernsthaftere Geschichte geplant hätte. Im großen und ganzen war es eher ein Experiment. Und ich bin ganz froh, daß es geklappt hat.

COMIC!: Wie sieht denn deine normale Arbeitsweise aus?

Maximilian Hillerzeder: Normalerweise mag ich es lieber, wenn ich vorher alles komplett durchgeplant habe, bevor ich anfange zu zeichnen. So mache ich es jetzt gerade für meinen nächsten Comic. Ich arbeite ein komplettes Storyboard aus und plane die genaue Seitenzahl, die Dialoge und was auf jeder Seite passiert. Dann kann ich mich besser auf das Zeichnen konzentrieren.

COMIC!: Du hast mit «Als ich mal auf hoher See verschollen war» im November 2013 angefangen?

Maximilian Hillerzeder: Eine gute Frage, das weiß ich jetzt gerade selber nicht, wann ich genau damit begonnen habe.

COMIC!: Damals erschien zumindest auf deinem Blog die erste Seite.

Maximilian Hillerzeder: Okay, das muß man ja ganz gut zurückverfolgen können. Also, die erste Seite auf dem Blog, das ist auch die erste Seite, die für den Comic entstanden ist.

COMIC!: Wie gehst du mit Kommentaren in deinem Blog um? Ist das nicht eher störend, so unmittelbar für eine Seite Rückmeldungen zu bekommen?

Maximilian Hillerzeder: Als störend habe ich das nie empfunden. Es ist noch kein großer Blog, ich bekomme nicht besonders oft Kommentare – und wenn, sind das eher positive Kommentare. In der Geschichte speziell habe ich das einmal gemacht, daß ich auf einen Kommentar und das, was dessen Schreiber vorgeschlagen hat, eingegangen bin. Das ist generell ganz schön. Das mag ich an dem Blog und an einem Webcomic: daß man mit den Leuten kommunizieren kann, daß man darauf eingehen und sich austauschen kann. Bei einem einfachen Buch hat man das in der Regel nicht.

COMIC!: Glaubst du, daß du den Comic anders erzählt hättest, wenn du ihn nicht von Seite zu Seite geschrieben hättest?

Maximilian Hillerzeder: Auf jeden Fall. Wenn man eine Seite am Tag hochlädt und die Erzählung in so einem Episoden-Stil macht, muß diese Seite ein bißchen für sich abgeschlossen sein oder einen Witz oder Cliffhanger haben. Man muß das tatsächlich anders machen. Wenn man jetzt ein ganzes Buch macht, würde ich mal zwei oder drei Seiten nur mit atmosphärischem Zeug machen, wo nichts passiert. Das würde bei einem Webcomic sehr schlecht funktionieren. Es ist ein anderes Lesen. Ich kann ja keine richtige Atmosphäre aufbauen, wenn zwischen jeder Seite 24 Stunden liegen.

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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