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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Der deutsche Comicverein e.V.
Interview mit Jens Meinrenken

von Burkhard Ihme


Am 2. September 2013 wurde im Haus der Berliner Festspiele ein «Manifest für die Comic-Kunst» vorgestellt, in dem die finanzielle Förderung von Comicprojekten und die Schaffung eines deutschen Comicinstituts gefordert wurde (siehe COMIC!-Jahrbuch 2014). Jens Meinrenken, der Vorsitzende des Comicvereins, der aus der Berliner Veranstaltung hervorging, gibt Auskunft über die aktuelle Entwicklung.

COMIC!: Wie entstand das Comic-Manifest und in welcher Beziehung steht die Initiative zur Gründung des Deutschen Comicvereins dazu?

Jens Meinrenken: Das Comic-Manifest ist aus regelmäßigen Treffen entstanden, die in den Räumen der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e.V auf Initiative von Ulrich Schreiber monatlich stattfanden. Seitens des Berliner Senats gab es ein Angebot, die kreative Comicszene in Berlin stärker zu fördern. Mithilfe von EFRE-Mitteln konnte so im Rahmen des Internationalen Literaturfestival Berlin September 2013 die Ausstellung «Comics aus Berlin. Bilder einer Stadt» realisiert werden, die von Mona Schütze und mir kuratiert wurde. Ein Auftakt der Ausstellung bildete die Verlesung des Manifests durch Ulli Lust. Der Verein versteht sich als Plattform, um die Ziele des Manifests umzusetzen.

COMIC!: Wie ist der Stand der Vereinsgründung?

Jens Meinrenken: Der Verein ist mittlerweile als gemeinnütziger Verein anerkannt und eingetragen. Eine eigene Webseite befindet sich gerade im Entstehen: deutscher-comicverein.de.

COMIC!: Was sind die Ziele des Deutschen Comicvereins e.V.?

Jens Meinrenken: Das langfristige Hauptziel des Vereins ist der Aufbau eines internationalen Comicinstituts, wenn finanziell und räumlich möglich in Berlin. Vorbilder für eine solche Institution sind zum Beispiel die Finnish Comics Society in Helsinki oder das Belgische Comic-Zentrum in Brüssel. Wichtig für unseren Verein ist die Verbindung von Theorie und Praxis unter einem Dach, d.h. Zeichenworkshops, Ateliers etc. sind genauso geplant wie eigene Ausstellungsräume, der Aufbau einer Bibliothek mit Primär- und Sekundärliteratur, ein Archiv usw. Kurzfristige Ziele betrifft die konkrete Förderung diverser Projekte und die Kooperation mit Partnern wie der Comicsalon Erlangen oder Comicinvasion Berlin.

COMIC!: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung kann schon inhaltlich die Finanzierung eines doch deutlich weitergehenden Konzeptes, als «Comics aus Berlin» es hatte, nicht leisten. Wie hoch schätzt ihr den Fremdmittelbedarf ein, und in welcher Form sollen Eigenmittel generiert werden (Spenden und Fördermitgliedschaften)?

Jens Meinrenken: Bei «Comics aus Berlin» handelte es sich um eine einzelne Ausstellung und nicht um ein langfristiges Projekt, wie es die Gründung und der Aufbau eines Comicinstituts darstellen. Zugleich darf man nicht vergessen, daß die EFRE-Mittel, wie in der Frage auch formuliert, regional beschränkt sind. Das geplante Institut soll aber eine internationale und europäische Perspektive besitzen. Davon unabhängig sind der jeweilige Fremdmittelbdarf und der Anteil von Eigenmittel je nach Projekt unterschiedlich. Für das Institut selbst gibt es bereits erste Konzepte und Finanzierungspläne, die aber noch nicht abschließend kalkuliert sind. Spenden für den Verein sind ausdrücklich erwünscht, explizite Fördermitgliedschaften sind bis jetzt nicht vorgesehen. Mir persönlich ist der Aspekt des Museums, der Bibliothek und des Archivs besonders wichtig. Erst diese können nicht zuletzt die Akzeptanz und die Kenntnis des Comics in unserem Land nachhaltig fördern. Meine Idealvorstellung wäre deshalb ein Institut, das größeren Sammlungen einen angemessenen Platz bieten kann und zudem Forschern aus aller Welt als herausragenden Arbeitsort dient. Dementsprechend sind auch «Sachspenden», die dieses Ziel unterstützen, äußerst willkommen.

COMIC!: Erstaunlicherweise ist gerade der Aspekt der Förderung unter den Comicschaffenden besonders umstritten. Hast du eine Erklärung dafür? Und welchen Stellenwert hat der Fördergedanke im Konzept des Deutschen Comicvereins?

Jens Meinrenken: Wie bereits angedeutet, bildet die Förderung einzelner Comicprojekte ein Standbein von mehreren innerhalb des Vereins. Die kritische Diskussion über diesen Aspekt kann ich allerdings nur teilweise nachvollziehen. Aus meiner persönlichen Perspektive sind es aber nur einzelne Personen, die eine Förderung kategorisch ablehnen, die meisten wissen um die bittere Notwendigkeit der privaten und öffentlichen Unterstützung von Kunst und Kultur. Die Vorstellung, daß gute Comics oder echte Kunst nur ohne eine solche entstehen könnten, ist aus meiner Sicht absurd und im Übrigen auch historisch falsch. Comics sind ein wertvolles Kulturgut und können darüber hinaus viel für die schulische, politische öder öffentliche Bildung leisten. Das ist die eine Seite. Zugleich sind sie Ausdruck einer Gegen- und Alternativkultur, die vieles mit den klassischen Avantgarden gemeinsam hat. Das ist die andere Seite. Vielleicht speist sich aus dieser «Underground-Mentalität» das eine oder andere Ressentiment. Für mich steht fest: der Aufbau eines eigenen Instituts und eine allgemein anerkannte Förderung von Comics ist längst überfällig. Und dies betrifft ausdrücklich alle Bereiche des Comics, vom klassischen Comicstrip über die Graphic Novel bis zum Manga.

COMIC!: Gibt es schon Überlegungen, wer über die einzelnen Förderungen entscheiden soll und nach welchen Kriterien?

Jens Meinrenken: Jeder, der kreative Ideen und Vorschläge für gemeinsame Projekte hat, kann mit uns in Kontakt treten und ist herzlich willkommen. Wir selbst entscheiden nicht über einzelne Förderungen, sondern die jeweilige Stelle, bei der die Projekte ausgeschrieben und eingereicht werden. Ob ein Projekt dann gemeinsam realisiert wird, hängt nicht zuletzt von den persönlichen Interessen und Möglichkeiten ab. Wir sind ein allgemeinnütziger Verein und keine profitorientierte Gemeinschaft. D.h. wir sind auf gegenseitiges Engagement, Vertrauen und Arbeitseinsatz angewiesen.

COMIC!: Wenn es unabhängig vom Comicverein Stellen gibt, die Projektförderungen ausschreiben (bisher ja zu selten), was hat dann der Comicverein damit zu tun? Sind also eigene Förderungen gar nicht geplant, nur deren Notwendigkeit wird – wie ja auch schon im Comic-Manifest – unterstrichen?

Jens Meinrenken: Ich hoffe sehr, daß wir in Zukunft auch in der Lage sind, aus eigener Tasche einzelne Projekte zu finanzieren. Ein erster Schritt unseres Vereins ist es, die dafür notwendige Lobbyarbeit zu leisten und Politiker auf lokaler und bundesweiter Ebene für die kreativen Möglichkeiten von Comics zu begeistern. Trotz der wachsenden medialen Aufmerksamkeit und kulturellen Anerkennung haftet dem Medium leider immer noch ein gewisser bürgerlicher Makel an, den es zu überwinden gilt. So ist gerade deshalb im Vergleich zum Film oder der Literatur die Förderung von Comics in finanzieller und quantitativer Hinsicht immer noch äußerst bescheiden. Wenn wir als Verein dazu beitragen können, diesen Zustand nachhaltig zu verändern, ist schon viel erreicht. Ein Problem hierbei ist die unklare Positionierung von Comics zwischen Literatur und Kunst. Ich plädiere für ein Verständnis des Comics als eigene Kunstform, nicht aus Gründen der Legitimierung, sondern aus kultureller Überzeugung. Der Comic besitzt eine starke künstlerische Persönlichkeit, die dementsprechend unterstützt und gefördert werden sollte. Darüber hinaus verfügen wir als Verein über vielfältige Kontakte und Expertise, die wir in die verschiedenen Projekte einbringen.

COMIC!: Der Deutsche Comicverein war dieses Jahr erstmalig in Angoulême vertreten. Wie kam es dazu?

Jens Meinrenken: Bereits auf dem Festival 2014 war der Deutsche Comicverein durch die Weiterführung der oben genannten Ausstellung «Comics aus Berlin. Bilder einer Stadt» vertreten. Hier ging es darum, dem französischen Publikum vor allem eine prägnante Auswahl von Berliner Comics vorzustellen. Durch die Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse und deren finanzielle Unterstützung konnte dieser Stand 2015 fortgesetzt und ausgebaut werden. Hier war der gesamte deutschsprachige Comic in einer gemeinsamen Auswahl präsent. Auch 2016 werden wir versuchen, mithilfe des Goethe-Instituts Paris und des Comic-Salons Erlangen wieder vor Ort zu sein.

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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