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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Fluch und Segen
Das Fachmagazin COMIXENE ist wieder da

Von Andreas Alt


Ein Wolverine, der kampfbereit durch eine Schneelandschaft stapft, ist sicher nicht das schlechteste Covermotiv, um den Neustart des Fachblatts COMIXENE zu illustrieren. Die Graphik stammt von Nic Klein, einem bisher im deutschsprachigen Raum recht unbekannten Zeichner, der es aber in USA zu Ansehen und kontinuierlichen Aufträgen, unter anderem von Marvel, gebracht hat. In ihrer ersten Nummer, der 116, nach knapp drei Jahren Pause liefert die COMIXENE mit seinem Porträt also auch eine Story, die man sicher nicht ähnlich schon anderswo gelesen hat.

Einiges ist neu und vielversprechend an der von René Lehner herausgegebenen Ausgabe. Das Layout ist gründlich überarbeitet, großzügig, auf dem Stand der Zeit. Lehner gibt längeren Strecken eindeutig den Vorzug vor Nachrichtenblocks, was klug ist, da die COMIXE-NE mit vorerst drei, später vielleicht vier Ausgaben pro Jahr nicht unbedingt mit Aktualität punkten kann. In den Strecken stecken aber nicht endlos lange Texte – da wird das Lesebedürfnis des Publikums vielleicht eher ein wenig unterschätzt.

Gelungen ist das Ressort «Studio» mit handwerklichen Tips für Comicmacher. Auch dies sieht man in diesem Umfang in vergleichbaren Zeitschriften selten. Und bewußt setzt die neue COMIXENE einen thematischen Schwerpunkt, den man von ähnlichen Fachblättern nicht gewohnt ist: nämlich auf Cartoons. In diesem Metier ist Lehner (am bekanntesten ist wohl sein Strip «Bill Body») selbst zu Hause. Doch es geht um mehr als persönliche Vorlieben. «Wir versuchen intensiv, die vielen Cartoonistinnen und Cartoonisten im Land anzusprechen», sagt Lehner, «man glaubt nämlich kaum, daß die Cartoon-Szene in Deutschland größer ist als die Comic-Szene.»

Die Überlegung, nicht ausschließlich dieselben Zielgruppen anzuvisieren wie die SPRECHBLASE oder ALFONZ, die sich an Sammler und Liebhaber der Comicgeschichte wenden, ist nicht dumm. Ob Cartoon-Fans, die bisher keine Comic-Sekundärmagazine lasen, den Traditionstitel COMIXENE in neue, für eine solche Zeitschrift auskömmliche Auflagenhöhen liften können, ist allerdings noch offen.

Man kann auch manches bemängeln an der neuen COMIXENE, Neben Storys, die – wie die von den bevorstehenden Comic Cons – zweifellos zu knapp ausgefallen sind, springt auch das Fehlen wichtiger Themenbereiche ins Auge. Manga sind zumindest marginalisiert; von der frankobelgischen Szene ist kaum etwas zu sehen; Verlagspolitik ist eher kein Thema, und der Markt bleibt unanalysiert; die Zukunft der Comics auf der Frankfurter Buchmesse wird so kurz abgehandelt wie die Comic Cons. Vielleicht muß die Redaktion sich erst wieder in die Comicszene einarbeiten, bevor der Leser den Eindruck hat, in der COMIXENE werde nichts Wichtiges übersehen.

Eine Rolle mag auch die nicht restlos glückliche Zusammenarbeit von Lehner, der einst die COMIXENE mitbegründet hat, mit dem Comic-Journalisten Martin Jurgeit spielen. Jurgeit war von 2003 bis 2012 schon einmal COMIXENE-Chefredakteur und sollte eine vergleichbare Position bekommen. Beide räumen unterschiedliche Vorstellungen von der Konzeption des Magazins ein. Jurgeit wollte so viel Aktualität wie möglich, auch wenn er damit die Schlußtermine arg strapazierte. Anders als Lehner hätte er auch gern eine professionelle Leserschaft zu erschließen versucht, die Buchhändler. Lehner setzte sich als Herausgeber durch. Immerhin ging man nicht im Streit auseinander – an der nächsten Ausgabe, die am 10. Dezember erscheinen soll, wird Jurgeit noch mitarbeiten, wie er versichert.

Gleichwohl kann man die neue COMIXENE durchaus mit Gewinn lesen. Seine Vorstellungen beschreibt René Lehner so: «Ich möchte der COMIXENE eine Portion Unterhaltung und Leichtigkeit hinzufügen. Das will ich mit großen, ungewöhnlichen Bildern, leichteren Texten und selbst recherchierten und ausgedachten Themen tun – natürlich trotzdem fachlich korrekt.» Das ist ihm mit seiner ersten Ausgabe im Wesentlichen gelungen.

Ihr legendärer Ruf ist für die COMIXENE Fluch und Segen zugleich. 1974 aus der Zusammenarbeit der Comic-Enthusiasten Lehner, Andreas C. Knigge und Thilo Rex entstanden, war sie die erste ernstzunehmende Publikation ihrer Art im deutschsprachigen Raum und setzte für die Nachfolger Maßstäbe. Das Magazin ist schon mehrmals an zu geringen Verkaufszahlen gescheitert, aber dem Zauber des Titels konnte ein solcher Schiffbruch nie etwas anhaben. Die COMIXENE kehrte immer wieder und mit ihr die Erwartung, daß die Comicszene in ihr kompetent und kritisch durchleuchtet und kulturpolitisch ihrer Bedeutung entsprechend abgebildet wird. Sehr zu bedauern, daß das bis heute außerhalb der nach wie vor sehr kleinen Szene nur wenige wahrgenommen haben.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2016
Links zum Artikel

COMIXENE
Fachmagazin Comic & Cartoon
Nummer 116, Herbst 2015
100 Seiten, 9,80 €
www.comixene.com

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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