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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Klassik trifft Comic
Interview mit Andreas Völlinger

von Stefan Svik


COMIC!: Lieber Andreas, es gibt eine Vielzahl von Comics zu Pop und Rock, gerade zu den Beatles sind mehrere Titel erfolgreich, während ein Comic über klassische Musik, wie deine Wagner-Biographie von Knesebeck eher ungewöhnlich ist. Womit erklärst du dir das?

Andreas Völlinger: Die meisten Comickünstler sehen sich wahrscheinlich eher bemüßigt, einen Comic über Musiker, die ihnen nahe stehen und deren Musik eine Rollen in ihrem Leben spielt, zu kreieren. Und das sind wohl im Durchschnitt eher Pop- und Rockmusiker als klassische Komponisten. Die Verlage hingegen denken an die Verkäufe, und von Comics über zeitgenössische Unterhaltungsmusiker kann man wahrscheinlich einfach höhere Stückzahlen absetzen. Die Beatles laufen im Comicladen bestimmt besser als Beethoven.
Das sage ich ganz wertfrei. Die Wagner-Biographie war eine Auftragsarbeit, ich wäre von selbst gar nicht darauf gekommen, einen Comic über ihn zu machen. Ich war – und bin immer noch – weit davon entfernt, ein Wagnerianer zu sein.
Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß der Comic nicht Wagners Musik behandelt, sondern seine Person und sein Leben. Darin spielt Musik natürlich eine wichtige Rolle, aber es ist kein «Comic über Musik». Das wäre mir ein zu paradoxes Unterfangen. So in etwa, wie ein Hörspiel über Comics zu produzieren.

COMIC!: Schreiben ist eher intellektuell, zeichnen und musizieren und Musik hören eher gefühlsbetont, oder? Flavia Scuderi, deine Partnerin für die Zeichnungen in «Wagner», sagte, daß es ihre Aufgabe war, Wagners Musik zeichnerisch darzustellen. Läßt sich das Gefühl, die Stimmung von (Wagners) Musik schwer mit Worten ausdrücken?

Andreas Völlinger: Ich finde es schwierig, hier zu generalisieren. Es gibt in allen Kunstformen Menschen, die sich mehr vom Intellekt oder mehr von ihren Emotionen leiten lassen.
Im Fall des Wagner-Comics wollte ich gar nicht versuchen, Worte für Wagners schwer zu fassende Musik zu finden, das erwartet man von einem Comic ja auch gar nicht. Aber soweit möglich, sollten eben die Stimmungen seiner Opern hier und da in Bildern aufscheinen. Sei es die Tragik von «Tristan und Isolde» oder der Größenwahn des «Ring»-Zyklus. Dazu habe ich visuelle Ideen für Flavia formuliert, die sie dann nach eigenem Ermessen umgesetzt hat – und dabei natürlich ihre eigene Sicht und ihren eigenen Stil einbrachte.

COMIC!: Der Wagner-Comic war Teil eines Multimedia-Projekts mit eigener App und Spielfilm. Ist es nicht ein unnötiger Umweg, Musik im Comic darstellen zu wollen, wenn man bei einem E-Comic oder Zeichentrickfilm schlicht und einfach die Musik für sich sprechen läßt? Und führt genau dieser Gedanke vielleicht dazu, daß es Zeichnern und Autoren an Ehrgeiz mangelt, Musik mit viel Kreativität im Comic darzustellen?

Andreas Völlinger: Für Musik ist ein rein visuelles und in seiner Grundform statisches Medium wie der Comic nun mal eine denkbar schlechte und wirklich undankbare Darstellungsform. Ein paar umherfliegende Noten aufs Panel zu pinseln reicht ja bei weitem nicht.
Was man vermitteln kann, sind Emotionen, welche die thematisierte Musik auslöst. Die Kunst ist, dafür die richtigen Bilder zu finden. Das halte ich in diesem Fall für viel wichtiger als Soundwörter.
Bei «Wagner» hatten wir eben diesen Luxus, daß es zum einen den Film in seiner recht modernen, experimentellen Optik gab und daß wir mit der App die Möglichkeit hatten, eine Digitalversion des Comics mit dem passenden Soundtrack rauszubringen. Da konnten wir uns auf die Person Richard Wagner und sein unstetes Leben konzentrieren.

COMIC!: Ziel des Wagner-Comics war es, jungen Leuten Wagner nahezubringen. Ist das nicht Klischee und ein Denkfehler, denn es gibt ja genug Teenager, die klassische Musik mögen, und Rentner, die Akim, Donald Duck und Spider-Man lesen?

Andreas Völlinger: Ich weiß gar nicht so genau, wer hier mal wieder die allseits beliebten «jungen Leute» zur Comiczielgruppe freigegeben hat. Ich glaube, für das crossmediale Wagner-Projekt an sich galt der Plan, vor allem jüngere Menschen anzusprechen, die sich nicht auf TV-Dokus in allzu gemächlicher Bildungsfernsehen-Manier und auf dicke Biographie-Schwarten einlassen wollen. Ich halte es aber für ein Gerücht, daß das nur für junge Leute gilt.
Ich habe den Comic allgemein für Menschen geschrieben, die etwas über diesen berühmt-berüchtigten Komponisten lesen wollen. Dabei habe ich versucht, ihn so zugänglich zu gestalten, daß Leute, die wenig bis gar nichts über ihn wissen, auf ihre Kosten kommen, aber auch Wagner-Kenner ihren Spaß daran haben. Ohne Alters-Schere im Kopf.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2016

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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