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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Comics und Musik
Eine Beziehung in mehr als 12 Takten

von Stefan Svik und Burkhard Ihme


«Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden», das wußte schon Wilhelm Busch. Insofern könnte die Darstellung von Musik durch Comics von Vorteil sein, denn die Gehörgänge werden bei dieser Erzählform kaum belästigt. Andererseits können nicht alle Geräusche und insbesondere nicht Musik (anders als Motorengeräusche, für die es sehr eindeutige graphische Umsetzungen gibt) wirklich klar und überzeugend dargestellt werden, abgesehen von Notenschrift, die nur wenige gut und schnell lesen können. Das hält aber nicht alle Comiczeichner davon ab, Comics über Musik oder Musiker zu zeichnen. Und viele sind sogar selber Musiker und treten womöglich vor Publikum auf oder veröffentlichen Tonträger.
Wir haben uns ein wenig umgeschaut. Der Manga-Bereich wird dabei einem späteren Artikel vorbehalten sein. Und da die Tätigkeiten der Künstler nicht immer so genau zu trennen sind, tauchen einige in mehreren Kapiteln auf, andere unter der Überschrift, die uns am passendsten erschien. Da einige der erwähnten Musikstücke im Internet zu finden sind, bitte unsere Linkliste www.comic-i.com/jahrbuch16.html beachten. Korrekturen und Ergänzungen werden wir ebenfalls auf unserer Website posten.


Werkzeuge für Musik im Comic

Musik wird über die Ohren wahrgenommen, während Comics mit den Augen aufgenommen werden, das sind keine idealen Voraussetzungen für die Darstellung, und deshalb wird die Illustration der akustischen Kunstform Musik im visuellen Medium Comic von vielen Künstlern auch als Herausforderung gesehen, da es eben nicht das Nächstliegende ist, das sich in der Sequentiellen Kunst darstellen läßt.
Es gibt kein Patentrezept für die Darstellung von Musik im Comic, dafür aber zahlreiche, bewährte Werkzeuge: passende Soundwords, entsprechendes Lettering (etwa fette Großbuchstaben für laute Musik), Schwunglinien, Farben, die Darstellung von Instrumenten (gerne von Gitarren), das Zeigen von tanzenden Menschen, das Zitieren von Songzeilen und immer wieder Noten. Fest ins kollektive Gedächtnis von Generationen von Comiclesern eingebrannt ist Troubadix, dessen Gesang furchtlosen Normannen Flügel verleiht und aus dessen Instrument schiefe Noten entfleuchen. Aber an keines seiner Lieder können wir uns erinnern, schon deshalb, weil er nie zu Ende singen darf. Ähnlich geht es Lucky Luke, denn immer, wenn er «I’m a poor lonesome Cowboy and a long way from home» anstimmt, ist das Album zu Ende, und auch er kann sich offenbar nicht genau an Text und Melodie erinnern, zumindest singt er immer wieder mal was anderes.
Die Darstellung von Musik kommt in Comics häufiger vor, als man allgemein erwartet, zumal wenn sie Teil der Geschichte ist, und wie ergiebig die Suche nach solchen Fundstücken in nicht speziell als «Musikcomics» einsortierten Werken ist, zeigt etwa das Sachbuch von Christian A. Bachmann: «Bildlaute & laute Bilder»; 184 Seiten mit Beispielen aus Comics von Frank Miller, Alan Moore u. a.
Dosiert und überraschend eingesetzt, können Songs in Comics eine starke Wirkung entfalten. Beispielsweise das Ende von «John Constantine Hellblazer Schlechte Gewohnheiten». Autor Garth Ennis läßt den Protagonisten trauernd im Regen knien, untermalt vom Song «Rainy Night in Soho» der irischen Band The Pogues.
In der Geschichte «Nachbarn» von Autor Yann Krehl und Zeichner Daniel Haas (in «Hammerharte Horror Schocker» 34 von Weissblech Comics) übernimmt Musik quasi den gesamten Dialog einer Figur. Die laute Musik ist Auslöser für Ärger unter Nachbarn, die Pointe dabei ist: Die Musik ist ein unerhörter Hilferuf. Ekapismus und Trost – auch das ist etwas, das viele in Comics und Musik suchen. Mit ganzen Notenbündeln wird hier die Musik dargestellt. Ähnlich verfährt Reinhard Kleist in «Die Musik des Erich Zann» nach der Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft (als limitierter Siebdruck 1994 bei Landpresse erschienen).
Interessant ist auch der Einsatz von Musik in Alan Moores und Dave Gibbons «Watchmen». Die einzelnen Kapitel enden mit tiefsinnigen Zitaten von Albert Einstein oder eben mit Auszügen aus Songs, wie «All along the watchtower» von Bob Dylan. Es mag an der strengen und diszipliniert durchgezogenen Einteilung der Panels und an Moores trockenem Humor liegen, daß die Musik hier kühl und distanziert wirkt, sie trägt dazu bei, daß sich etwas monströs Bedrohliches aufbaut.


Einflüsse

Gibt es oder gab es bestimmte Genres oder eine Phase, in der der Austausch zwischen Musik und Comics besonders stark war? Die Do-it-yourself-Mentalität des Punk hatte zweifellos eine inspirierende Funktion für viele Menschen, etwa auf Charles Burns, prägender sind
aber sicher die heutigen Möglichkeiten des Self-Publishing in und außerhalb des Internets, denn wo die kommerziellen Interessen der Comicindustrie den Kurs bestimmen, wird alles Unfertige, Spontane glattgebügelt. Nicht zu leugnen ist die destruktive Einstellung des Punk,
die Lust nach einem simplen Leben, das Angeekeltsein vom etablierten System und der Freiheitsdrang in «Rank Xerox» von Liberatore, «Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens» von Ulli Lust, in «Fashion Victim» von Alan Moore und zahlreichen anderen Werken. Optisch hatte zu Beginn der 80er Jahre New Wave einen großen Einfluß auf die damals jungen Comiczeichner. Ob aber die improvisierten Comics von Moebius vom Jazz inspiriert sind, darüber kann nur spekuliert werden. Und am stärksten trafen wohl Gegenkultur aus Musik und Bildergeschichten in den Comix zusammen. Robert Crumb und Gilbert Sheltons «Freak Brothers» seien hier nur stellvertretend genannt.


Musikerbiographien

Musikerbiographien werden zumeist als Musikcomic wahrgenommen, und auch wir zählen sie arbeitshypothetisch dazu. Paradoxerweise geht es in ihnen mitunter nur sehr nebenbei um Musik, was an klischeehaften Erwartungen an das Dreigespann Sex, Drugs and Rock’n’Roll liegen mag. Verständlich, denn hieraus ergibt sich viel Potential für spannende Geschichten.
Die Musikerbiographien von Zeichner Flameboy und den Autoren Barnaby Legg und Jim McCarthy bei Schwarzkopf und Schwarzkopf polarisieren stark. Da kniet ein Kurt Cobain mit Flügeln nieder und ergießt buchstäblich eine riesige Pfütze von Tränen – kitschiger geht kaum. Offensichtlich wurden hier die Depressionen des Musikers mit der Songzeile aus dem Lied über die Vergewaltigung einer jungen Frau namens Polly überambitioniert und mit furchtbarem Pathos zu einem Bild zusammengefügt, das schon die Schwächen dieses Comics verdeutlicht. Dabei steht Plakatives im Vordergrund, ein Comic für Schönwetter-Fans und teilweise eine Mahnung, wie man einen Comic über einen Musiker nicht machen sollte, da es so arg oberflächlich und so klischeehaft bleibt. Dem echten Kurt dürften wir in den gezeichneten Szenen aus Brett Morgens Film «Montage of Heck» näherkommen, diese Momente sind sehr intensiv und bereichern die Zuschauer.
Ebenso wie beim Comic über Kurt Cobain wird auch bei «In my skin», dem Werk über Eminem (d.i. Marshall Bruce Mathers III.), die seit der Kindheit andauernde und bis ins Erwachsenenalter anhaltende Begeisterung für Comics als Quasi-Rechtfertigung für eine Umsetzung der Biographie in Comicform angeführt.
2009 erschien gar «Eminem and the Punisher» bei Marvel, bei dem sich der Rapper entweder John Romita Sr. oder Salvador Larocca als Zeichner wünschte. Letzterer bekam den Zuschlag. Die Geschichte spielt in Mathers Heimatstadt Detroit und verzichtet auf Eminems Rolle als Musiker, und zeigt ihn stattdessen als Actionhelden; da Gewalt und Waffen in dessen Texten immer wieder eine Rolle spielen, eine durchaus naheliegende Wahl.
Diesen aktuellen Eminem zeigt der im Original 2004 bei Omnisbus Press erschienene Comic nicht. Stattdessen werden einige Stationen durchgehechelt, vom Burger-Brater bis zum Superstar. Da aber von Eminem mit «8 Mile» ein erfolgreicher Film mit vielen inhaltlichen Überschneidungen zum Comic vorliegt, bietet sich ein Vergleich an, und dabei schneidet der Comic nicht gänzlich schlecht ab, erzählt er doch eine andere Art Geschichte und findet coole Bilder, etwa das von der Flut an Nachahmern, die die USA und den Rest der Welt zu überschwemmen droht. Der Film ist intensiver, wirkt authentischer, handwerklich besser und ist insgesamt deutlich mehr ernstzunehmen, während der Comic doch unterm Strich den Eindruck vermittelt, auf der Erfolgswelle mitschwimmen zu wollen.
Ebenfalls bei Omnisbus Press und deutsch bei Schwarzkopf erschienen ist die Biographie des 1996 im Alter von 25 Jahren in Las Vegas aus einem fahrenden Auto heraus erschossenen Rappers 2PAC (Tupac Amaru Shakur). Daß hierbei Waffen und Gewalt ein beherrschendes Thema sind, überrascht nicht.
In einem unerwarteten verlegerischen Umfeld, nämlich beim auf Fantasy-Stoffe spezialisierten Splitter Verlag, erschien 2011, passend zum 40. Todestag des Doors-Frontmanns, «Jim Morrison: Poet des Chaos» von Jef und Frédéric Bertocchini. Auf insgesamt 128 Seiten und in Schwarzweiß schildern die Autoren Morrisons Leben von der Kindheit bis wenige Tage vor seinem Tod, wo er in einer Kneipe über sein Leben reflektiert. Abgerundet wird die Geschichte durch seine Songtexte für die Doors.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2016
Links zum Artikel

Werkzeuge für Musik im Comic

Speedlines und Musik: Der Virtuos
Lars Banhold in "Bildlaute und laute Bilder"


Einflüsse

Musikerbiographien

Joe Harris und Eman Casallos: Alice Cooper
Nick Hayes: "And the Wind Blows Ballads"
"Ice Ice Baby"


HipHop – Von Panels und Punchlines

Madvillain: "All caps"


Mord an einem Comicverleger

Rock'n'Rolli Comics (Liste der Titel und Autoren)


Comics über Musik

Chico und Rita (Soundtrack)


Comic und Musical

Andy Capp, das Musical


Klassische Musik

Musiker, die Comics machen

Comics zul Liedern

The Archies: "Sugar Sugar"
The Beatles Illustrated Lyrics

Bringmann und Kopetzki
DJ-Sets von Valenrtin Kopetzki
"Hotze"-Pilot "Es geht hier um Musik"
Vocals von Jens Bringmann
Fünf Sterne Deluxe: "Auf der Yacht nach Dr. Hossa"
Hotze- The Original Comic Book Soundtrack


Musizierende Comiczeichner

Bonzo Dog Doo Dah Band: "I'm the Urban Spaceman"

Musiker in der Lambiek-Comiclopedia

Hansi Kiefersauer
Meine erste Demo (in FILMRISS 1/2002)

Alan Moore als Musiker
mit Downtown Joe & the Retro Spankees
mit Downtown Joe & the Retro Spankees 2
mit Downtown Joe & the Retro Spankees & Jonny Fortunate
als Eddie Enrico and His Hawaiian Hotshots
singt "The Decline of English Murder"
Alan Moore, David J und Tim Perkins

Burkhard Ihme 1984 im "Talentschuppen" des SWF (Erwähnung im Abspann bei 8:01)

Peter Bagge als Musiker

Grant Morrison
Grant Morrison und Musik
Grant Morrison auf YouTube

Neil Gaiman und Amanda Plummer

Melk Thalmann und Melk Them

KIX
A Lizard Visited us for Breakfast III
Die Popgruppe Superstolk

Okin Cznupolowsky (Niko Burger)
Plesiosaurus Sonderhefte
Grand Prix de Penivision 2011


Comics in Musikzeitschriften

Interview mit Karl Heinz Stille
Andreas Michalke: "Berlin Beatet Bestes"


Plattencover

Rolling-Stone-Forum: Cover mit Comics
Cover Art & Comics
Plattencover von Peter Bagge


Tonträger mit Comicbeilagen

"Yellow Submarine" von Bill Morrison


Comics mit Tonträger

TearTalesTrust
Flash-Film
Björn Hammel auf Myspace
Harald Lieske: Felsonklangg
Harald Lieske: Zimtmusik


Musik über Comics

Das Lied der Schlümpfe
The Simpsons: "Do the Bartman"
Walt Kelly: "NO with Pogo"



Wird weiter ergänzt.

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Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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