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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Riesiges Robowabohu
Trickfilm-News

von Heiner Lünstedt

Weiterhin kommt fast wöchentlich ein neuer Trickfilm in die Kinos. Auch auf DVD und Blu-ray wird veröffentlicht, was das Zeug hält. Fast alle Disney-Klassiker liegen mittlerweile in perfekter Bild-Qualität fürs Heimkino vor, Ausnahmen wie der hierzulande nicht gezeigte «Valiant» bestätigen die Regel. Gerade bei Disney bleibt es spannend, denn der Deal mit Marvel trägt auch Früchte im Animations-Segment. Nachdem Spider-Man & Co. bereits auf Phineas & Ferb trafen, startet mit «Big Hero 6» (unfaßbar dämlicher deutscher Titel: «Baymax – Riesiges Robowabohu») Anfang 2015 ein erster Disney-Marvel-Trickfilm.


Hier einige Anmerkungen zu ausgewählten Kino-Trickfilmen und zu DVD/Blu-ray-Premieren der letzten Monate.

Dinosaurier - Im Reich der Giganten
von Neil Nightingale und Barry Cook
Großbritannien/USA 2013 © BBC/Constantin Film

Ende der neunziger Jahre war die dreistündige BBC-Serie «Walking with Dinosaurs – A Natural History» ein großer Hit. Hierbei wurden genauso gelungen am Computer animierte Dinosaurier wie im Kinofilm «Jurassic Park» (und sehr viel besser als nahezu gleichzeitig im Trickfilm «Disney’s Dinosaurier») benutzt. Die Serie lehnte sich an herkömmliche Tier-Dokumentationen an und versuchte in sechs recht unterschiedlichen halbstündigen Episoden mit teilweise recht drastischen Szenen zu zeigen, wie das Leben der Dinosaurier möglicherweise stattgefunden hat.
Weitere weltweit erfolgreich vermarktete BBC-«Dokus» wie «Die Erben der Saurier – Im Reich der Urzeit» oder das Prequel «Walking with Monsters» (»Die Ahnen der Saurier») folgten, und da war es naheliegend, auch einen Kinofilm zu produzieren. Doch bei ihrem Bestreben, diesen möglichst kindgerecht zu gestalten, sind die Macher leider weit über das Ziel hinausgeschossen.
Die Handlung des Filmes wird von einem lustig gemeinten Urzeitvogel namens Alex erzählt, und das in der deutschen Fassung auch noch mit der Stimme von Otto Waalkes, so daß der Titel «Walking with Dinosaurs» besser gepaßt hätte. Im Zentrum der Handlung steht der kleine Pachyrhinosaurus Patchi. Dieser hat wie alle Heranwachsenden ganz viele familiäre, aber auch hormonelle Probleme, die er dem Publikum äußerst geschwätzig mitteilt. Das permanente Geplapper auf der Tonspur relativiert die durchaus beeindruckenden Trickaufnahmen. So richtig überzeugen kann diese Urzeit-Version von Disneys «Bambi» trotz teilweise toller Bilder leider nicht.


Dornröschen
von Clyde Geronimi, Eric Larson, Wolfgang Reitherman und Les Clark
USA 1958 © Disney Enterprises Inc

Es war einmal die wunderschöne Prinzessin Aurora. An ihrem 16. Geburtstag sticht sie sich an einer von der bösen Hexe Malefiz verfluchten Spindel und fällt in einen tiefen Schlaf. Zum Glück sind da noch die drei Feen, die nichts unversucht lassen, um die Pläne von Malefiz zu durchkreuzen und den tapferen Prinzen Phillip kräftig bei seinem Kampf gegen die Hexe unterstützen.
In diesen Film hatte Walt Disney viel Hoffnung und Talent gesteckt. Versehen mit der Musik von Peter Tschaikowski sollte «Dornröschen» eine Mischung zwischen der märchenhaften Leichtigkeit von «Schneewittchen und die sieben Zwerge» und dem ambitionierten Kunstanspruch von «Fantasia» werden. Hierzu wurde erstmals in der Geschichte des Studios der Look eines abendfüllenden Filmes von einem einzelnen Künstler gestaltet. Eyvind Earle schuf beeindruckende Figurenentwürfe und stark stilisierte Hintergrundzeichnungen, die als Extra auf der Blu-ray bewundert werden können.
Der Film war dann jedoch kein Erfolg, was weniger an seinem zeitlos eleganten Stil lag, sondern eher an der etwas behäbigen, fast schon humorlosen Erzählweise, dem Verzicht auf mitreißende Musical-Einlagen und den nur sehr unzureichend charakterisierten Figuren, aber auch an den gewaltigen Kosten der Produktion. Unstrittig ist jedoch, daß der ansonsten arg behäbig erzählte Film kurz vor Ende noch ein wirklich spannendes Finale präsentiert. Hier verwandelt sich die böse Fee Malefiz in einen schreckenerregenden feuerspeienden Drachen.
Bereits 2002 erschien eine bestens ausgestattete Doppel-DVD, die den Film in voller Cinemascope-Pracht präsentierte, jedoch durch die 2008 zum 50. Geburtstag von «Dornröschen» veröffentlichte «Platinum Edition» noch getoppt wurde, die auch im Blu-ray-Format erschien und sehr schnell vergriffen war. Als Extras gab es hochinteressante Dokumentationen, bei denen z. B. auch der spätere «Disney-Rebell» Don Bluth («Anastasia») zu Wort kommt, der sich an seine Zusammenarbeit mit Eyvind Earle erinnert. Bei aller Lobhudelei klingt aber auch an, daß «Dornröschen» nicht über den Charme der früheren Disney-Filme verfügt und die formale Pracht die Story erdrückt. Doch durch seine Opulenz ist der Film ein absolutes Meisterwerk des Trickfilms, der auch den erfolgreichen Disney-Realfilm «Maleficient – Die dunkle Fee» mit Angelina Jolie in der Titelrolle inspirierte. Zum Heimkino-Start von «Maleficient» erscheint auch eine «Diamond Edition» von «Dornröschen», die weitestgehend identisch ist mit der «Platinum Edition». Der wesentliche Unterschied ist das neue Cover auf dem Malefiz genauso groß abgebildet ist wie Dornröschen.


Drachenzähmen leicht gemacht 2
von Den DeBlois
USA 2014 © DreamWorks/UIP

Der Trickfilm «Drachenzähmen leicht gemacht» ist mit einem Einspielergebnis von knapp 500 Millionen Dollar die erfolgreichste DeamWorks-Produktion außerhalb der «Shrek»-Reihe. Die Geschichte des jungen Wikingers Hicks und seines Drachens Ohnezahn wurde in der TV-Serie «Dragons: Die Reiter von Berk» weitererzählt und – wie im Fantasy-Genre nicht unüblich – im Kino als Trilogie gereicht.
Chris Sanders («Lilo & Stitch»), der Co-Regisseur des ersten Films, fungierte diesmal nur als Produzent. Sein Partner Den DeBlois, der auch wieder mit am Drehbuch schrieb, ließ sich für «Drachenzähmen leicht gemacht 2» von George Lucas’ «Das Imperium schlägt zurück» inspirieren. Nach einem recht lustigen, ja fast schon albernen Auftakt mit einem Drachen-Wettfliegen schlägt der Film zunehmend düstere Töne an.
Die Geschichte spielt fünf Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils, und Hicks ist jetzt ein junger Mann, der allerdings immer noch Probleme hat, mit seinem Vater Haudrauf der Stoische klarzukommen. Auch deshalb verläßt er das heimische Berk und bricht mit Ohnezahn zu neuen Abenteuern auf. Dabei trifft er auf seine Mutter Valka, die in der Originalfassung von Cate Blanchett und bei uns von Martina Hill gesprochen wird. Sie lebt auf einer paradiesischen Insel der Drachen, doch die Idylle wird vom finsteren Drago Blutfaust bedroht, der Drachen für seine kriegerischen Zwecke einsetzt.
Die Geschichte, die Den DeBlois erzählt, ist noch etwas ausgereifter als im ersten Teil. Der Film richtet sich nicht nur an ein junges Publikum, bietet vor allem in der zweiten Hälfte einen perfekten Mix aus Humor und Action mit tragischen Untertönen. Visuell ist «Drachenzähmen leicht gemacht 2» genau wie sein Vorgänger wieder ein einzigartiges Erlebnis, das unbedingt in 3D genossen werden sollte.


Die Eiskönigin – völlig unverfroren
von Chris Buck und Jennifer Lee
USA 2013 © Disney Enterprises Inc.

Es ist sehr erfreulich, daß es nicht nur bei Pixar, sondern mittlerweile auch bei Disney wieder Tradition ist, dem großen abendfüllenden Trickfilm einen kurzen Cartoon voranzustellen. Zum 85. Geburtstag von Disneys Wappentier erscheint nicht nur in der Egmont Comic Collection ein hervorragend zusammengestellter Jubiläumsband, sondern Micky Maus kehrt auch an ihren Geburtsort – die große Leinwand – zurück. Der köstliche 7-minütige Micky-Maus-Film «Get a Horse!» beginnt wie ein schwarzweißer Disney-Trickfilm aus den zwanziger Jahren, was sich auch dadurch bemerkbar macht, daß Kater Karlo hier noch ein Holzbein hat. Doch schon recht bald wird die Leinwand gesprengt, einige plötzlich farbige Figuren hüpfen dem Zuschauer plastisch entgegen, und der Film wird zu einer ebenso wilden wie traditionsbewußten Geburtstagsparty.
Der Hauptfilm ist eine nicht ungeschickte Variante von Hans Christian Andersens Märchen «Die Schneekönigin». Dieses war bereits 1959 die Grundlage für einen von Lev Atamanov inszenierten aufwendig animierten russischen Zeichentrickfilm, der sich nicht hinter den Disney-Klassikern verstecken muß. Wohl auch daher wurden für Disneys 53. Animationsfilm nur Fragmente aus Andersens ganz schön finsterer Geschichte übernommen.
Zentrale Figuren sind jetzt nicht mehr die Geschwister Kay und Gerda, sondern die Prinzessin Anna und ihre drei Jahre ältere Schwester Elsa. Letztere verfügt über Zauberkräfte und verletzte die kleine Anna beim spielerischen Umgang damit. Als dann auch noch die Eltern bei einem Schiffsuntergang ums Leben kommen, ist Elsa gänzlich traumatisiert und kapselt sich völlig ab. Auf ihrer Krönungszeremonie kommt es zur Katastrophe, und Elsa, die alles bei Berührung in Eis verwandelt, flüchtet in die verschneite Wildnis. Daraufhin herrscht ewiger Winter im Königreich Arendell. Anna macht sich auf die Suche nach ihrer Schwester. Hilfe findet sie beim eigenwilligen Naturburschen Kristoff, seinem Rentier Sven und dem (in der deutschen Fassung von Hape Kerkeling gesprochenen) Schneemann Olaf, dem noch nicht restlos klar ist, was ihm blüht, wenn endlich wieder Sommer ist ...
Die eisige norwegische Landschaft ist ein prachtvoller Hintergrund für eine romantisch-spannende Geschichte, die durch gute Gageinlagen aufgelockert wird und im großen Finale noch einige Überraschungen zu bieten hat. Inszeniert wurde der Film vom erfahrenen Trickfilmer Chris Buck (»Tarzan», «Könige der Wellen») gemeinsam mit Jennifer Lee, die bereits bei «Ralph reichts» als Autorin an Bord war und das Drehbuch zu «Die Eiskönigin» schrieb. Durch die etwas arg kompliziert zusammengebastelte Geschichte sowie einige eher entbehrliche Gesangseinlagen wird nicht ganz die Klasse des nahezu perfekt in Szene gesetzten Disney-Märchenfilm «Rapunzel – Neu verföhnt» erreicht. Doch dafür schlägt «Die Eiskönigin» Pixars nicht unähnlichen Mädchen-Fantasy-Film «Merida – Legende der Highlands» um Längen.

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