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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Wer kann virtuell?
Was die Auseinandersetzung um ComiXology
uns über digitale Comics sagt

Von Max Vähling


Digitale Comics sind zur Zeit das am stärksten wachsende Segment im amerikanischen Comicmarkt. (Vgl. S. YYY). Der führende Händler für Ecomics, ComiXology, hat in diesem Jahr gleich mehrfach von sich reden gemacht: zuerst im April, als der Internet-Großhandel Amazon die Firma aufkaufte und ComiXology als erstes die Szene mit einer in den Funktionen eingeschränkten iPad-App verschreckte, und nochmal im Juli mit der Ankündigung, Comics (je nach Verlag) nun auch ohne Kopierschutz (DRM, für Digital Rights Management) als Downloads anzubieten.
Besonders vor dem Hintergrund des Amazon-Deals wurde die letzte Ankündigung in der Szene als Zeichen gewertet, daß ComiXology doch noch die Interessen der Leser und Verlage im Sinn habe, die DRM-freie Comics seit Jahren fordern. Allerdings fiel die erste Vorstellung durch ComiXology-Chef David Steinberger beim San Diego Comic Con eher halbherzig aus: «Es ist eine reine Backup-Datei. In eher einfachem CBZ und PDF. […] Und mein Gefühl ist, daß die Leute weiterhin unseren cloud-basierten Reader zum Lesen benutzen werden.» Tatsächlich hatte sich ComiXology lange dagegen gesträubt, von seinem kopiergeschützten Format abzurücken. Erst auf Drängen einiger Verlage wie Top Shelf und Image, die angefangen hatten, ihre Comics selber in kopierschutzfreien Formaten zu verkaufen, ist ComiXology umgeschwenkt.


Es gibt keinen Standard

Für Steinberger ist das Angebot starrer PDF- und CBZ- Dateien, ohne die ComiXology-eigenen Lesehilfen und die Cloud-Anbindung, offensichtlich ein Rückschritt. Hier rächt sich ein wenig, daß es für digitale Comics bis heute keinen industrieweiten Standard gibt, nur diverse nebeneinander bestehende Formate mit verschiedenen Vor- und Nachteilen.
Das bei Comicfans aufgrund seiner Einfachheit beliebte Comic-Book-Reader-Format (kurz CBR oder auch CBZ) hat sich zunächst über illegale Scans auf Tauschbörsen verbreitet. Es besteht im Wesentlichen aus einem ZIP- oder RAR-Archiv von Comicseiten, das dann zu CBR (von RAR) oder CBZ (von ZIP) umbenannt wird. Die Dateien enthalten sonst keinerlei Besonderheiten, allerdings lassen sich je nach Reader-Software Seiten ein- oder auszoomen und Details mit einer Bildschirmlupe hervorheben.
Da CBR sich nicht kopierschützen läßt, benutzten Verlage ursprünglich lieber PDFs, aber auch hier setzt sich das CBR-Format nach und nach durch. In letzter Zeit findet man Comics auch öfter im E-Book-Format epub. Zwar sind epub-Reader oft eher ungeeignet, um Comics zu lesen, aber einige CBR-Reader können das Format lesen.
Apps sind mit den Tablet-PCs und Smartphones aufgekommen. Die Einzeltitel-App, die einen Comic (manchmal sogar nur ein Graphic-Novel-Kapitel) auf dem Tablet ausgibt, scheint dabei zunehmend Apps zu weichen, die den Zugang zu einem ganzen Katalog von Comics freigeben, was für mehr Übersicht auf dem Tablet sorgt und Comics besser auffindbar macht als im App-Store. Eine solche App kann eine einzelne Comic-Serie umfassen, ein Verlagsprogramm oder das Angebot eines Online-Händlers wie eben ComiXology. In Deutschland bietet etwa Mad Dog Comics eine solche App an. Die Comics werden im Rahmen dieser Apps nicht mehr (oder höchstens vorübergehend zum Offline Lesen) heruntergeladen, sondern zentral in der Cloud gelagert. Das spart Speicherplatz, setzt aber einiges Vertrauen voraus. Problematisch wird es etwa, wenn ein Anbieter vom Markt geht wie unlängst der ComiXology-Konkurrent graphic.ly, oder wenn ein Händler Comics aus dem Angebot nimmt. Denn mit der Online-Bibliothek verschwinden auch die gekauften Comics vom Lesegerät. Gerade Amazon hat in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen Bücher von den Kindles ihrer Käufer entfernt und genießt nicht gerade das volle Vertrauen der Comicfans.
Comicschaffenden bietet die Händler-App nicht nur den Zugang zu einem bezahlten Markt, sondern auch die Erleichterung, die App nicht selber programmieren zu müssen. Das ist mit ein wenig Kenntnis in html5, css und Javascript zwar durchaus möglich, und es gibt zahlreiche Online-Anleitungen und Tools wie Intel XDK, Phonegap und – speziell für Comics – Madefire –, aber es ist eben nicht das gleiche wie Comics zu machen (vgl. den Artikel von Björn Hammel).

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