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COMIC!-JAHRBUCH 2013

Nach dem Buch ist vor dem Buch
Der ICOM-Ratgeber «Der Comic im Kopf»
Interview mit Frank Plein


Von Burkhard Ihme


COMIC!: Dein Kreativ-Ratgeber «Der Comic im Kopf» ist wie geplant im Juni zum Comic-Salon Erlangen erschienen. Was hat dich bewogen, ihn beim Interessenverband Comic, der ja nur über eingeschränkte Vertriebswege und einen sehr begrenzten Werbeetat verfügt, zu veröffentlichen?

Frank Plein: Es ist eine bittere Pille für alle Beteiligten, daß «Der Comic im Kopf» nicht im Buchhandel vertrieben wird, wo er am ehesten hingehören würde. Aber ich habe die Entscheidung für den ICOM kein einziges Mal bereut. Es war für mich existentiell wichtig, das Buch zu veröffentlichen, es war eine Sache in meinem Leben, hinter die ich unbedingt einen Haken setzen wollte. Das Projekt wurde in dem Moment Wirklichkeit, als das Ja vom ICOM kam, und dieses Ja würde ich auch heute nicht gegen ein «Vielleicht» oder ein «Mal sehen» eines großen Verlages tauschen. Jetzt ist das Buch Realität, und ganz egal was passiert, das kann uns keiner mehr nehmen. Abgesehen davon ist der ICOM nach wie vor die Organisation, die am meisten die unabhängige Comickultur in Deutschland fördert, und ich speziell habe ihm sehr viel zu verdanken. Ich würde mich freuen, wenn ich mit dem Buch dem ICOM und der Comicszene generell etwas zurückgeben könnte. Außerdem gab mir der ICOM die Möglichkeit, ein sehr persönliches, konsequentes Buch zu machen, genau das Buch, das ich mir vor zehn Jahren gewünscht hätte. Ein Buch für erwachsene Erzähler, ohne einen sprechenden Hamster einbauen oder eine Manga-Elfenquote erfüllen zu müssen. Zuguterletzt: Der ICOM ist das Medium für Comiczeichner in Deutschland. Es ist nur konsequent, wenn hier Lehrmaterial für Zeichner erscheint.

COMIC!: Was hast du an Resonanz auf den Band wahrgenommen, und wie ist die ausgefallen?

Frank Plein: Die erste positive Resonanz kam von meinem lieben Mentor Ralf König, dem ich das Buch am Donnerstag abend in Erlangen gab. Freitag morgen kam
er an meinen Stand, meinte, das Buch sei super, und kaufte drei weitere Exemplare, um sie den Gewinnern des Ehapa-Preises als Geschenk zu überreichen. Flix hatte bereits eine Vorabversion gelesen, äußerte sich ziemlich begeistert und hat das Buch auch später auf seinem Blog empfohlen. Nach der Rückkehr aus Erlangen habe ich natürlich täglich jede Ritze des Internets nach Feedback abgesucht, und die Resonanz war bis heute, in der Presse, auf Amazon und in Blogs durchweg sehr positiv bis euphorisch. Eine Zeichnerin aus dem Comicforum zeigte die Pencils ihres Comics und hatte dabei ausdrücklich «Der Comic im Kopf» als Hilfe fürs Seitenlayout genommen, so konnte ich das Buch quasi im Live-Einsatz betrachten. Das war ein großartiges Gefühl.

COMIC!: Das Buch ist aus deinem gleichnamigen Blog hervorgegangen. Aber auch nach Erscheinen des Buches hast du weitere Beiträge geschrieben. Ist also noch nicht alles gesagt?

Frank Plein: Zunächst ist der Blog für mich vor allem ein wichtiges Instrument, um auf das Buch aufmerksam zu machen. Leute lesen die Blogeinträge, erfahren so von dem Buch und werden neugierig. Ich kann im Blog viele konkrete Beispiele diskutieren, für die im Buch kein Platz mehr war, und mehr ins Detail gehen. Im Buch z. B. beschreibe ich die Funktion der verschiedenen Panelformen und Strategien, um von einem steifen Raster zu einem offeneren Panellayout zu kommen. Auf dem Blog kann ich eine Comicseite von Eduardo Risso oder J.H. Williams III nehmen und detailliert, Panel für Panel, beschreiben, was auf der Seite passiert und welche Wirkung damit erzielt wird, oder das Ausgangsskript eines Comics mit der resultierenden Seite vergleichen. Es gibt auch viele konkrete Beispiele im Buch, aber auf dem Blog kann ich sie ausführlicher diskutieren. Abgesehen davon nutze ich den Blog auch, um auf Comics oder Bücher aufmerksam zu machen, die ich klasse finde, und demnächst werde ich die ersten Schritte einer neuen Graphic Novel dort beschreiben, vom Character Design bis hin zum Seitenlayout. Und zuguterletzt wird es immer mehr Artikel zu Stilbildung und Zeichentechnik geben. Ich habe zur Zeit die schöne Möglichkeit, zwei sehr motivierten, talentierten Schülern Comiczeichnen beizubringen. Da fangen wir mit dem ABC und Fragen der Stilbildung an. So nehme ich den Blog, wie beim Buch über Storytelling, als Skkizzenblock für das nächste Buch.

COMIC!: Also ist eher ein zweiter Band geplant als eine erweiterte Zweitauflage?

Frank Plein: Ach, planen kann ich da viel, aber da hätte sicher mein Verleger ein Wörtchen beizusteuern. Wenn «Der Comic im Kopf» sein Geld wieder reingeholt hat, könnte ich mir zusätzliche Hefte zu speziellen Themen vorstellen, die mehr praktische Anwendungsbeispiele und Übungen enthalten, denn für die Übungen war leider im Buch kein Platz und keine Zeit mehr. Im Buch ist zum Beispiel ein Beispielskript, das von dem Zeichner Till Felix Panel für Panel umgesetzt und diskutiert wird. Ursprünglich war die Idee, das Skript mehrere Zeichner ausführen zu lassen. So wäre es denkbar, ein Heft zu machen, in dem fünf bis sieben Zeichner ein solches Skript umsetzen. So hätte man das Buch als «Mutterschiff» und zusätzliche Themenhefte mit 40, 50 Seiten zu Seitenlayout, Character Design oder Lettering mit zusätzlichen Anwendungsbeispielen und Übungen. Auch eine erweiterte Zweitauflage von «Der Comic im Kopf» wäre irgendwann denkbar, aber dazu, wie gesagt, muß sich erstmal der Verlag äußern.

COMIC!: Du bist auch Dozent der Comicademy. Hast du dir mit «Der Comic im Kopf» nun deine eigenen Lehrmaterialien geschrieben?

Frank Plein: Grundsätzlich muß ich sagen, daß auch bei der Comicademy mein Lehrmaterial zu Hundert Prozent von mir stammte. Aber generell kann ich die Frage mit Ja beantworten. Ich plane, ab nächstes Jahr Kurse und Workshops anzubieten, und das Buch ist dafür eine gute Ausgangsbasis.

COMIC!: Verglichen mit dem «Comiczeichenkurs» von Kim Schmidt, von dem noch elf Jahre nach Erscheinen allein bei Amazon 2011 deutlich mehr als 600 Exemplare verkauft wurden, spielt «Der Comic im Kopf» in einer unteren Liga. Ist es also noch ein harter Weg, ins allgemeine Bewußtsein zu bringen, daß auch das Comic-Erzählen gelernt werden muß?

Frank Plein: Dazu gibt es mehrere Antworten. Zunächst wird ein Buch, das hundertmal präsenter ist, auch hundertmal öfter gekauft. Abgesehen davon, daß die Bücher von Kim Schmidt ihren Job exzellent machen, erscheinen sie in einem großen Verlag und im Buchhandel. Aber natürlich hat es auch mit dem Inhalt zu tun. Die Zielgruppe für «Der Comic im Kopf» ist sehr, SEHR viel kleiner als die für Kims Bücher. Von tausend Leuten, die mit Comics anfangen, kommen, realistisch gesehen, 900 über das Stadium von Skizzen, Pinups und ein paar Bilderwitzen nicht hinaus. Die allerwenigsten schaffen den Sprung auf die komplette Comicseite, von längeren, ambitionierteren Geschichten ganz zu schweigen.
Und in der Tat, daß Erzählen auch ein Handwerk ist, das man gut oder schlecht ausführen kann, ist den allermeisten nicht bewußt. Es gibt sehr wenige Zeichner, die sich oder anderen eingestehen können, daß sie keine oder keine allzu originellen Ideen für eigene Storys haben. Zeichnen gilt als etwas, das man lernen muß. Erzählen gilt als etwas, das man sowieso kann. Aber das hängt auch zusammen mit der komischen Mischung aus Liebe und Verachtung, die die meisten Zeichner in der Szene dem Comic entgegenbringen. Wir jammern immer alle, daß die Medien Comics nicht ernstnehmen. Für mich ist es viel schlimmer, mitzuerleben, daß auch für die meisten Zeichner Comics nur Kasperletheater auf Papier sind. Ich sehe das anders. Wenn mich jemand fragt, weshalb er Comic XY kaufen soll, wenn er für dasselbe Geld eine komplette Staffel «Breaking Bad» kaufen kann, dann möchte ich ihm eine überzeugende Antwort darauf geben können.

Aber generell bin ich optimistisch. Vieles, was heute veröffentlicht wird, wäre vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen, und ich bin sicher, daß in den kommenden Jahren enorm viel im Comic passieren wird.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2013
Links zum Artikel

Der Comic im Kopf (ICOM-Seite)
Der Comic im Kopf (Franks Blog)
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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2012
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