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COMIC!-JAHRBUCH 2012

Beste Eigenproduktion:
ZIRP 4 von Till D. Thomas

Von Clemens Heydenreich


COMIC!: Die Preiskategorie «Selbstverlag» hat der ICOM 2011 neu eingeführt. Abgesehen davon, daß du dies sicherlich schon deshalb begrüßt, weil du ihr erster Preisträger bist – wie bewertest du diese Neuerung als solche?

Till D. Thomas: Ich verspreche mir davon, daß sie vielleicht andere Leute, die wie ich eher aus dem Hochschulkontext kommen, ermutigt, ihre Arbeiten beim ICOM einzureichen. In der Minicomic- und Fanzine-Richtung sind in den letzten Jahren ziemlich viele interessante Arbeiten entstanden. Und ich glaube, der ICOM wurde von diesen Leuten noch nicht so richtig bemerkt – oder sie haben gedacht, das ist nichts für sie, weil diese «Independent Comic»-Ecke schon was anderes ist. Es sind ja sonst eher Verlage, die da ihre Arbeiten einreichen, und ich erhoffe mir nun einfach, daß andere Leute auch aus meinem eigenen Umfeld, die ich gut finde – etwa dem Umfeld von «Treasure Fleet», dazu komme ich später noch –, vermehrt Sachen einreichen und es dazu jetzt ein Forum gibt. Wobei das eigentlich auch früher schon der Fanzine-Preis abgedeckt hätte, also, es dreht sich so’n bißchen – aber es ist gut, auf jeden Fall.

COMIC!: Das erste ZIRP-Heft erschien 2004. Was hat dich damals bewogen, zu sagen: Jetzt werde ich mein eigener Verleger?

Till D. Thomas: Zu der Zeit hatte ich angefangen, im Internet ganz viele Sachen gleichzeitig zu entdecken, die mich dann sehr geprägt haben. Das waren hauptsächlich Sachen in Nordamerika, selbstverlegte Hefte oder ganze Comic-Zeitungen wie Paper Rodeo, oder kleinere Vertriebe für selbstgemachte Comics wie «USS Catastrophe» oder «Highwater Books», die es damals noch gab, die auch richtige Bücher als Verlag herausgebracht haben, aber auch einen Shop hatten mit Eigenproduktionen amerikanischer Zeichner, die mich damals total umgehauen haben – von der Machart, vom Inhalt und der Herstellungsweise her. Das fand ich beeindruckend, weil ich vorher gar nicht auf die Idee gekommen war, daß das eine solche Wertigkeit haben kann, so was selber herzustellen. Ich hatte zum Thema Fanzines – na ja, das klingt blöd, aber: halt so billig gemachte Kopierhefte im Kopf und dachte, naja, das ist ja nicht so das Wahre, dann schon lieber ein richtiges Buch. Aber dann habe ich gemerkt: Dieses richtige Buch kann man eben auch selbst herstellen. Zwar nicht in dem Ausmaß wie ein echter Verlag, aber die Möglichkeiten sind schon da, und das hat den Wunsch in mir erweckt, das auszuprobieren, und dann bin ich wohl auf den Geschmack gekommen.

COMIC!: Wenn du heute in der selben Situation wärst – würdest du wieder auf die Idee «Selbstverlag» kommen? Heute herrscht doch zwischen einer breiter gewordenen Hochschulszene und Verlagen wie Reprodukt oder Avant ein ziemlich niederschwelliger Austausch, und diese Verlage mühen sich auch, ihre Bücher sehr individuell und auf den Inhalt abgestimmt auszustatten. Würdest du da heute nicht sagen: Es gibt etablierte Verlage, die sehr auf die Wünsche des Künstlers eingehen, da muß man gar nicht mehr alles selber machen?

Till D. Thomas: Ja, klar gibt’s das. Avant hat schon ziemlich früh so etwas Handgemachtes an den Tag gelegt bei der Machart der Bücher, und auch Reprodukt legt darauf immer mehr Augenmerk. Aber inhaltlich ist es trotzdem total schwer für jemanden, der noch relativ unbekannt ist, gleich am Anfang ein eigenes Buch rauszubringen. Da haben einige Glück oder sind einfach genau das richtige für den Verlag, aber bei anderen wird das nicht so leicht möglich sein. Und ich find’s ziemlich befreiend, erst mal «so» zu arbeiten und sich freizumachen von Überlegungen wie: Würde das überhaupt als Buch funktionieren? In meinem Fall ist es ja auch eine Serie, ich erzähle eine Geschichte in mehreren Teilen, und das könnte man wohl bei keinem «richtigen» Verlag durchziehen. Das ist auch in Amerika gescheitert, weil diese Serien sich überhaupt nicht rechnen, weil die auch nicht in Bücherregale gehen. Ich find’s total gut, das vorher alles erarbeiten zu können – ob es dann einmal in Buchform erscheint, sei dahingestellt, aber jedenfalls wird es schon so seine 300, 400 Leser finden, auch wenn ich es selbst herausbringe, und das ist erst mal ganz gut.

COMIC!: In welche Dinge mußtest du dich anfangs – jenseits des Grafischen, da konntest du ja sicherlich schon alles, was du können mußtest – neu einarbeiten? Wo gab es Schwierigkeiten?

Till D. Thomas: Naja, auch grafisch konnte ich noch nicht alles – was ich auch heute noch nicht kann ... Aber zuerst einmal: Das erste Buch war noch viel zu aufwendig produziert, das hatte Zwischentitel in Siebdruck und ein Siebdruckcover, und das Ganze hat dann nur 2 € gekostet. Was ich wirklich daraus gelernt habe, ist, daß man sich mit solchen Arbeiten nicht so unter Wert verkaufen darf. Natürlich wollte ich es absichtlich billigmachen, aber heutzutage wäre das halt der Preis für ein normales Digitaldruckheft in einer höheren Auflage. Aber für handgemachte Sachen, komplett selber gedruckt ... Bei mir war damals einfach noch nicht das Selbstbewußtsein da, daß man dafür auch mehr nehmen kann, das kam erst später dazu. Wobei ich immer noch versuche, es so günstig wie möglich zu machen. Beim letzten Heft hat das dadurch geklappt, daß ich eine Förderung von der Kulturstiftung bekommen habe. Es geht mir auch nicht darum, daß das nun ein Kunstbuch wird, aber ein bißchen mehr sollte man schon nehmen. Das war das eine, ansonsten: Bei ZIRP 1 gab es Schwarzweißseiten, die waren noch im Copy-Shop gedruckt, und auch vom Schnitt und von der Heftung her – da muß man einfach seinen Ort suchen, wo man sich gut zurechtfindet und auch mit dem Personal klarkommt, wobei man allerdings fast jedes Mal wieder neu suchen muß, weil die ja so schnell wechseln. Aber mittlerweile erstelle ich die Druckvorlagen auch am Computer, das kann eigentlich heute fast jeder, aber damals war mir das noch gar nicht vertraut.

COMIC!: Und von deinen US-Vorbildern abgesehen: Auch im Umfeld der Hochschule hattest du doch sicher Bekannte, die sich mit ähnlichen «Selbstverleger»-Projekten trugen – Stichwort ORANG – und mit denen du dich austauschen konntest?

Till D. Thomas: Ja, ORANG gab es damals seit einem Jahr. Für ZIRP und ORANG waren meine Arbeiten meistens auch deckungsgleich, erst später habe ich dann längere Sachen für ORANG gemacht. Zu der Zeit gab es schon so eine Art Aufbruchsstimmung an der HAW in Hamburg, da kamen einige Leute zusammen, die Lust hatten, was in der Richtung zu produzieren. Arne Bellstorf hat damals noch selbst verlegt, Sascha Hommer auch. Überhaupt, die ersten ORANGs waren ja auch selbstverlegt, ebenfalls mit Siebdruckcover, bei ORANG 3 habe ich das zum Beispiel gemacht ... ja, und so hat man sich erprobt. Wenn man so will, bin ich der von den Leuten, der da dabei hängengeblieben ist – aber mit den anderen arbeite ich weiterhin zusammen. Es gibt schon Ideen dazu, daß zum Beispiel bei meinem Minicomicvertrieb der Sascha Hommer auch mal etwas macht. Oder gerade habe ich mit ganz vielen Zeichnern ein Klappbilderbuch namens «Kampf Kolosse» gemacht, da sind Sascha und Arne auch wieder dabei. Und ORANG gibt’s ja auch noch, zumindest noch eine Ausgabe lang ...

Auf den Geschmack gekommen?
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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
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