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COMIC!-JAHRBUCH 2012

Humor ist ein ernstes Geschäft
Interview mit Michael Holtschulte

Von Michael Hüster


Michael Holtschulte wurde 1979 in Herne geboren. 2006 machte er sein Examen in «Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft, Sozialpsychologie und Politikwissenschaft» an der Ruhr-Uni in Bochum. Er ist selbständig als Cartoonist, Karikaturist und Illustrator für verschiedene Magazine und Zeitungen (u. a. schon für Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Bild am Sonntag, Financial Times, MacLife, Deadline, Coupé, Stern, M Magazin, Süddeutsche Zeitung) sowie Spiele-, Postkarten- und Buchverlage (Pearson, Orell Füssli, Moses etc.) tätig. Ein weiterer Arbeitsbereich ist die Werbung.
Sein erster Cartoonband «Tot aber lustig» erschien 2004 beim Toonster Verlag. Es folgten Beteiligungen an diversen Anthologien wie zum Beispiel «Geschmacklose Geschenke», «Ganz großes Kino», «Zahnsch(m)erz» «A40-Cartoons», «Vorletzte Geräusche» oder «Deutschkunde 2» und u. a. Illustrationen für das Lehrbuch «Wirtschaft macchiato».
Seit 2010 erscheinen Cartoons von Michael Holtschulte auch beim Lappan Verlag. Dort war er bisher an den Titeln «Fiese Bilder II», »Fiese Bilder III», «Beste Bilder» und «SensenMan» beteiligt. Mit «iVolution: Cartoons für Apple-Fans» kann er einen komplett eigenen Band bei Lappan vorweisen.
Auf seiner Cartoonwebseite www.totaberlustig. de, die seit Ende 2004 online ist, wird jede Woche ein neuer Cartoon veröffentlicht, der monatlich von über 130.000 Besuchern angeschaut wird. Der Künstler lebt und arbeitet in Herten.



Comic!: Nicht untypisch für Zeichner aller Art ist es, schon zu Schulzeiten die eigenen Hefte mit Zeichnungen zu versehen. War das bei dir auch so und wenn ja, wann fing das an?

Michael Holtschulte: Naja, Schulhefte vollzukritzeln fing im Grunde genommen tatsächlich mit den ersten Schulheften an. Besonders ausgeprägt hat sich das dann wohl im Laufe der Gymnasialzeit, da ich heute immer noch von ehemaligen Klassen- und Schulkameraden darauf angesprochen werde, daß sie irgendwelche Zeichnungen von mir in ihren Unterlagen gefunden haben. Anscheinend reichten meine eigenen Hefte nicht aus. Was das nun über die Qualität des Unterrichts aussagt oder über meine Fähigkeiten, mich als Schüler aufs Lernen zu konzentrieren, darüber wird es je nach Standpunkt sicherlich unterschiedliche Meinungen geben.

Comic!: Hat dein zeichnerisches Talent zur Mitwirkungen an Schülerzeitungen geführt?

Michael Holtschulte: An Schülerzeitungen habe ich weniger mitgewirkt. Ich hatte schon zu Schulzeiten kleinere Aufträge, daraus ist dann immer mehr geworden. Unter anderem eben auch die ersten Veröffentlichungen in Zeitungen. Bei der Abizeitung war ich dann aber voll dabei.

Comic!: War dein Berufswunsch in Richtung Illustrationen/Cartoons von Beginn an klar, oder hattest du zunächst andere Pläne?

Michael Holtschulte: Soweit ich mich erinnern kann, gingen meine Pläne immer schon in den Bereich, allerdings mit einem Schlenker hin zur Werbung. Also der klassischen Agenturarbeit. Ich habe dann auch lange neben dem Studium bei Agenturen, wie z. B. McCann Erickson oder der Publicity Werbung GmbH (die produzieren die CityCards im Ruhrgebiet) gearbeitet, war aber immer darauf bedacht, meine Selbständigkeit im Zeichnerischen aufzubauen. Vor ein paar Jahren habe ich dann den kompletten Schritt gewagt. Und das genieße ich in vollen Zügen, zumal ich gemerkt habe, daß der Job in einer Werbeagentur nicht so cool ist, wie ich früher dachte. Zumindest nicht für mich persönlich.

Comic!: Hast du eine künstlerische Ausbildung absolviert?

Michael Holtschulte: Gemalt und gezeichnet habe ich schon, seit ich denken kann, auch wenn sich das nach einer Standardfloskel anhört. Das ging auch schon lange vor den oben genannten Schulheften los, z. B. auf Tapeten im Kinderzimmer. Meine Mutter, die selbst Kunst studiert hat, hat mir viele traditionelle Techniken beigebracht. Mit ungefähr 14 Jahren habe ich gemerkt, daß ich mich für Cartoons begeistere und mich dann daran versucht. Zur künstlerischen Ausbildung im weitesten Sinne kamen dann noch diverse Praktika bei Werbeagenturen und Computerkurse, bei denen ich relativ früh den Umgang mit Software wie Photoshop und seinerzeit noch QuarkXPress und Freehand erlernen durfte.
Nach der Schule wollte ich dann eigentlich Grafik-Design studieren, was aber nicht auf Anhieb geklappt hat, weil meine vorgelegten Arbeiten keinen Anklang fanden. Das war erst einmal ein Rückschlag, aber zur gleichen Zeit habe ich dann den ersten Auftrag für Buchillustrationen und eine Stelle bei einer Werbeagentur angeboten bekommen. Der Weiterbildung wegen habe ich mich dann für Germanistik, Sozialpsychologie und Politikwissenschaften eingeschrieben, neben dem Studium meine Selbständigkeit aufgebaut und letztendlich sogar das universitäre Bildungspatent erhalten.

Comic!: Wie bist du speziell zum Karikaturenzeichnen gekommen?

Michael Holtschulte: Wie gesagt, habe ich mit 14 Jahren angefangen, Cartoons zu zeichnen, und da ich zu diesem Zeitpunkt aktiv Basketball gespielt habe, lag es für mich nahe, das zum Thema zu machen. Diese aus heutiger Sicht grauenvollen Machwerke sind dann in dem Magazin des Bundesliga-Vereins aus Herten abgedruckt worden. So sind dann zwei Tageszeitungen auf mich aufmerksam geworden und fragten mich, ob ich mir vorstellen könnte, für sie zu zeichnen. Das habe ich auch für die Lokalredaktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung getan und dadurch gemerkt, daß man damit auch Geld verdienen kann. So wurde im Grunde genommen der Grundstein gelegt, auf dem ich dann nach und nach aufgebaut habe.

Comic!: Wo siehst du deinen künstlerischen Schwerpunkt: Cartoonist, Illustrator oder Werbezeichner?

Michael Holtschulte: Das richtet sich danach, ob ich gerade Cartoons oder Illustrationen im weitesten Sinne zeichne. Der Schwerpunkt liegt für mich persönlich immer auf dem aktuellen Projekt. Vor ein paar Jahren hätte ich noch klar die Illustration benannt, weil das der Teil der Arbeit war, der den meisten Lebensunterhalt eingebracht hat. Eine Situation, über die ich persönlich schon sehr glücklich war, da ich mir nichts Schöneres vorstellen kann, als vom Zeichnen leben zu können.
In der letzten Zeit hat sich das noch einmal ein wenig gewandelt, und der Cartoon rückt immer weiter ins Zentrum meiner Arbeit, was viel damit zu tun hat, daß ich mich bei Lappan sehr wohl fühle, bei einem Agenten unter Vertrag bin, der mich gut vertritt, und eben immer mehr Cartoons in und auf den unterschiedlichsten Publikationen abgedruckt werden.

Comic!: Wie entstand die Idee zur Homepage www. totaberlustig.de?

Michael Holtschulte: 2004 brachte der Toonster Verlag, den es inzwischen nicht mehr gibt, mein erstes eigenes Cartoon-Buch heraus. Bei der Vorarbeit suchten der Verleger und ich einen roten Faden in dem Haufen Cartoons, die ich zu unserem Treffen mitbrachte. Da der Humor teilweise recht schwarz war und oft Sensen auftauchten, kristallisierte sich irgendwie «Tot aber lustig» als Motto heraus. Ich persönlich hatte andere Favoriten, letztendlich war das dann aber die Entscheidung des Verlags.
Man kann sich das vorstellen, wie das mit dem ersten eigenen Buch ist: Total stolz und motiviert habe ich dann eine Webseite zum Buch machen wollen, die dann eben genauso hieß. So einfach ist die Geschichte dahinter. Ich habe auch erst seitdem angefangen, regelmäßig Cartoons zu zeichnen und einen mir selbst auferlegten Rhythmus einzuhalten, um die Webseite mit mindestens einem Cartoon pro Woche füttern zu können. In der Nachbetrachtung waren meine Cartoons zu dem Zeitpunkt bei weitem noch nicht so weit, als daß man sie in ein Buch hätte drucken können oder dürfen. Das Ganze ging eigentlich zu schnell und war überhaupt nicht ausgereift. Was ich aber aus der Zeit mitgenommen habe, ist die Disziplin, regelmäßig Cartoons zu zeichnen und auf der Webseite zu veröffentlichen. Inzwischen sind es auch schon über 130.000 Besucher im Monat, die die Cartoons sehen wollen, mein erstes Buch hingegen ist (hoffentlich) in Vergessenheit geraten.

Comic!: Inzwischen gehen viele Künstler, vor allem Newcomer, den Weg über das Internet. Welche Vorteile siehst du in diesem Weg?

Michael Holtschulte: Das Internet hat ganz klar den Vorteil, daß man kostengünstig publizieren kann und auch Feedback von seinen Lesern erhält. Jeder Newcomer hat sicherlich schon bei Gesprächen mit Verlagen zu hören bekommen, daß man erst veröffentlichen und bekannter mit seinen Arbeiten werden müsse, bevor man beispielsweise überhaupt daran denken könne ein Buch zu machen.
Veröffentlichen um veröffentlicht zu werden ist ein Teufelskreis, aus dem man nicht so schnell herauskommt, da die Möglichkeiten im Printsektor auch nicht unbedingt Mut machen. Der klassische Verlag ist nun einmal ein wirtschaftliches Unternehmen und verlangt daher auch gewisse Faktoren, die das unternehmerische Risiko mindern, bzw. ein wenig kalkulierbarer machen. Ausnahmen und Überraschungserfolge gibt es trotzdem immer wieder, aber genauso viele unglaublich talentierte Künstler, die einfach kein Glück haben.
Das Internet ist im Grunde die ungefilterte und freie Variante, sich einem potentiell großen Publikum zu stellen. Was sich letztendlich daraus entwickelt, ist trotz aller Vorzüge nicht vorhersehbar. Unterm Strich kommt es wahrscheinlich doch nur darauf an, im weitesten Sinne zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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