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COMIC!-JAHRBUCH 2012

Das verlockende Potential der Gelegenheitsleser:
Comix im Zeitungsformat

Von Andreas Alt


Martin Jurgeit ist nicht der Erste und auch nicht der Einzige, der davon träumt, mit einem Comicmagazin ein größeres Publikum als die eingeschworenen Comicfans und Sammler zu erreichen. Das monatlich im Verlag Jurgeit, Krismann & Nobst (JNK) erscheinende COMIX verfolgt jedoch ein ungewöhnliches Konzept – bisher noch nicht mit überragendem Erfolg, aber die kritische Phase ist laut Jurgeit überstanden.

COMIX wird derzeit mit einer Auflage von bis zu 20.000 Exemplaren über Bahnhofskioske, Comicläden und Messestände vertrieben. Das Besondere: Das mindestens 80-seitige, vierfarbige Heft sieht wie eine Zeitungsbeilage aus, ist günstig auf Zeitungspapier gedruckt und kostet daher nur zwei Euro. Zeitungen spielen im Kalkül von Jurgeit eine nicht unwichtige Rolle, doch als Vorbild sieht er eher alte Comichefte wie zum Beispiel Phantom (Bastei) oder auch die Warren-Horrormagazine in den USA. Die waren auch auf Zeitungspapier gedruckt, was lediglich durch einen Glanzumschlag notdürftig kaschiert wurde. Den braucht COMIX nicht, aber das Heft eignet sich kaum, eine Comicsammlung aufzuwerten.
Das Modell Comicalben und Hochglanzhefte, die in den Regalen echter Fans prangen, hat Jurgeit nach eigenen Worten für sich abgehakt: «Ich wünsche mir Leser, die ein gewisses Interesse für Comics haben, aber für die sie nicht Haupt-Lebensinhalt sind.» Sie sollen mit seinem Magazin umgehen wie japanische Mangaleser: im Vorbei-gehen kaufen, in der U-Bahn lesen, hinterher vielleicht gleich wegwerfen. Er verweist auch darauf, daß nur jeder 50ste der rund 500.000 Leser eines Lustigen Taschenbuchs ein echter Comicfan sei. Die Zielgruppe der Gelegenheits-Comicleser will Jurgeit noch wesentlich besser erreichen. Bisher sei unter seinen Kunden der «harte Kern» der Comicfans noch zu stark vertreten. «COMIX ist für Leser gedacht, nicht für Sammler», betont der Redaktionsleiter.
Zu lesen bekommen die Käufer ausschließlich Comics aus dem deutschsprachigen Raum, was auf dem hiesigen Markt ebenfalls durchaus ungewöhnlich ist. Das hat sich nach Aussage von Jurgeit aber eher zufällig ergeben. Im ursprünglichen Konzept kamen ausländische Lizenzprodukte vor. Es gab aber Probleme mit der Handhabung der Rechte, nicht zuletzt bei der Online-Ausgabe von COMIX. Daraufhin entschied sich der Verlag konsequent für Material aus hiesiger Eigenproduktion.
Zwei Langzeitserien bildeten bis vor kurzem das Rückgrat des Angebots: die ursprünglichen Webcomics «Deae (ex machina)» von Erik und David Bollers «Ewiger Himmel»; beide waren laut Jurgeit umfangreich vorproduziert und gaben damit zum Start Sicherheit bei der Heftplanung. Hinzu kommen zugkräftige Namen: Ralf König – auch er war in nahezu allen Ausgaben vertreten –, Flix und Volker Reiche.
Jurgeit verweist darauf, daß die meisten Leute am liebsten Funnys lesen. Daher bringt er auch viel von Christian Turk, Thorsten Kiecker (Stenarts) oder Kim Schmidt. Obwohl er von «bierernsten Abenteuercomics» in der klassischen Zack-Tradition wenig hält, sind jedoch mehr oder weniger realistische Comics in COMIX deutlich in der Mehrheit. So starteten «Steam Noir» von Benjamin Schreuder und Felix Mertikat, der Fotocomic «Union der Helden» und der Manga «Nichimandoku» von Matsuoka Waka, Dirk Schwieger und Christina Plaka. Auch Entdeckungen gab es wie «Im Bann der Hexer» von Florian Biege und Alexander Berger (inzwischen bei Ehapa als Album veröffentlicht) oder «Shayazur» vom schon erwähnten Christian Turk (ursprünglich ein Album bei Carlsen). Alle diese Serien sind aber für eine entschieden jüngere Leserschaft als die alten Zack-Fans gedacht. Nostalgiefaktor – Fehlanzeige.
Wer COMIX tatsächlich liest, weiß Jurgeit freilich gar nicht so genau, wie er einräumt. Mehr Kommunikation mit den Lesern durch ein Editorial und Leserbriefseiten oder der Start von Umfragen würden nach seiner Überzeugung wenig bringen, denn die erwünschten Gelegenheitsleser beteiligten sich daran nicht. Diskussionen mit den Lesern finden in einem eigenen Forum auf www. comicforum.de statt, und Jurgeit bemüht sich, zusammen mit Zeichnern auf möglichst vielen Festivals und Messen präsent zu sein, aber damit erreicht er wiederum hauptsächlich die Fans. Ein Problem sieht er darin aber nicht: «Man produziert so, im Blindflug, schon seit 100 Jahren Comics», sagt er dazu.
COMIX ist aus dem Fachmagazin COMIXENE heraus entstanden, das bereits seit 2003 vom Verlag JNK herausgegeben wird. Am deutlichsten ist das an dem jeweils in der Heftmitte eingefügten «COMIXENE Newsletter» abzulesen. Hier findet der Leser monatlich eine umfassende Übersicht über neu erschienene Comics wie auch Webcomics mit Seitenblicken auf Comicstoffe in Kino und Fernsehen, Veranstaltungen und Ausstellungen. Jurgeit kann sich vorstellen, daß manche Leser COMIX nur oder hauptsächlich wegen dem Newsletter kaufen, der früher ausschließlich für COMIXENE-Abonnenten produziert wurde. Zum redaktionellen Teil gehören ferner ein Ladenporträt, ein Hinweis auf einen Comicblog und die Rubrik «Studio». Unter diesem Titel wird jeden Monat eine Ausstellung mit Bezug zu Comics näher beleuchtet.

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