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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Von Pannen und kleinen Königen
Interview mit Lutz Stützner

Interview von Burkhard Ihme

COMIC!: Das erste Mal, daß mir dein Name untergekommen ist, war 1990 beim 5. Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart, als dein Film «Die Panne» gezeigt wurde. Wie konnte 1988 in der DDR ein solcher (sicher nicht nur aus westdeutscher Sicht) regimekritischer Film entstehen? Oder hab ich die Pointe nicht verstanden?

Lutz Stützner: Du hast alles richtig verstanden. Dieser Film konnte einfach dadurch entstehen, daß die Zeit reif war, solche Filme entstehen zu lassen. Daß etwas gewaltig schieflief, hatte unsere Führungsriege schon längst festgestellt, und daß es besonders im Bereich der «Kulturschaffenden» brodelte, war ihnen bewußt. Also mußten sie für Ventile sorgen und somit die bisher engen Bandagen lockern, denn geplant war der Film, zusammen mit anderen Filmen, als Vorprogramm zu einem größeren Spielfilm.
In der DDR wurden Spielfilme sehr oft mit «Vorfilmen» gekoppelt. Das hatte den Vorteil, daß Kurzfilme, Dokumentarfilme und eben auch kurze Animationsfilme eine Plattform bekamen, für die es sich lohnte zu produzieren, denn durch diese Verfügung durch das Kulturministerium war die Garantie gegeben, daß die Filme ihr Publikum fanden.
Vielleicht lag es aber auch daran, daß dieser Film ja kein kritischer Film mit alleinigem Bezug auf unsere sogenannte «sozialistische Gesellschaftsordnung» war und ist. Vielmehr ist die Grundaussage eine allgemeingültige. Das ist auch der Grund, warum er heute immer noch von Relevanz ist und nach wie vor funktioniert. Denn egal welche Gesellschaftsform an der Tagesordnung ist, sie muß immer von den «kleinen Leuten» getragen werden.
Witzig an der Entstehungsgeschichte ist, daß sich der Film aus einer kleinen satirischen Idee entwickelt hat, die eigentlich die maroden Straßenverhältnisse aufs Korn nehmen wollte.

COMIC!: Wurde «Die Panne» auch in der DDR gezeigt, oder erlebte der Film seine Premiere erst nach dem Mauerfall?

Lutz Stützner: Leider kam der Film innerhalb der Kinos der DDR nicht mehr wie geplant zum Einsatz. Er wurde auf verschiedenen internen Veranstaltungen gezeigt. 1989 im Oktober lief er auf dem Animationsfilmfestival in Varna und 1990 auf der Berlinale, wo er eine «lobende Erwähnung» bekam, was bedeutet, daß man den vierten Platz belegt hat. Danach fangen die Bären an. Aber stolz bin ich darauf schon, denn es ist, bei der Flut an Bewerbern, schon eine Auszeichnung, auf der Berlinale überhaupt in den Wettbewerb zu kommen.

COMIC!: Wie bist du zur DEFA gekommen und welche Tätigkeiten hast du dort ausgefüllt?

Lutz Stützner: Ich habe eine Lehre als Gebrauchswerber mit Spezialisierung Plakatmaler absolviert. Durch eine ehmalige Arbeitskollegin, die in ihrer Freizeit in einem Töpferzirkel arbeitete, dessen Leiter der künstlerische Leiter des DEFA Trickfilmstudios war, habe ich den Kontakt zum Studio bekommen. Da mich Trickfilme von Kindheit an begeistert haben und ich nicht beim Transparente schreiben mit Malstock und Pinsel in der Hand mein Leben aushauchen wollte, habe ich eines Tages mit pochendem Herzen und einer Mappe meiner Zeichnungen unter dem Arm die Schwelle des DEFA Trickfilmstudios Dresden überschritten. Schon nach kurzer Zeit und besonders nachdem mich Otto-Gerd Müller, so hieß der künstlerische Leiter, durch das Studio geführt hatte, war für mich klar, daß ich in meinem persönlichen Paradies angekommen war und das um keinen Preis mehr verlassen wollte. Also habe ich das Angebot, als Volontär im Studio zu beginnen, angenommen und habe am 01.09.1976 angefangen, im Studio zu arbeiten, und es erst 1993 als letzter Animator wieder verlassen, denn da gab es das Studio trotz aller Bemühungen nicht mehr.
Ich habe wirklich, wie man so schön sagt, von unten angefangen. Ich arbeitete an der Schwarzweiß-Kamera, so nannten wir die 35mm-Linetestkamera, habe Phasen koloriert, am Tricktisch den Animatoren assistiert, habe Zwischenphasen gezeichnet, war Sauberzeichner, habe animiert, Figuren und Hintergründe gestaltet, Geschichten geschrieben, war Regieassistent und habe letztendlich als Regisseur gearbeitet. Zwischendurch habe ich noch 18 Monate Armeezeit hinter mich gebracht und ein dreijähriges Studium zum Grafik Designer absolviert.

COMIC!: An wie vielen Trickfilmen warst du maßgeblich beteiligt?

Lutz Stützner: In meiner Zeit bei der DEFA war ich an 19 Filmen in den unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen beteiligt. Nach meiner Zeit in der DEFA sind natürlich noch einige mehr entstanden.

COMIC!: Heute ist die Hochschule für Film und Fernsehen «Konrad Wolf» neben der Filmakademie Baden-Württemberg die führende Ausbildungsstätte für Trickfilm in Deutschland. War das Ende der 70er Jahre (für das Staatsgebiet der DDR) auch so?

Lutz Stützner: Ende der 70er gab es keine Ausbildung an der Filmhochschule. Mitte der 70er wurde nach langer Zeit wieder der Versuch gestartet, junge trickfilmbegeisterte Leute über eine Grafik-Design-Ausbildung für den Animationsfilm zu qualifizieren. Dazu gehörten u.a. Peter Mißbach und Klaus Büttner (bis 2009), die später als Animatoren im Trickfilmstudio Dresden tätig waren. Dann klaffte eine Nachwuchslücke, die ich als Einzelperson füllte. Erst Anfang der 80er, als die Alterskluft immer größer wurde und sich dramatisch bemerkbar machte, daß man vergessen hatte den Nachwuchs zu fördern, wurden vom damaligen Direktor des Studios, Thomas Wedegärtner, und dem amtierenden Rektor der Filmhochschule, Lothar Bisky, die Weichen für eine Ausbildung in Sachen Animationsfilm gestellt.
Am Beginn dieses Weges wurde zu 50% im Dresden ausgebildet und zu 50 % in Babelsberg. Erst später wurde, wie jetzt üblich, die gesamte Ausbildung nach Babelsberg verlegt und die Ausbildung im DEFA Trickfilmstudio Dresden eingestellt. Das Studio erfüllte danach den Part des Praktikumbetriebes.

COMIC!: Bist du in deinem Studium auch in irgendeiner Form dem Trickfilm begegnet?

Lutz Stützner: Zu meiner Zeit gabe es das alles noch nicht, und ich habe, wie meine Vorgänger, eine Ausbildung zum Grafik Designer durchlaufen. Beim Studium erging es mir genau wie denen, denn die Lehrer an der Schule hatten von Animationsfilm keinen Schimmer. Also machte ich eine solide Grafik-Design-Ausbildung, und als Abschlußarbeit entwickelte ich einen Spot für die ASIFA. Das war der einzige Bezug zum Animationsfilm während meines gesamten Studiums. Danach ging ich wieder zurück zum Trickfilmstudio Dresden, und das «learning by doing» ging weiter.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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