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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Sonderpreis der Jury für eine
bemerkenswerte Comicpublikation:
«SPRING 6»
Interview mit Nora Krug, claire Lenkova, Nina Pagalies und Barbara Yelin

Interview von Felix Giesa

Anfang Juni ist die siebte Ausgabe des Hamburger Magazins SPRING erschienen. «Happy Endings» lautet in diesem Jahr der thematische Rahmen und tatsächlich hat das Kollektiv der Springerinnen auf dem diesjährigen Comic Salon in Erlangen ein eigenes Happy End gefunden. Zumindest für die sechste Ausgabe ihrer Anthologie: Diese wurde mit einem ICOM-Preis ausgezeichnet.
Das reine Frauenprojekt unterscheidet sich inhaltlich von anderen vergleichbaren Anthologien schon in der Selbstauffassung: «SPRING fängt jene grafischen Exemplare ein, die im unbekannten Raum zwischen Illustration, Comic und Kunst umhertreiben.» Viele der bisher veröffentlichten «Geschichten» warten nicht mit einer linearen Handlung auf, sie müssen vielmehr erlesen werden. Handlung muß in den Bildern und Illustrationen entdeckt und entwickelt werden. Und selbst dort, wo eine Story vermeintlich erzählt wird, muß ihr Anliegen erst entschlüsselt werden. Inhaltlicher Zusammenhalt für alle Geschichten ist in jeder Ausgabe ein Rahmenthema; in der nun ausgezeichneten Ausgabe war dies «Verbrechen». Ist das Thema auch althergebracht, überraschen die vielen neuen Zugänge.
Das erfreuliche an einer Anthologie aus einem vorwiegend gleichbleibendem Stamm (Fluktuation ist natürlich nie zu verhindern) ist, daß man die Arbeit der einzelnen Künstlerinnen schätzenlernt, man die Entwicklung und Fortschritte nachvollziehen kann. Da bleibt es nicht aus, daß einem die einen lieb werden und die anderen weniger; und gerade von diesen wird man dann manchmal überrascht. Beides sind Gründe die Springerinnen weiterhin im Auge zu behalten und zu hoffen, daß der Nährboden des Kollektivs auch weiterhin fruchtbar bleibt.
Für das COMIC!-Jahrbuch führte Felix Giesa im Juli mit Nora Krug, claire Lenkova, Nina Pagalies und Barbara Yelin ein E-Mail-Interview.

COMIC!: Wie fing das alles an mit SPRING?

claire Lenkova: Meine frühere beste Freundin Claudia Ahlering und ich waren beide aus Anthologien geflogen und durften bei Orang & Co nicht mehr mitmachen. Sie fragte mich, ob wir nicht einfach selbst eine Anthologie machen wollen. Ganz naiv, noch im ersten Studienabschnitt, sagte ich zu. Claudia hat sich damals sehr ins Zeug gelegt, hat eine Kulturförderung an Land gezogen. Wir luden befreundete Zeichnerinnen, die wir damals – 2004 – gut fanden, ein und haben losgelegt.

COMIC!: Was waren die ersten Erfahrung mit und Reaktionen auf das erste Heft? Aus irgendeinem Grund habt ihr ja weitergemacht.

claire Lenkova: Wir bekamen Presse im Wochenblättchen! Mein «Toupetmann» war lobend erwähnt und ein Bildchen von ihm abgedruckt! Da war ich mächtig stolz. Ich wußte: Jetzt ist alles möglich. Damals wie heute brauchen wir eine Plattform für die Arbeiten, die wir in normalen Verlagen mit all ihren Bedenken und Reinquatschereien nicht unterbringen können. Es gibt keinen Grund, damit aufzuhören.  

COMIC!: Wie ging es dann weiter?

claire Lenkova: Einige heirateten, andere bekamen Kinder, manche gingen weg von SPRING oder setzten aus und kamen wieder. Es gab Streit und Gezicke, lustige Feiern und pompöse Ausstellungen. SPRING wurde immer dicker, die Beiträge immer breiter gefächert, die einzelnen Springerinnen immer erfolgreicher. Hätte ich vor SPRING 1 gewußt, wie viel Arbeit so ein Heft macht – ich hätte Claudia trotzdem zugesagt! Ich möchte SPRING nicht missen.

COMIC!: Ihr arbeitet als reines Frauenkollektiv. War das eine bewußte Entscheidung, keine männlichen Kollegen mitzuveröffentlichen?

claire Lenkova: Ja, aber nicht von mir. Mir war das egal. Mir ist es überhaupt egal, welches Geschlecht jemand hat. Wieso bloß soll man danach Leute einteilen?

Barbara Yelin: Ich bin erst in Ausgabe Zwei dazugekommen, da war diese Entscheidung schon gefällt. Wir haben aber immer mal wieder diskutiert, SPRING auch männlichen Kollegen zu öffnen – allein, es gab so viele interessante Zeichnerinnen, daß es nie dazu kam. Aber natürlich ist SPRING dabei auch immer ein ausgleichendes Projekt gewesen in der deutschen Comiclandschaft, in der Frauen anteilig deutlich weniger vertreten sind als Männer. Auch wenn sich daran in den letzten Jahren ja echt erfreulich viel geändert hat.

COMIC!: Die Beiträge in SPRING sind ja nicht eindeutig nur dem Comic zuzuordnen. Ihr verortet euch selber irgendwo zwischen Design, Illustration und Comic. Was ist da euer Antrieb?

claire Lenkova: Ich selbst finde es immer schwierig, zu sagen, was ich eigentlich mache oder was wir machen. Machen wir Comics? Oder Illustrationen? Etwa Kunst? Oder einfach nur Zeichnungen? Design? All das oder gar nichts davon? Irgendwas dazwischen? Aber was ist das «Dazwischen»? Klingt es nicht nach jemanden, der sich nicht entscheiden kann oder der sich auf allen Feldern laienhaft versucht und scheitern muß? Wir machen SPRING, und ich bin froh, daß ich endlich eine einfache Antwort habe. Und daß SPRING alles andere als Scheitern bedeutet.

Nora Krug: Ich würde zu den drei Bereichen auch noch die Freie Kunst dazunehmen. Ich persönlich habe schon immer vermieden, meine Arbeit einer bestimmten Sparte zuzuordnen. Ich arbeite in Amerika für den Zeitungs- und Magazinbereich, als Kinderbuchillustratorin, als Comicbandautorin und als Animatorin. Für mich geht es nicht darum, in welchem Medium gearbeitet wird, sondern darum, durch visuelle Mittel bestimmte Themen zu behandeln, Gedanken und Gefühle zu kommunizieren oder Atmosphären zu schaffen. Die Vielfältigkeit macht ein solches Magazin lebendiger, vielschichtiger und reicher an Ausrucksformen, und als Leser wird man dadurch bei jedem neuen Kapitel überrascht.

Barbara Yelin: Als verbindendes Element sollte hier noch die Erzählung dazu – erzählerische Zeichnung in verschiedensten Formen.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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