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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Die Verlage haben Angst vor dem Begriff «Comic»
Ein Interview mit dem Zeichner Ulf K.

Von Klaus Schikowski

COMIC!: 2004 hast du den Max-und-Moritz-Preis als bester deutscher Comic-Zeichner erhalten, dann aber zunächst Bilderbücher und nur wenige Comics veröffentlicht. Wie kam es dazu, daß du Bildergeschichten für ein jüngeres Publikum zeichnen wolltest?

Ulf K.: Das hat sich eigentlich so ergeben. Kinderbücher zu illustrieren lag für mich schon immer nahe, und es war auch schon immer mein Wunsch, dies zu tun. Daß ich seit dem Max-und-Moritz-Preis weniger Comics gezeichnet habe, hat letztendlich auch was mit meinem Leben zu tun. Mit Familie gestaltet sich das Comiczeichnen schwieriger. Ich muß halt leider Geld verdienen.

COMIC!: Die Bücher hast du oft mit Martin Baltscheid gemacht, der ja auch aus dem Comic-Umfeld kommt. Warum habt ihr euch, abgesehen vom finanziellen Aspekt, mehr auf die Kinderbücher als auf Comics für Kinder konzentriert?

Ulf K.: So nahe der Gedanke bei uns Comicschaffenden und Comicinteressierten auch liegt, Comics für Kinder zu machen, so weit ist der Gedanke bei den entsprechenden Verantwortlichen in den Kinderbuchredaktionen entfernt. Ich empfand es am Anfang ja schon schwierig genug, als Comiczeichner überhaupt ein Kinderbuch illustrieren zu dürfen, da sollte man dafür erst einmal dankbar sein und nicht gleich zu viel verlangen.

COMIC!: Wie schwierig gestaltete sich der Weg von den Comics zu den Bilderbüchern – sowohl für dich als Zeichner wie auch von Verlagsseite aus, denn du hattest dir ja schon einen Namen als Comic-Zeichner gemacht.

Ulf K.: Wie schon gesagt, empfand ich den Weg schon als recht schwierig. Ich fürchte, daß so manche Lektorin sich nicht vorstellen konnte, daß ich ein Buch für Kinder illustrieren könnte. Bei meinen ersten Kontakten konnte ich ja nur hauptsächlich die Arbeiten zeigen, die ich mit sehr viel Schwarz gezeichnet hatte. Wahrscheinlich wirkte das etwas abschreckend. Die ganze Situation änderte sich dann, als ich anfing, meine Arbeiten von den großen Schwarzflächen zu befreien – zumindest kommt es mir heute so vor.

COMIC!: Heißt das, du hast das Gefühl, als du dich stilistisch etwas angepaßt hast, war es auch einfacher, Bilderbücher zu illustrieren?

Ulf K.: Also tatsächlich habe ich mich nicht stilistisch verändert, um Kinderbücher illustrieren zu können. Mit dem «Exlibris» hatten meine Zeichnungen einen Grad der Schwärze erreicht, wo es im Grunde für mich nicht mehr weiterging.
Ansonsten fand und finde ich es so einfach, Bilderbücher zu illustrieren. Ich denke, Comics zu zeichnen ist eine super Schule für Illustratoren. Man lernt perfekt den Umgang mit Bildern. Man wechselt doch ständig zwischen größeren Szenerien und Bildern, die die Erzählung vorantreiben, und denen, wo nur mal ein Kopf zu sehen ist. Für das Bilderbuch braucht man meist nur die großen Szenerien. Deshalb sind Comiczeichner in der Regel auch gute Illustratoren, während ein guter Illustrator noch lange kein guter Comiczeichner sein muß. Wer immer nur ausgefeilte Szenen darstellt, wird sich damit schwertun, unspektakuläre Bilder zu zeichnen, die die Geschichte vorantreiben.

COMIC!: Der Strich, den du bevorzugst, kann der Ligne Claire zugerechnet werden. Würdest du sagen, daß sich dieser Stil besonders gut für jüngere Leser eignet?

Ulf K.: Für die sehr jungen Leser/Anschauer auf jeden Fall. Die Ligne Claire hat ja was sehr Aufgeräumtes, Ruhiges. Ich denke schon, daß sich das für ein junges Publikum gut eignet, ohne es zu überfordern. Irgendwann spielt das aber wohl nicht mehr eine so große Rolle. Da gefällt es dann, oder eben nicht.

COMIC!: Oftmals entdeckt man comicähnliche Elemente in deinen Kinderbüchern, die aber keine Comics sind. Kommt man mit Comics bei den Verlagen nicht durch, oder welche Gründe hat das für dich?

Ulf K.: Die Verlage habe schon Angst vor dem Begriff Comic. Sie denken natürlich an die Käufer – und das sind eben nicht die Kinder. Kinder lieben Comics – die Erwachsenen nicht, sonst könnten wohl weit aus mehr deutsche Zeichner von Comics leben – und nicht nur, weil sie in einer Tageszeitung erscheinen, sondern, weil sich die Bücher gescheit verkaufen. Allerdings kann man langsam beobachten, wie auch in den Kinderbuchredaktionen der Begriff Graphic Novel sich einnistet. Ich fände es zwar lächerlich, eine Bilderzählung für 4–6jährige Graphic Novel zu nennen, aber wenn es sich verkauft...

COMIC!: Aber das Bilderbuch der Zukunft wird nicht die Graphic Novel für Kinder sein? Hast du also die Erfahrung gemacht, daß das Labeling der Graphic Novel sogar bei Kinderbüchern greift?

Ulf K.: Nein. Bei Kinderbüchern braucht man das Label nicht. Die haben ja auch kein Problem mit der Akzeptanz. Es geht dann schon um Comics. Diese erzählerische Form, die ein Kinderbuchverlag normalerweise niemals ins Programm genommen hätte. Aber seit es das Graphic-Novel-Label gibt, sieht man die Sache anscheinend irgendwie anders.

COMIC!: Mit «Akkuratus2» habt ihr ja quasi einen Comic für die ganz Kleinen gemacht, obwohl das Wort «Comic» nicht draufsteht. Wie hat der Verlag auf diese Form des Bilderbuches reagiert?

Ulf K.: Gut! Es war ja von Anfang an klar, daß es so was werden würde. Allerdings zeigt sich bei diesen Büchern ganz wunderbar, wie schwer es ist, zu den Kindern zu gelangen. Die Eltern, die einen «Akkuratus»-Titel gekauft haben, berichten immer wieder, wie sehr ihre Kinder den kleinen Roboter lieben. Und doch verkaufen sich die Bücher leider gar nicht gut, da viele Eltern sich nicht so richtig angesprochen fühlen. Wir wissen nicht, woran es genau liegt. Aber ich habe es sogar im Bekanntenkreis beobachtet. Ich habe einer Freundin den ersten Band für ihren Sohn geschenkt. Sie fand das Buch «schwierig». So richtig konnte sie mir nicht sagen, was ihr Problem war. Aber irgendwann berichtete sie auf einmal, daß ihr Sohn immer nur den «Akkuratus» aus dem Buchregal zieht und er jetzt wohl doch mal den zweiten Band bräuchte – den ich aber bis jetzt nicht geschenkt habe, denn schließlich lebe ja ich von verkauften Büchern. Aber der Akkuratus zeigt sehr deutlich, was ich oben schon gesagt habe: Kinder lieben Comics!

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
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