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COMIC!-JAHRBUCH 2010

Preisträger 2009
Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation:
«ORANG» 7
Interview mit Arne Bellstorf und Sascha Hommer

Von Felix Giesa

Bereits seit acht Jahren erscheint im Umfeld der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg die Comic-Anthologie ORANG. Handelte es sich anfänglich noch mehr um ein Fanzine, verlegte man bereits die vierte Nummer im eigens gegründeten Kiki Post Verlag und kooperiert seit der sechsten Ausgabe mit dem Berliner Reprodukt Verlag. Redaktioneller Rahmen für alle Nummern ist dabei jeweils ein vorgegebenes Thema, welches in sämtlichen Beiträgen in einer beeindruckenden Vielzahl an Möglichkeiten ausgelotet wird.

Mit seiner siebten Ausgabe hat sich ORANG endgültig von der reinen Hamburger Comic-Anthologie hin zu einer internationalen Comic-Schau gewandelt. In der auf dem Münchener Comic Festival ausgezeichneten Nummer sieben, mit dem verheißungsvollen Titel «The End of the World», finden sich neben den einheimischen üblichen Zeichnern wie Arne Bellstorf, Verena Braun und Moki, auch Beiträger aus Finnland, Frankreich, der Schweiz, den USA und Hongkong. Das Niveau der einzelnen Comics ist seit Anfang gleichbleibend hoch, was wirkliche Überraschungen natürlich erschwert. Umso erfreulicher ist, daß dies teilweise immer noch gelingt. So etwa mit dem Comic «Nona» von Marijpol. Die Wucht und Dramatik, welche die Geburt eines Kindes für ein gesamtes Umfeld haben kann, versinnbildlicht sie hier auf wenigen Seiten. Ihre flüchtigen und kräftigen Zeichnungen verschaffen dem Betrachter einen Einblick in einen seltsamen, im Entstehen befindlichen, Künstlerkosmos mit einem eigenwilligen Figureninventar. Man darf gespannt sein auf mehr.
Eine weitere Überraschung war «Das Ende meiner Welt» von Hok Tak Yeung aus Hongkong. Die schwarzweißen, expressiven Aquarell-Bilder stellen einen angenehmen Kontrast zu sonstiger Fernost-Comicware dar. Gleiches gilt für seine Geschichte, die mit der Erzählung über den letzten Tag eines zum Tode Verurteilten fernab etablierter Manhua-Wege steht.
Mit Herausgeber Sascha Hommer und Redakteur Arne Bellstorf entstand nachfolgendes E-Mail-Interview.

COMIC!: Hat es euch sehr überrascht, nach der siebten Ausgabe von ORANG nun auf einmal mit dem ICOM-Sonderpreis ausgezeichnet worden zu sein?

Sascha Hommer: Tatsächlich hatten wir mit dieser Auszeichnung nicht gerechnet. Es wäre eher passend gewesen, den Preis für eine der früheren Ausgaben zu bekommen, als wir die Bücher noch selbst verlegten. Aber wir hatten unser Produkt damals nicht immer für den Preis eingereicht, auch weil wir nicht wußten, daß der ICOM-Preis dotiert ist.

COMIC!: Wie fing das alles an mit ORANG?

Sascha Hommer: Ich habe ORANG gegründet, als ich Student an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg war. Damals fand ich, daß die Studenten viel zu wenig Eigeninitiative zeigten. Also suchte ich mir einige Mitstreiter, denn es schien mir auch etwas riskant, ein Comicmagazin ganz alleine aufzuziehen. Mit der Zeit hat sich dann eine mehr oder weniger feste Gruppe von Zeichnern um das Projekt festgesetzt. Ein Magazin selbst zu machen war für mich eine Fortsetzung des Studiums mit anderen Mitteln. Als Student hatte man früher sehr viel Freizeit, dagegen habe ich versucht anzugehen.

Arne Bellstorf: Ich bin erst seit der dritten Ausgabe dabei. Es gab damals schon noch andere studentische Projekte, auch ein anderes Comic-Magazin und eine Gruppe, die sich nach zwei Heften wieder aufgelöst hat. Irgendwie haben sich die Leute mit genügend Ehrgeiz und Ausdauer dann in ORANG wiedergefunden. Ich war am Anfang aber schon skeptisch, weil über Saschas Person und seinen Führungsstil bereits einige Gerüchte im Umlauf waren. Ich glaube, es brauchte eine Weile, bis sich die richtigen Leute gefunden hatten und auch die Chemie innerhalb der Gruppe stimmte, bis klar war, daß ORANG längerfristig funktionieren würde.

Sascha Hommer: Die Gerüchte entsprachen übrigens der Wahrheit, insbesondere diejenigen über meine Person.

COMIC!: Inwiefern? Ich kann mir kaum vorstellen, daß du ein despotisches Regime führst ...

Sascha Hommer: Damals schon. Aber dann kamen ja Arne, Line und Till dazu, und seitdem haben wir uns alle furchtbar lieb.

COMIC!: Wer war damals alles dabei und ist es heute noch?

Arne Bellstorf: Der feste Kern aus der Hochschulzeit besteht aus Klaas Neumann, Till Thomas, Line Hoven, Verena Braun und uns beiden. Moki ist jetzt seit drei Ausgaben regelmäßig dabei, und fällt damit auch schon unter diese Kategorie würde ich sagen.

COMIC!: Nun ist eine Comic-Anthologie ja keine neue Erfindung. Habt und hattet ihr Vorbilder, denen ihr nacheifert? Was sind auf dem aktuellen Markt eure Favoriten (bezogen auf Anthologien)?

Sascha Hommer: Ein Vorbild war für mich das Schweizer Comicmagazin STRAPAZIN. Dort hatte ich als Student immer wieder interessante Arbeiten und künstlerische Ansätze entdeckt, die mir sonst verschlossen geblieben wären. Das war meine Idee: auf Entdeckungsreise gehen, und die gefundenen Schätze der Öffentlichkeit präsentieren. Zu Beginn allerdings beschränkt auf das studentische Umfeld in Hamburg, später zunächst auf deutsche Zeichner.

Arne Bellstorf: Inzwischen ist der Markt für Anthologien ja international. CANICOLA aus Italien oder GLÖMP aus Finnland veröffentlichen wie wir in englischer Übersetzung, und der Austausch an Zeichnern zwischen diesen Projekten hält nun schon eine ganze Weile an. Da besteht natürlich die Gefahr, austauschbar zu werden. Im Moment sehe ich daher eher das Bedürfnis, sich abzugrenzen. Dafür ist natürlich dieser feste Zeichnerstamm wichtig, der bleibt, und für Kontinuität sorgt.

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Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2010
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www.orang-magazin.net
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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2009
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