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COMIC!-JAHRBUCH 2010

Immer weiter, immer größer
Das 16. Internatione Trickfilm-Festival Stuttgart

Von Burkhard Ihme

Der große Eklat des diesjährigen Internationalen Trickfilmfestivals in Stuttgart wäre fast unbemerkt geblieben. Hätte der Veranstalter anstelle des zurückgezogenen Trailers für den Internationalen Wettbewerb einfach (wie an den folgenden Tagen auch) einen anderen Trailer gezeigt, wäre diese Selbstzensur keinem Besucher aufgefallen. So diente die entstandene Lücke (der rund einminütige animierte Clip illustriert auf spielerische Weise bunte Zwergenfiguren in der Stuttgarter Innenstadt beim Gotcha-Spielen [Markierung von Personen und Gebäuden per Luftdruck und Farbmunition] und war wegen der Ereignisse am 11. März in Winnenden aus Pietätsgründen aus dem Programm genommen worden) einem Hinweis auf eine Podiumsdiskussion mit Medienexperten und Kreativen. Der Trailer wurde nicht gezeigt, allerdings zierte das Gotcha-Motiv weiterhin Programmheft und Festival-Plakat.

Erfreulicher war das 20-jährige Bestehen der Stuttgarter Trickfilmschmiede «Studio Film Bilder» (das wohl am häufigsten gezeigte ihrer Werke ist der tanzende Regenschirm für den ZDF-Wetterbericht, weltweit am erfolgreichsten die Trickfilm-Sequenz in «Lola rennt»), die Thomas Meyer-Herrmann nach Studium und mehreren Jahren als Lehrbeauftrager an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste mit einem Team ehemaliger Studenten gründete. Filme des Studios waren nicht nur immer wieder auf dem Festival als Teil verschiedener Wettbewerbe und Präsentationen zu sehen, sie gewannen auch weltweit über 100 Preise, nur ausgerechnet nie in Stuttgart. Dies ist umso erstaunlicher, da es das Stuttgarter Trickfilmfestival ohne Thomas Meyer-Herrmann höchstwahrscheinlich nie gegeben hätte, denn es wurde zur Präsentation der Studentenarbeiten an der Trickfilmklasse von Professor Albrecht Ade gegründet (auch zwei Filme des Autors dieser Zeilen erlebten so einen ihrer raren Aufführungen). Und Thomas‘ Erstlingsfilm «Strip» war bereits in Annecy gezeigt und für die Kompilation der besten Filme ausgewählt worden (sein zweiter und vierter Film, «Dauerlauf» und «Flammender Pfeil im Reich der schnellen Bilder», gewannen dann auch Preise bei den ersten und zweiten Stuttgarter Festivals), was den Plänen seines rührigen Professors den nötigen Rückenwind verlieh. Mittlerweise ist das markante Konterfei des Studiogründers bundesweit bekannt, und zwar in der Gestalt von Tom, der immer wieder (bisher 52 mal) Lust auf ein Erdbeermarmeladebrot mit Honig bekommt. Ein solches wurde zur Feier des Juiläums dann auch angeschnitten.
In den Monaten vor dem sechstägigen Fenstival sichteten fünf Vorauswahljurys 1.885 Beiträge aus 63 Ländern für sämtliche Wettbewerbe. 44 kurze oder längere Animationsfilme (zwischen 1:15 und 29:00 Minuten) konkurrierten in der Sektion «Internationaler Wettbewerb», 53 der knapp 700 Einreichungen wurden im Wettbeweb «Young Animation» gezeigt. Insgesamt waren 670 Beispiele des künstlerischen und unterhaltenden Animationsfilms zu sehen. Neben dem rein künstlerischen Animationsfilm widmete sich das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart auch jenen kurzen Filmbeiträgen, die in den Sparten Musikvideo, TV-Trailer und Werbespot als Auftragsarbeiten realisiert wurden. Knapp 300 internationale Clips wurden eingereicht, von denen sich 36 Filme für den Preis für die beste Auftragsarbeit «Under Commission» qualifizieren konnten. Das Preisgeld stieg auf 57.500 € in 11 Kategorien (2008 waren es 52.500 € in 10 Kategorien – dafür entfiel diesmal ein Sachpreis). Möglich machte dies auch ein Mehr an Sponsoren von etwa 20% (trotz der weltweiten Finanzkrise).
Die Film- und Medienbörse (fmx) findet sein 1994 statt und wagte bereis 1999 die Umstellung auf eine jährliche Durchführung. Nachdem die anfangs parallel laufende Veranstaltung ab 2002 im Anschluß an das Trickfilm-Festival terminiert wurde, erfolgte in diesem Jahr der Rücksturz zur Gleichzeitigkeit. Der von ITFS und «fmx» (mit vollem Namen «fmx/09 – 14th International Conference on Animation, Effects, Games and Digital Media») veranstaltete Branchenevent «Animation Production Day» wurde (deutlich gestärkt vor allem durch erstmalige Zuschüsse seitens des baden-württembergischen Staatsministeriums) auf 3 Tage ausgedehnt und brachte 56 Animationsunternehmen aus elf Ländern zusammen, wobei 28 Markenprojekte aus den Segmenten Spielfilm, TV-Serie, Games und Internet vorgestellt wurden und in mehr als 600 konzentrierten One-to-One-Meetings das Marktpotenzial von knapp 30 Projekten mit einem Produktionsvolumen von 140 Mio. Euro vermittelt wurde. Dabei wurden unter dem neu geschaffenen Fokus auf Animationsmarken neben Spielfilmprojekten erstmals auch Serienprojekte, Games und Mobile Content berücksichtigt, wie der künstlerische Geschäftsführer des Festivals, Ulrich Wegenast, ausführte.
Durch diese enorme Programmerweiterung hat das Trickfilmfestival endgültig den Charakter einer großen Messe wie etwa die Funkausstellung angenommen, ohne Laufpublikum allerdings. Die Besucher suchten sich aus dem reichaltigen Angebot (allein 31 Wettbewerbsprogramme – plus Wiederholungen – in 9 Kategorien, dazu 51 Zusammenstellungen und Präsentationen – ebenfalls mit einigen Wiederholungen, die Opern-Air-Screenings gar nicht mitgezählt – sowie 7 Vorträge und weitere Veranstaltungen wie Workshops und Werkstattgespräche) das sie Interessierende aus und hatten beste Chancen, sich während der sechs Tage niemals über den Weg zu laufen. Es sei denn, sie konzentrierten sich auf die Veranstaltungen in den beiden größten Kinosälen, wo der «Internationale Wettbewerb», der Studenten-Wettbewerb «Young Animation», das «Panorama»-Programm (Filme, die es knapp nicht in die Wettbewerbe schafften), der Rückblick «Best of Animation», drei «Disney Lectures» betitelte Vorträge und die Schulpräsentationen gezeigt wurden.
Weitere, meistens in den drei Sälen und dem Foyer eines nahegelegenen Kinos stattfindende Veranstaltungsreihen waren die Wettbewerbe «Tricks for Kids» (und einige Workshops für Kinder), «AniMovie (das in «Kids» und in nicht weiter bezeichnete, aber erst nach 20 Uhr gezeigte Filme zweigeteilte Langfilmprogramm), die sogar in «Kids», «Adult», «Pre-School» und «Family» spezifizierten «Animated Series» sowie die Retrospektive-Reihe «In Persona» und die historische Reihe «Prosit» zu 100 Jahren deutschem Animationsfilm, fünf Studiopräsentationen und, zumindest was die geographische Ausdehnung betrifft, recht ungleichgewichtige regionale Zusammenstellungen aus Tschechien, Baden-Württemberg, Afrika und Großbritannien.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2010
Links zum Artikel

Festivalbeiträge im Internet


Muto
von Blu
Italien 2008
Produktion: Mercurio Film SRL

Rabbit Punch
von Kristian Andrews
Großbritannien 2008
Produktion: Animation Staff, R.C.A.

Skhizein
von Jeremy Clapin
Frankreich 2008
Produktion: Dark Prince
Making of

Never drive a car when you‘re dead (Trailer)
von Gregor Dashuber
Deutschland 2009
Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (HFF)

The Happy Duckling (Trailer)
von Gili Dolev
Deutschland/Großbritannien 2008
Produzent: Gili Dolev

Mary and Max (Trailer)
von Adam Elliot
Australien 2008
Produzent: Melodrama Pictures

Idiots and Angels (Ausschnitt)
von Bill Plympton
USA 2008
Produktion: Plympton Studio

Audi: Unboxed
Von Aaron Duffy und Russell Brooke
Großbritannien 2009
Produktion: Passion Pictures

Quest
von Thomas Stellmach und Tyron Montgomery

Tsumiki no Ie La maison en petits cubes/Das Haus der Bauklötze)
von Kunio Kato, Japan

Monsieur Cok
von Franck Dion, Frankreich

Phantom of the Cinema (Trailer)
Erik van Schaaik, Niederlande
Making of

Die schiefe Bahn (Ausschnitt)
von Jim Lacy und Kathrin Albers

Slavar (Slaves) (Ausschnitt)
von Hanna Heilborn und David Aronowitsch

Baader-Meinhof-Komplett
von Jon Frickey und Till Penzek
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Oktober 2009
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