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COMIC!-JAHRBUCH 2010

Primär Sekundär
Neue Comic-Sekundärliteratur
aus Deutschland

Von Christian Endres

Comics sind in Deutschland trotz aufpolierter Prä-senz in den Medien und den Buchläden immer noch ein gerne verkanntes Thema. Dennoch gibt es – wie nicht allein dieses Jahrbuch beweist – allerhand Menschen, die sich fachlich und sogar wissenschaftlich mit dem Comic beschäftigen. In den letzten Monaten war es dabei nicht nur so, daß deutsche Zeitungen und deren Online-Portale Comics verstärkt mit Artikeln und sogar eigenen Rubriken gewürdigt haben. Auch klassische, in Buchform veröffentlichte Sekundärliteratur made in germany war zuletzt wieder deutlich auf dem Vormarsch, da u. a. diverse Arbeiten aus dem Uni-Umfeld den Sprung in den Druck und zur ISBN (Internationale Standardbuchnummer) schafften. Und das zu einer Zeit, da der Comic im filmischen Mainstream und dank des geschickt initiierten Spätzünder-Hypes um die «Graphic Novel» erfolgreicher ist denn je. Ob es hier einen Zusammenhang gibt? Und kann man schon von einem neuen Trend zu deutscher Comic-Fachliteratur außerhalb von Jahrbüchern, Magazinen und Fanzines sprechen? Ein Blick auf die Sekundärliteraturpublikationen zwischen Sommer 2008 und 2009. Außerdem kommen Verleger und Autoren zu Wort.


Grundgedanken

Natürlich ist die Beschäftigung mit Comics in Form von Sekundärliteratur auch im deutschsprachigen Raum nichts Neues. Publikationen wie das «COMIC!-Jahrbuch», Magazine wie die Comixene und die Sprechblase, Fanzines, Websites, Preis- und Ausstellungs-Kataloge – das alles gibt es seit Jahren in erfreulich guter Qualität und Regelmäßigkeit. Aber ein Buch ist so rein formal eben doch etwas anderes. Deshalb soll das Hauptaugenmerk dieses Artikels auf einer Auswahl an deutschen Comic-Sekundärwerken liegen, die im Beobachtungszeitraum als eigenständige Veröffentlichungen in Buchform herausgebracht wurden.


System-Analyse

Mit Jamiri-Cover kam im September 2008 Jakob F. Dittmars «Comic-Analyse» im Paperback der Konstanzer UVK Verlagsgesellschaft daher. Dittmar habilitierte 2007 mit dem vorliegenden Werk als Medienwissenschaftler an der Technischen Universität Berlin, wo er aktuell auch als wissenschaftlicher Assistent arbeitet. In seinem Buch isoliert und analysiert er die einzelnen Stilmittel des Comics und macht sich an eine Systematisierung der Formsprache des grafischen Erzählens. Im Vordergrund stand für ihn dabei, wie «Inhalte comicspezifisch erzählt werden», wie er in der Einleitung schreibt – also die Gegenüberstellung von grundliegender Funktionsweise und dennoch vorhandener Unterschiedlichkeit aller Bildergeschichten unter dem gegebenem Inventar.
«Privates Interesse, natürlich, war Grundlage der Auseinandersetzung mit Comics», erzählt Dittmar über seine Beziehung zum Comic und die Hintergründe seiner Analyse. «Gute Erzählungen läßt man sich ja in egal was für einem Medium gerne gefallen. Aber Auslöser der systematischen Auseinandersetzung war vor allem die Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kommunikationsdesign. Studierende wollten Comics machen, und es gab keine guten Grundlagen zur Analyse und Planung von Comics. Was es gab, waren einzelne Bausteine aus den 1970ern und von McCloud, aber der zeigt auch nur Bilder, und die sagen ja nun mehr als 1000 Worte. Er drückt sich ums Beschreiben dessen, was geschieht. Das ist gut zum Ansehen, aber schlecht, wenn man Dinge beschreiben, diskutieren und ausarbeiten will, weil die sprachliche Ebene eben auch Gedanken viel klarer machen kann (nicht muß, das ist leider auch wahr ...).»
Daß Dittmars Comic-Analyse ausgerechnet 2008 – im Schatten von Blockbustern wie «The Dark Knight» und «Iron Man» und dem noch einmal bestärkten Trend zur «Graphic Novel» – erschien, war jedoch blanker Zufall. «Das Buch war bereits 2006 fertig, aber die Uni brauchte eine Weile, bis mein Habil-Verfahren abgeschlossen war, und dann hat die Aufarbeitung für die Publikation auch noch mal Zeit gefressen.» Mit den Superhelden und ihren Kinoausflügen hat es Dittmar ohnehin nicht so: «Die ganzen Superhelden-Verfilmungen interessieren mich nicht die Bohne, weil mich diese serialisierten Helden nicht interessieren. Ist nicht mein Genre. Frei nach Frank Miller: &Mac220;Das ganze Superhelden-Genre leidet an Verstopfung&Mac221;. Comic-Verfilmungen per se sind natürlich Filme und keine Comics. Anderes Medium, anderes Erzählen. Und die Freiheiten des Comics – die eigene Leistung des individuellen Lesers und seiner Phantasie – sind im Film nicht möglich, nicht gefragt. Eine marktwirtschaftlich interessante Gleichschaltung von Vorstellungswelten. Superhelden-Filme basieren auf eingeführten Produkten, nicht auf wichtigen oder gar aktuellen Themen, die für die Medienauswahl entscheidend sein könnten. Für die Filmindustrie sind in Bildern umgesetzte, bereits erfolgreich publizierte Geschichten Drehbuchvorstufen, die ihre visuellen Qualitäten schon gezeigt haben, also weniger Risiko bedeuten. Etablierte Figuren ziehen – so hoffen die Werbeabteilungen – auch mehr Leute wegen des Wiedererkennens, egal, daß die meisten Superhelden zwar irgendwie bekannt sind, aber kaum einer deren Geschichten kennt oder wirklich verfolgt. Und für die Rechteinhaber sind die immensen Merchandising- und anderen Auswertungsmöglichkeiten ein Hauptgrund für die vielen Superheldenverfilmungen in den letzten Jahren. Da ist mehr Gewinnspanne möglich, als wenn man mit realen Schauspielern teilen muß (z. B. Captain Sparrow aus &Mac220;Piraten der Karibik&Mac221; ist sehr an Johnny Depp gebunden, Superhelden aber nicht an bestimmte Schauspieler).»

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2010
Nachtrag

Ditschke, Stephan/Kroucheva, Katerina/Stein, Daniel (Hrsg.): Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populären Mediums, Bielefeld: Transcript 2009, ISBN 978–3–8376–1119–9.

Mit dem Caveat, daß ich selbst drin vorkomme und also befangen bin: Mir scheint der Band überaus gelungen, mit einer sehr breiten Auswahl verschieden orientierter und fast durchwegs spannender Beiträge, die gemeinsam einen überraschend breiten und dichten Überblick ergeben. Insbesondere ist ausnahmsweise einmal auch die Einleitung lesenswert, die keineswegs nur eine längere Inhaltsangabe mit schmückenden Worten liefert, sondern eine unaufgeregte und meines Erachtens einleuchtende Vermittlung zwischen verschiedenen Definitionen und Beschreibungen der Kunstform vorstellt.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2009
240 Seiten S/W
EUR 15,25
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