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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Herausragendes Artwork:
«Luna» von Toni Greis und Rochus Robi Hahn
Interview mit Toni Greis

Von Marius von der Forst


Es war an einem Samstag. Ein wunderschöner Sommertag neigte sich langsam dem Ende zu. In
ganz Deutschland brutzelten die Würstchen auf dem Grillrost, die Biergärten waren überfüllt, und so mancher suchte Erfrischung in Seen und Freibädern. Auch der Illustrator und Comiczeichner Toni Greis entspannte sich an jenem Abend mit einigen Freunden in einem Braunschweiger Park.
Eigentlich nichts Sonderbares. Doch etliche Kollegen seines Schlages verzichteten just in jenem Moment – die Luft in der Stadthalle des weit entfernten München war über den Tag immer stickiger geworden – vorerst auf ihre wohlverdiente Erfrischung im Schatten eines Biergartens und verfolgten schwitzend und gespannt die Vergabe des diesjährigen ICOM Independent Comic Preises. Doch in Braunschweig hatte man währenddessen ganz andere Sorgen: Das Bier war alle! Toni machte sich auf, Nachschub zu kaufen. Da klingte das Mobiltelefon – sein Kollege Rochus «Robi» Hahn war dran. «Zuerst dachte ich, er will mich verarschen», erinnerte sich Toni später. «Erst, als ich den Beifall des Publikums im Hintergrund hörte, konnte ich es glauben.»

Toni Greis wurde an jenem Abend für das «herausragende Artwork» seines Comics ««Luna»» gekürt. Eine Neuigkeit, die Robi, der Autor der Science-fiction-Serie, nicht länger verschweigen wollte und seinem Kollegen noch von der Bühne aus per Telefon mitteilte. Toni sagte später: «Da es meine erste Auszeichnung und zudem die erste gute Nachricht seit langem war, freute ich mich sehr darüber.»
Toni Greis, Jahrgang 1973, gehört zu der Gruppe deutscher Comickünstler, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Ins Rampenlicht der Comicszene schaffte es der ausgebildete Illustrator jedoch erst mit Hilfe seiner Erotikserie «Alraune». Zuvor konnte man Greis’ Werke in Horrorpublikationen wie EXTREM des Verlags Extrem Erfolgreich Enterprises und MENSCHENBLUT von Eisenfresser Comix begutachten. Über MENSCHENBLUT hat Toni Greis auch Robi und Michael «Mille» Möller kennengelernt, die den osthessischen Verlag Schwarzer Turm gegründet haben. So startete dort 2001 die von Robi geschriebene Serie «Alraune». Die Geschichte handelt von der jungen Dinah, die von einem unstillbaren Fluch belegt ist, der sie an nichts anderes denken läßt als an Sex. Die pornografische Comicreihe endete vier Jahre später erfolgreich mit der achten Ausgabe.
Derzeit arbeitet Toni Greis sehr intensiv an dem folgenden Projekt «Luna», bei dem ebenfalls Robi die Skriptfeder schwingt. Bei dieser Science-fiction-Serie verläßt Greis ein wenig die zügellosen Gefilde der Pornografie und erzählt die dramatische Liebesgeschichte zwischen der jungen Frau Puni und dem Raumfahrttechniker Trinar. Bereits schon zu Ende der ersten Ausgabe ist klar, daß ««Luna»» sich mit ernsteren Themen auseinandersetzt als mit dem unbändigen Sextrieb.


COMIC!: Robi wollte bei «Luna» in den Hintergrund treten und dir dabei den Vortritt lassen. Immerhin steht auf dem Cover nur dein Name – Robi wird da gar nicht erwähnt. Ist die Story denn auch dir zu verdanken oder warst du nur für die grafische Umsetzung strikt nach Robis Vorlage zuständig?

Toni Greis: Auf das, was auf dem Cover steht, habe ich keinen Einfluß. Wenn Robi nicht mit aufs Cover will, kann ihn niemand zwingen. Ich habe auch einen anderen Schriftzug vorgeschlagen, aber Mille ist da die letzte Instanz. Aber die Story wurde von mir eins zu eins nach Robis Script umgesetzt. Ab und zu kürze ich den Text ein wenig oder ändere ein Wort, wenn es meiner Meinung nach zu lasch rüberkommt. Doch bei den Figuren berücksichtige ich Robis Wünsche. «Luna» ist ja immerhin seine Geschichte.

COMIC!: Neben deinen beiden großen Comicprojekten «Alraune» und «Luna» gibt es aber auch andere, kleinere Geschichten von dir. Da wäre zum Beispiel der Comic «... so ein Hundeleben», der auf Spiegel Online veröffentlicht wurde. Wie bist du auf diese sehr depressive Story gestoßen?

Toni Greis: Das war ein Wettbewerb und der erste Preis brachte 2.000 Mark ein. Das vorgegebene Thema hieß halt «Hundeleben». Da ich damals schon ein Hundeleben führte, schien mir das Thema passend und ich zeichnete einfach meinen Alltag.

COMIC!: War dein Alltag wirklich so deprimierend?

Toni Greis: Ja, mir wurde nicht nur einmal Strom und Heizung abgedreht. Und ich weiß auch, wie es ist, sich eine Woche nur von Reis zu ernähren. Diese Geschichte ist also sehr authentisch. Am Schluß wird mein Comic-Ich von einem roten Auto überfahren. Für die Person am Steuer diente mir als Vorlage meine damalige Freundin, dich mich verlassen hatte. Ich weiß noch, als sie kurz da war, um ihre restlichen Klamotten abzuholen. Ich gab ihr wortlos die Comicseiten und ging aufs Klo. Zuerst hörte ich sie lachen. Als ich wiederkam, saß sie da mit dem Comic in der Hand und heulte.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
248 Seiten S/W
EUR 15,25
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