Los tebeos mueven España der spanische Comic-Markt bleibt in Bewegung
Von Christof Ruoss
Marvel verschwindet von spanischen Kiosken; DC erobert diesen Vertriebsweg erneut; Disney kehrt auf den spanischen Markt zurück; Buchformat setzt sich endgültig durch; der Titelausstoß der Verlage explodiert, und last but not least spanisches Kultur-Ministerium ruft den «Nationalen Comic-Preis» ins Leben kaum drei Jahre sind seit unserem letzten Bericht zum spanischen Comicgeschehen vergangen, und doch hat sich die Landschaft in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit so grundlegend verändert wie selten zuvor in der spanischen Comic-Historie.
Bereits im Nachsatz zu unserem Beitrag im COMIC!-Jahrbuch 2005 nahmen wir den angekündigten Antritt des Verlagsmultis Panini zum Anlaß, mögliche tiefgreifende Umwälzungen für die spanische Comic-Verlagsszene zu prognostizieren. Das Szenario schien klar und der erste Ausblick, den wir damals wagten, bewahrheitete sich dann auch postwendend in nahezu allen Punkten
und doch fielen die Ergebnisse der Umwälzungen an vielen Stellen ganz anders aus als von den meisten erwartet
Was war geschehen?
Zu Anfang des neuen Jahrtausends hatte sich (wie berichtet) der spanische Comicmarkt am Kiosk und im Buchhandel auf für hiesige Verhältnisse ausreichend stabilem Niveau eingependelt; die Machtverhältnisse schienen klar, Manga hatte nahezu allen Beteiligten eine spürbare Vitaminspritze verschafft und vor allem zu einem Paradigmenwechsel im Vertrieb wie auch im Kaufverhalten spanischer Comicfans geführt, den nicht nur die etablierten Großverlage sondern auch und vor allem eine ganze Reihe unabhängiger, in den ersten Jahren des Jahrtausends neu hinzugekommener Kleinverlage erfolgreich für ihre Belange zu nutzen verstanden.
Bis zu diesem Zeitpunkt teilten sich vor allem zwei «Mitspieler» den großen Mainstream-Kuchen: Planeta de Agostini versorgte als unangefochtener Marktführer die spanischen Kioske (und natürlich auch Buchhandlungen und Comic-Shops) mit allem, was den Planeta-Redakteuren aus dem Katalog der Marvel-Lizenzen attraktiv und erfolgversprechend schien (darunter, neben den regulären Heftserien, auch eine liebevoll editierte Classic-Bibliothek, die es neuen und alten Fans ermöglichte, die Geschichte zahlreicher klassischer Helden chronologisch von ihren ersten Schritten bis zum heutigen Tag wiederzuentdecken). Dies wurde möglich, da Panini alleiniger Rechtehalter aller Marvel-Lizenzen für Europa bislang nicht selbst auf dem spanischen Markt präsent gewesen war.
Während Marvel also vor allem am Kiosk und mit der klassischen Form des Comic-Hefts Erfolge feierte, ging der Verlag Norma mit seinen DC-Lizenzen den entgegengesetzten Weg: Anstatt sich in einem ermüdenden Kampf um die Vormachtsstellung am Kiosk mit dem ungleich potenteren Verlag Planeta aufzureiben, setzte man auf ein kleineres Programm ausgesuchter und edel aufgemachter Buchausgaben und Trade-Paperbacks, welches zwar einen großen Teil des theoretisch verfügbaren DC-Materials außen vor lassen mußte, investitionsbereite Fans jedoch durch die liebevolle Verarbeitung zufriedenzustellen wußte. (Um nun kein falsches Bild entstehen zu lassen sei hier allerdings angemerkt, daß Planeta selbstverständlich neben der Kioskvertriebsschiene ebenfalls das hochpreisige Buchhandelssegment mit ausgewähltem Material aus dem Marvel-Portfolio abdeckte).
Natürlich hatte das Aufkommen der Manga und deren Stabilisierung als zweite feste Größe des Mainstreams sowohl Planeta als auch Norma die Möglichkeit gegeben, ihre Aktivitäten auf ein weiteres, stabile Absatzgrößen versprechendes Standbein zu stellen und darüber hinaus auch neue Verlage als Mitspieler im Massenmarkt auf den Plan gebracht. Doch die US-Superhelden behaupteten nach wie vor ihre Vormachtsstellung und somit brauchte, wer ganz vorne mit dabei sein wollte, eben einen Teil dieses Kuchens.