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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Von Vampiren und anderen Unsterblichen
Ein Interview mit Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant

Von Michael Hüster

Die Comic-Adaption des ersten Teils von Wolfgang Hohlbeins Fantasy-Bestseller-Reihe «Die Chronik der Unsterblichen» wurde auf der Frankfurter Buchmesse 2005 mit dem «Sondermann» ausgezeichnet. Und in der Tat «Ausgezeichnet» ist das Album, das Thomas von Kummant (Zeichnungen) und Benjamin von Eckartsberg (Szenario), beide Künstler der Ateliergemeinschaft «Artillerie München», Hohlbeins Roman zur Seite gestellt haben.

Auch die kritische Comic-Nation Frankreich zeigt große Begeisterung für die dortige Lizenzausgabe. Die beiden Autoren arbeiten zur Zeit an Band 2 von «Am Abgrund». Um die Wartezeit bis zur Veröffentlichung des neuen Albums zu verkürzen, erschien inzwischen ein «Making of»-Buch zum Comic, das mit einer Vielzahl von Abbildungen (Modelsheets, Bewegungsstudien, Kostümentwürfe, architektonische Designs, Landschaftsentwürfe etc.) eindrucksvoll die visuelle Entwicklung des Comics dokumentiert.
Im nachfolgenden Interview geben Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg u. a. Einblick in die Entstehungsgeschichte der Comic-Adaption und schildern ihre Arbeit rund um «Die Chronik der Unsterblichen». 

COMIC!: Was war die Initialzündung für das Comic-Projekt «Chronik der Unsterblichen», wann war das und wie kam es zu eurer Einbindung?

Benjamin von Eckartsberg: Durch unsere Zusammenarbeit von 1999 an dem Comicalbum «Goethe 2 – Zum Schauen bestellt» hatten wir Kontakt zum Ehapa Verlag. Thomy war 2001 auf der Suche nach einem Stoff für einen weiteren Comic. Also fragte er Michael Walz, den damaligen Chefredakteur von Ehapa, warum dieser nicht Autoren aus dem Egmont-Verlag, zu dem Ehapa gehört, mit deutschen Zeichnern zusammenbringen kann. Der Vorschlag wurde ernstgenommen, und nach einer Weile machte Michael Walz ihm das Angebot, «Die Chronik der Unsterblichen» von Wolfgang Hohlbein als Comic umzusetzten.
Thomy las die Bücher, war von deren visuellem Potential sehr angetan und sagte zu. Der ursprüngliche Plan, daß Wolfgang Hohlbein das Comic-Skript selbst schreibt, wurde aber aus Termingründen wieder verworfen. Außerdem ist er kein großer Comicleser, wodurch ihm die Gesetzmäßigkeiten dieses Mediums also nicht allzu vertraut sind. Aufgrund eines Comic-Szenarios, das ich für mich selbst geschrieben hatte, traute Thomy mir zu, den Stoff auf eine Art zu adaptieren, die ihm zusagen würde. Also schlug er mich vor, und so kam das Projekt zustande.

COMIC!: Seit wann seid ihr als zeichnende und schreibende Comic-Künstler bzw. Grafiker/Illustratoren tätig? Gab es bereits gemeinsame Arbeiten?

Benjamin von Eckartsberg: Ich habe 1993 parallel zu meinem Kommunikationsdesign-Studium an der FH in München angefangen, als Illustrator für Werbung, Verlage, Film und Fernsehen zu arbeiten. Erste Veröffentlichung im Comicbereich war die Zusammenarbeit mit Thomy an dem Goethe-Comic, den ich koloriert habe. Für die Zeitschrift Maxim habe ich von 2002 bis 2004 den monatlichen Comic «Die wahre Geschichte» gezeichnet, nach Texten der Redaktion. Als Autor habe ich bis jetzt die Adaption von «Die Chronik der Unsterblichen» geschrieben, sowie das Making-of-Buch zum Comic. Arbeiten kann man unter www.eckartsberg-illustration.com und www.voneckartsberg.blogspot.com sehen.

Thomas von Kummant: Während meiner Zeit auf der Deutschen Meisterschule für Mode hatte ich das Glück, von einem wirklich guten Lehrer in Akt und Figürlichem Zeichnen unterrichtet zu werden: Werner Meier. Ich hatte bis dahin nicht allzu viel gezeichnet und verdanke es seiner Motivation, daß ich dabeigeblieben bin. Nach dem Abschluß 1998 habe ich angefangen, für Werbung, Zeitschriften, Verlage und Film zu arbeiten und erste Comics in dem Münchener Comic-Fanzine «Comicaze» veröffentlicht, um in diesem Bereich Erfahrung zu sammeln. 1999 bin ich der Ateliergemeinschaft «Die Artillerie» beigetreten, wo ich als erstes den Goethe-Comic gezeichnet habe. 2002 folgte dann «Chronik der Unsterblichen».

COMIC!: Benjamin, wie ist es dir gelungen, den umfangreichen Romanstoff in ein komprimiertes Comic-Szenario umzusetzen?

Benjamin von Eckartsberg: Zuerst einmal habe ich eine Storyline des ganzen Romans erstellt, d.h. von jedem Kapitel eine knappe Zusammenfassung geschrieben, um einen besseren Überblick über die Handlung zu bekommen. Wir hatten uns für eine epische und filmische Erzählweise entschieden, und die braucht sehr viel Raum. Also habe ich alle Handlungsstränge rausgekürzt, die für den Hauptverlauf der Handlung nicht dringend notwendig sind. Vor allem im Hinblick auf die nachfolgenden Romane. Für die durch die Kürzungen entstandenen Handlungslücken habe ich neue Übergänge und neue Szenen geschrieben. Außerdem habe ich emotionale Straffungen durchgeführt und einigen Figuren neue Handlungsfunktionen zugewiesen.
Ein Beispiel: Andrej Delany findet im Roman nicht seinen Sohn Marius durchbohrt und gefoltert, aber merkwürdigerweise lebend vor, sondern seinen Onkel Barak. Seinen bereits toten Sohn findet er unter den anderen Leichen der Dorfbewohner. Hätte ich das für den Comic so beibehalten, hätten wir dafür zwei raumgreifende Szenen gebraucht, die sich emotional sehr ähnlich sind. Man kann ja nicht so schnell darüber wegholpern, wenn der Held seinen toten Sohn findet. Das muß richtig bedient werden, damit die Szene wirkt. Aber die Onkel-Szene ist auch wichtig, da diese den ersten Hinweis auf das Thema der Unsterblichkeit enthält. Also raus mit dem Onkel, rein mit dem Sohn. Übrig bleibt eine Szene, in der Andrej statt des Onkels seinen Sohn von seinen Qualen erlösen muß. Das ist nicht nur gebündelter, sondern auch für Andrej ein viel größeres Opfer. Und mehr Druck auf den Figuren ist immer gut, wenn man nur wenig Platz zur Verfügung hat. Die Emotionen und die Informationen bleiben für die Geschichte erhalten, aber man braucht nur eine Szene dafür. Einziges Opfer: Der Onkel. Aber hey, wir können uns ja schließlich nicht um alle kümmern. Zumal der Onkel für den weiteren Verlauf der Geschichte keine Rolle spielt.
Da Wolfgang Hohlbein «Die Chronik der Unsterblichen» durchgängig aus der Sicht Andrejs erzählt, schien mir im Comicmedium die beste Umsetzung davon zu sein, zusätzlich zu den Sprechblasendialogen in den Erzählkästen keinen allwissenden Erzähler, sondern nur die innere Stimme Andrejs wiederzugeben.
Ich habe das Ganze in Drehbuchform geschrieben, das heißt ich habe die Szenen so knapp wie möglich mit Handlungen und Dialogen beschrieben, aber nicht festgelegt, wie viele Panels eine Szene braucht und was in welchem Panel passiert. Die «Regie», also das Seitenlayout, blieb Thomy vorbehalten. Das Skript habe ich an Wolfgang Hohlbein zur Abnahme geschickt, der glücklicherweise keine Änderungswünsche hatte.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
232 Seiten S/W
EUR 15,25
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