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COMIC!-JAHRBUCH 2008

«Ich greife halt in mein Hirn rein»
Interview mit ©TOM

Von Michael Bregel


COMIC!: Schön, daß du Zeit für das Interview gefunden hast. Du bist ja gerade in Richtung Urlaub unterwegs ...

©TOM: Ja, nächste Woche. Der ist jetzt dummerweise ein paar Tage verkürzt, weil meine Freundin doch früher wieder arbeiten muß. Aber ich fahre ja mehrmals im Jahr in Urlaub, insgesamt sechs, sieben Wochen sind es schon bei mir.

COMIC!: Erstaunlich. Du machst seit nun bald 16 Jahren den Tages-Strip «Touché» in der Berliner tageszeitung (taz). Wie kriegst du das trotz Urlaubs auf die Reihe? Die ganze tägliche Routine auch in den Ferien?

©TOM: Früher habe ich das öfter gemacht, aber ich versuche das jetzt zu vermeiden. Ich bin nach drei Tagen dermaßen weg vom Arbeiten, also vom Streifenmachen. Ich brauche auch keinen Stift mehr mitzunehmen, das habe ich früher immer gemacht, jetzt nicht mehr.

COMIC!: Machst du jetzt einfach Strips auf Vorrat?

©TOM: Ja. Na ja, ich habe vor ein paar Jahren zum 10-Jährigen durchgesetzt, daß ich pro Jahr bei der taz auf jeden Fall zwei Wochen freikriege, weil ich gelesen habe, daß Bill Watterson und Gary Larson von den Zeitungen her verpflichtet waren, jedes Jahr vier Wochen Sabbaticals [Auszeit] zu machen. In den USA ist das wohl Vorschrift, daß die sich auch mal ein bißchen erholen. Und dann bringen die Zeitungen alte Sachen, und die werden dann auch bezahlt. Und ich kriege seit ein paar Jahren zwei Wochen frei. Wenn ich dann drei Wochen wegfahre, dann kann ich 10 Tage vorproduzieren.

COMIC!: Diverse Vorwortschreiber in deinen Strip-Sammelbänden, den «Ziegeln», auch verschiedene Achterbahn-Pressemitteilungen rühmen indes, daß du ein gnadenloser, bis zur Selbstaufgabe dir selbst gegenüber brutaler Arbeiter seist. Ich zitiere: «Urlaub, Aussteigen, Krankheit, alles Dinge, die für den im Schaffenswahn gefangenen Hochleistungskünstler nicht existieren.»

©TOM: [lacht] Bei diesen Pressetexten tauchen erstaunlicherweise immer Dinge auf, die 15 bis 16 Jahre alt sind. Ich erkenne die mittlerweile an den Wendungen, die da zusammengeschrieben werden. Z.B.hatte ich jetzt gerade eine Ausstellung, dazu stand in der Presse, daß ich mit dem Faxgerät verreise. Kein Mensch verreist mehr mit einem Faxgerät! Natürlich, wenn ich verreise, dann habe ich einen Laptop dabei und so einen schmalen kleinen Scanner, das geht über das Internet. Ich meine, ich mache ja nicht nur die Streifen, ich habe auch noch verschiedene andere Kunden, deren Sachen ich schlecht vorproduzieren kann, weil ich da meistens Texte kriege, die ich noch bearbeiten muß.

COMIC!: Sind das vor allem Werbeaufträge, oder sind da auch viele Arbeiten dabei, die du aus Spaß und Idealismus machst?

©TOM: Da sind Sachen dabei, die gegen Geld passieren, weil ich es einfach brauche.

COMIC!: Wie läuft das graphisch ab, wenn jemand bei dir eine Werbung in Auftrag geben möchte? Würdest du das auch in derselben Anmutung machen wie die Touché-Strips, oder ist das ein Markenzeichen, das du nicht mit Werbung in Verbindung bringen möchtest?

©TOM: Die normalen Touchés halte ich mir schon für die Zeitung frei, die werden ja auch für verschiedene Zeitungen nachgedruckt, und zum anderen kommen diesbezüglich auch keine Anfragen von der Werbung. Aber wenn sie denn kämen, würde ich die Strips nicht für Werbung benutzen wollen, weil die dann eventuell für Zeitungen, die die nachdrucken wollen, verbrannt sind. Also, das Format mit diesen Streifen übernehme ich möglicherweise schon, aber ich verwende eigentlich nicht meine festen Figuren. Das mache ich nur für die taz. Allgemein, von der Werbung ist schon lange nichts mehr gekommen. Vor zehn Jahren war recht häufig etwas, heutzutage scheinen meine Knollennasen zumindest für die Werbung nicht mehr so interessant zu sein.

COMIC!: Dabei werden die Nasen deiner Figuren immer knolliger, bei den ganz alten Strips waren die Nasen noch deutlich kleiner.

©TOM: Ja, als ich angefangenhabe, habe ich so Knicknasen gezeichnet, also noch vor den Streifen. Und die allerersten Cartoonfiguren hatten lange Oberlippen. Ich dachte, ich muß was anderes machen als die anderen.

COMIC!: In einem anderen Interview habe ich in einer Selbstbezichtigung deinerseits gelesen: «erfolgreiche Jugend (Mähne, Mädchen, Mopeds)». Bei deinem neuen Band habe ich mich dann angesichts des sehr häufig auftauchenden frühpubertären Zehnmeterbrett-Freibad-Philosophen gefragt: Wie viel eigene ©TOM-Jugend fließt da ein?

©TOM: Also ja, ein bißchen schon. Ich gehe nicht viel ins Schwimmbad, aber als ich klein war, war ich ganz oft dort. Das waren diese ewig langen Sommer, die man in Erinnerung hat. Und da gehören die Bademeister z.B. zu den ersten erlebten Erwachsenen. Also, ich war nicht im Kindergarten, ich bin frei aufgewachsen, sozusagen wild.

COMIC!: In Lörrach, richtig?

©TOM: Ja, in Lörrach, und bevor ich in die Schule gekommen bin, war ich eben im Schwimmbad. Und da waren die Bademeister die ersten außer meinen Eltern, die mir was zu sagen hatten. Die haben uns dann auch öfters angebrüllt, und die fand ich immer sehr cool.

COMIC!: Und sind da in den Strips noch direkte Erinnerungen an coole Bademeistersprüche drin? Oder sind das inzwischen allgemeine Variationen über den Charakter?

©TOM: Natürlich. Mittlerweile selbstverständlich. Ich mache ja keine autobiographischen Comics, auf keinen Fall. Ich greife halt in mein Hirn rein, und da sind sicher auch Reste von Erfahrung und Erlebtem drinnen, aber auch einfach Quatsch. Ich starre vor mich hin, und in mir formt sich ein Witz und dann ist er da. Zu wie viel Prozent der nun von wo kommt, da mache ich mir keine Gedanken. Die Bademeister mache ich ganz gerne. Also, ich habe die am Anfang auch mal im Schwimmbad rumlaufen lassen, habe andere Perspektiven eingebaut, aber mittlerweile habe ich die so auf diesen Beckenrand festgenagelt, weil das eben auch so eine einfache, simple Bühne ist. Dadurch hat das auch schon eine gewisse Form erreicht, die so ähnlich auch bei dem Postschalter ist, eine feste kleine Bühne, wo man einfach Dinge passieren lassen kann. Und der mit dem Zehnmeterbrett, der ist von alleine entstanden, keine Ahnung, wie das war. Also, ich habe Sprungbrettwitze gemacht oder das Sprungbrett gezeichnet, dann habe ich es aber immer wieder rausgenommen aus dem Bild, das Sprungbrett ist jetzt im Off. Und dann war da ursprünglich die Gestalt von diesem kleinen Jungen, der schwimmen lernen soll und sich immer mit blöden Sprüchen dagegen wehrt. Letztendlich ist er zu dem Zehnmeterturm-Erklärer geworden und denkt sich jetzt irgendeinen Quatsch aus, warum er unterm Zehnmeterturm steht.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
232 Seiten S/W
EUR 15,25
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