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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Was ist neu an den neuen Verlagen?
Über neue Verlage, neue Konzepte und Labeling auf dem deutschen Comic-Markt 2007

Von Klaus Schikowski


Der Comic befindet sich 2007 in Deutschland immer noch in einer kleinen ökonomischen Nische. Für den Laien ist der Markt unübersichtlich wie nie zuvor. Es regieren die Importe aus Japan (Manga), Amerika (Superhelden) und Frankreich (Bande dessinée, d.i. der frankobelgische Comic). Alle weiteren Sparten wie eine deutsche Comicproduktion oder ein internationaler Autorencomic sind zwar schon spürbar, aber noch in zarten Anfängen begriffen. Insgesamt hat auch der Comic in den letzten Jahren eine Globalisierung über sich ergehen lassen müssen, dessen Auswirkungen wohl erst in der Zukunft deutlicher werden.

Auch wenn es eine vermehrte Berichterstattung in Tageszeitungen gibt und Hollywoodverfilmungen immer wieder auf die Zweitverwertung bekannter Superheldenserien setzen, steigert diese Tatsache die Verkaufszahlen im Zweifelsfalle gerade mal der einzelnen zugrunde liegenden Comics selbst. Somit wird das Original zum Merchandise vom Film. Doch dem Medium selbst hat es bislang weder die Anerkennung noch die merkantile Aufwertung gebracht, die man sich davon erhoffen könnte.
Heutzutage stellt sich der Markt so dar, daß drei verschieden Formate um die Vorherrschaft auf dem deutschen Comic-Markt kämpfen: Das klassische frankobelgische Albumformat, die Comic-Books (oder Hefte) in denen in Amerika die Superhelden veröffentlicht werden, und die Veröffentlichung der Manga in der Original-Leserichtung von hinten nach vorne und im Original-Format (Taschenbuch). Während jedoch das französische Farbalbum traditionell nahezu abgeschlossene Geschichten erzählt, sei es auch als Teil eines Zyklus, werden die Geschichten des US-Heftes und des Manga-Taschenbuchs in Fortsetzungen erzählt. Daher ist das neue, handliche Format wohl auch die bedeutendste Zäsur, die die Etablierung des Manga mit sich brachte. Denn an Popularität wurden sowohl die Comic-Books als auch die Alben längst überflügelt. Damit ist der Kampf scheinbar auch schon gewonnen. Von den kleinformatigen Manga erscheinen so viel Novitäten wie nie zuvor – sicherlich auch, da ein junges, unvoreingenommenes Publikum bereit ist, den Manga als popkulturelles Phänomen zu begreifen, dessen Identifikationspotential auf die modernen jugendlichen Bedürfnisse ausgerichtet ist und somit gänzlich neue Käuferschichten anspricht.

Die Veränderungen, so tiefgreifend sie sich auch in Bezug auf eine flächendeckende Veröffentlichung einer globalen Comic-Produktion auswirken mögen, sind allerdings als Teil eines natürlichen Prozesses zu sehen: als immer wiederkehrende Erneuerung einer Generation, die mit Bildgeschichten aufwächst. Abgesehen von zeitlosen (Kinder-)Klassikern wie «Micky Maus» oder «Asterix» ergäbe wohl eine grobe Einteilung der letzten Jahrzehnte vermutlich folgendes Bild: Waren die 1950er und 60er Jahre geprägt von den Piccolos, Kolibris und Heften des Lehning-Verlags, wuchs in den 70er Jahren eine Generation mit Magazinen wie ZACK und den Superheldenheften von Williams und von Ehapa heran. Während bis dahin der wichtigste Absatzmarkt das Kioskgeschäft war, begann in den 80er Jahren, ausgehend von Carlsen Comics und später auch von Ehapa, der Albenboom, der hauptsächlich über den Verkauf in Comicläden stattfand. In den 90er Jahre entwickelte sich ein erneuter Heftchen-Boom, allerdings diesmal mit Superhelden, und es endete mit dem heute immer noch anhaltenden Manga-Phänomen.
Das Bild des Comic wurde bei jeder Generation wieder aufs Neue geprägt. Die Frage nach dem «guten» Comic läßt sich kaum mehr stellen, da jede Gruppe eine andere Sichtweise an den Tag legt.

So ist es auch der Generation ergangen, die mit den Bandes dessinées aufgewachsen war. Sie sah sich nun nicht nur mit der Einstellung einiger Serien konfrontiert, sondern plötzlich fanden auch ganze Genres, wie das von Carlsen vor einigen Jahren stark geförderte Fantasy-Genre, kaum noch statt. Einst wurde sogar ein eigenes Magazin herausgegeben, nun kann man die Veröffentlichungen an einer Hand abzählen. Auch wenn es mit der sogenannten «Albenschwemme» ausgesehen hat, als würde sich nun der Comic auch kulturell durchsetzen können, ist dieses Versprechen leider nicht eingehalten worden. Stattdessen setzte ein Umbruch auf dem deutschen Comic-Markt ein. Die großen Verlage wie Carlsen oder Egmont/Ehapa destillierten in den letzten Jahren immer mehr ihr Programm und konzentrierten sich auf ihre Bestseller.
Was in diesem Fall hauptsächlich bedeutete, daß man sich auf den stark wachsenden Manga-Boom konzentrierte. Der konventionelle Comic, wie er über all die Jahrzehnte den Markt dominierte (speziell der frankobelgische Comic), wurde zurück in die Nische gedrängt.
Doch die Crux der großen Verlage war einfach, daß die Anzahl der Sammler, so lautstark sie sich auch in einschlägigen Foren zu behaupten wußten, für den lohnenden Verkauf nicht ausreichten. Denn die Verkaufszahlen frankobelgischer Alben waren erschreckend niedrig für die Großverlage. Damit lag es nah, nur noch die erfolgreichen Serien mit neuen Konzepten fortzusetzen und auf Experimente zu verzichten. Während man bei dreistelligen Verkaufszahlen kaum noch kalkulieren kann, ist man bei einem kleinen Verlag froh, 1.000 Exemplare abzusetzen, und ab 2.000 wird der Titel schon als kleiner Erfolg gewertet. Für einen großen Verlag lohnen solche Rechenexempel kaum noch.
Das Publikum für Comics war kleiner geworden, und naturgemäß ist es schwierig, sich ein neues Publikum zu erschließen, wenn man nur die Randgruppen anzusprechen in der Lage ist.
Es war, als köchelten viele kleine Süppchen auf dem deutschen Comic-Markt, aber keiner konnte davon noch so richtig satt werden. Die Todesgesänge wurden lauter und das Medium schien in immer kleiner werdende Sparten zu zerfallen und dort zu verschwinden.

Doch genau diese Unterteilung in immer kleiner werdende Sparten war die große Chance für die neuen Verlagsgründer und für neue Ideen. Denn durch die Verkaufszahlen in Deutschland ernüchtert, waren nun auch die französischen Großverlage bereit, ihre Lizenzen an deutsche Kleinverleger zu geben. Der unermüdliche Einsatz der sogenannten «Küchentischverleger» sorgte für Nachschub auf dem Albensektor und bediente die nostalgischen Gelüste der vorletzten Generation.
Der Verleger Eckart Schott mit seinem Verlag Salleck hat über die Jahre bewiesen, daß man mit einer liebevollen Auswahl zwar nicht Millionär wird, aber sich dennoch eine ökonomische Nische schaffen kann. Entgegen allen Unkenrufen war also der Albenmarkt und somit die BD nicht tot, sondern er hatte sich nur verlagert.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
248 Seiten S/W
EUR 15,25
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