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COMIC!-JAHRBUCH 2007

Auch die Niederlande brauchen Mangas!
Die Begeisterung der Comicwelt für japanische Comics hält sich in Grenzen

von Rik Sanders
Aus dem Holländischen von Mark O. Fischer
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Ganz Europa ist von den Mangas besetzt! Ganz Europa? Nein, ein unbeugsames Land hört nicht auf, diesen Japanischen «Große Augen»-Ausgaben, die man von hinten nach vorne und von rechts nach links lesen muß, Widerstand zu leisten ... Diverse Comicverlage versuchen dieses letzte Bollwerk traditioneller westlicher Comics einzureißen.

Warum sind Mangas fast überall in Europa ein Erfolg, außer in den Niederlanden? Verleger Paul Herman von Glénat Benelux, der einige ins Niederländische übersetzte Manga-Serien laufen hat, erklärte in Stripschrift: «Die Niederlande ist ein schwieriger, kleiner Markt. Die Einstellung von Vertrieben und Händlern ist noch immer negativ: Mangas kriegen keinen Platz in den Regalen. Risiko meidendes Verhalten bestimmt den Ton.»
Außerdem verursachte der Bankrott von Het Raadsel, einem wichtigen Vertrieb in den Niederlanden, Anfang 2005 große Vertriebsprobleme. Inzwischen sind die Probleme gelöst, aber der Vertrieb wurde ordentlich zersplittert, so daß nun diverse Verteiler operieren oder Verlage selbst ihre Sachen an Läden verschicken. Immer noch werden laut Herman in den Niederlanden zu wenig Menschen mit Comics erreicht. «Die Leser beschränken sich auf einen kleinen Club von Liebhabern. Es ähnelt der Situation in Belgien vor zwanzig Jahren. Seitdem verkaufen auch Buchhandel und Supermärkte Comics. Wenn man sich nun in Supermarktketten wie Carrefour umschaut: Stapel! In den Niederlanden hat die große Öffentlichkeit keine Ahnung davon, was alles erscheint.» In seiner Optik sollten Kioskketten wie Ako und Bruna oder Supermärkte wie Albert Heijn eine stimulierende Rolle spielen können.


Kein Comicklima

Chefredakteur Dennis Rijbroek von Aniway, dem niederländischen Quartalsblatt über «anime, manga, games & J-pop wrapped with style», blickt auch hoffnungsvoll gestimmt. Er sieht allerlei Verlage mit Manga-Initiativen auf den niederländischen Markt kommen. So bringt der niederländische Verlag Van Gennep vier Serien heraus, die vom deutschen Label Tokyopop kommen: «Duel Masters», «Warcraft», «The Dreaming» und «Prinses Ai». Der Verlag Xtra gibt zwei Klassiker heraus: «Gen Barrevoets in Hiroshima» (Keiji Nakazawa) und «Adolf» von Osamu Tezuka. Auch der Verlag L beginnt mit «Boeddha», ebenfalls ein (literarischer) Manga von Großmeister Tezuka (1928–1989), und der belgische Balloon Books hat ein Manga-Programm gestartet, basierend auf dem französischen Schwester-Label Kana. Die ersten Titel sind «Yu-Gi-Oh!» (Kazuki Takahashi), «Naruto» (Masashi Kishimoto) und «Shaman King» (Takei). «Kana hat in Frankreich ein großes Programm mit an die vierzig Serien und pro Serie viele Bände. Die reichen noch für Jahre. Der Verlag hat eine gute Sicht auf die Mangas, die in West-Europa anlaufen», erzählte Rijbroek in Stripschrift. Er sieht ein erkennbares Muster: Genau wie in anderen Ländern werden erst Mangas herausgebracht, die an die Jugend gerichtet sind. Wenn Mangas einmal eingebürgert sind, dann geht es schnell, ist seine Erfahrung. «In Frankreich sind 35 Prozent der Comics Mangas; in Deutschland sogar 35 bis 40 Prozent».
Daß in den Niederlanden im Vergleich mit den umliegenden Ländern der Manga-Penetrationsgrad so niedrig geblieben ist, ist laut des Aniway-Chefs teils auf das Fehlen eines Comicklimas wie in Frankreich zurück zu führen. Ein anderer Unterschied mit dem Land ist, daß da der japanische Zeichentrickfilm eine lange Tradition hat. «Jeder Franzose kennt «Chevalier du Zodiac». In den Niederlanden gab es in den achtziger Jahren auch Animes im Fernsehen. Man denke an «Nils Holgersson» oder «Vrouwtje Theelepel». Danach kam eine lange Zeit nichts mehr, während das französische Fernsehen wei-terhin japanische Produktionen sendete. An so etwas gewöhnt man sich.» Eine schlechte Entwicklung waren die Videos, die das Unternehmen Manga Entertainment vor etwa zehn Jahren in den Niederlanden herausbrachte. Das waren vor allem erotische und gewalttätige Produktionen, durch die ein falsches Bild von Mangas entstand: Sex, Gewalt und inhaltslos. «Dieses Stigma hat Mangas jahrelang geschadet. Es ließ sich nicht erklären, daß es in Japan Comics für alle Zielgruppen gibt, von jung bis alt, und über vielerlei Themen, selbst über den Golfsport oder etwas wie Abwassermanagement!».
Die niederländische Comicindustrie ist auch nicht auf Mangas gestoßen, konstatiert Rijbroek. «Ein großer Zeitschriftenverlag in den Niederlanden wie Sanoma ließ sich einmal von uns bequatschen, sah dann aber angesichts der lang laufenden Serien doch davon ab.»
Mit der beginnenden Hausse an neuen Ausgaben sieht Rijbroek voraus, daß in den Niederlanden langsam ein echtes Genre entsteht, für das Kioske und Buchhandel extra Platz in den Regalen reservieren. «Das kommt dem Verkauf zugute. Ladenbesitzer wissen bis jetzt nicht, was sie mit diesen Ausgaben anfangen sollen: Gehören sie zu den Comics oder Jugendmagazinen? ... Ich habe sie sogar schon mal im Regal bei den Computermagazinen gesehen!» Er findet schon, daß es Zeit wird für aktuelle Mangas wie «Death Note» (Tsugumi Ooba/Takeshi Obata), «Basilisk» (Futaroh Yamada/Masaki Segawa) und «Berserk» (Kentarou Miura). «Die meisten niederländischen Ausgaben sind in Japan schon vor Jahren erschienen: «Dragon Ball» zum Beispiel stammt vom Ende der 70er Jahre.»



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