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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2005
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2006

Danish Dynamite
Von Miks «Ferd’nand» bis
Kristiansens «Superman»
Eine Rundschau

Von Martin Frenzel


Dänemarks neues Comic-Festival, KOMIKS.DK, war – bei seiner Premiere 2004 – ein derart großer Erfolg, daß es nun in noch größerem Stil im April 2006 eine Fortsetzung geben wird. KOMIKS.DK die Zweite steht im Fußball-WM-Jahr 2006 vom 28. bis 30. April 2006 vor den Toren. Tausende Besucher, internationale Stars wie Loisel machten die Premiere – nach zehn Jahren Festival-Pause – zu einem enormen Publikumserfolg, der nach einer Fortsetzung schreit. Das Jahr 2006 steht jedenfalls ganz im Zeichen des 2. KOMIKS.DK-Festivals; das Programm wird mit Spannung erwartet.

Nach dem fulminanten Publikumserfolg der KOMIKS.DK-Premiere 2004 setzen die Organisatoren des Festivals auf ein Netzwerk von Kontakten zur Britischen Insel: Namhafte Autoren wie Brian Bolland, Dave Gibbons und Alan Davis, Mike Ploog oder Leah Moore (Tochter von Alan Moore) stehen diesmal ganz oben auf der Gästeliste. Bis Redaktionsschluß stand das genaue Programm noch nicht fest. Man darf gespannt sein, ob KOMIKS.DK wieder in den «Kedelhallen» in Kopenhagen über die Bühne geht oder in größeren Räumlichkeiten.
Länderschwerpunkt soll – nach jetzigem Stand – entweder Spanien oder Italien werden. Ein möglicher Stargast des Festivals: William Vance («XIII», «Bruno Brazil», «Mister Blueberry»). Aktuelle Infos unter: www.komiks.dk.
Daß die Dänen gute Fußballspieler in der Bundesliga haben, hat sich mittlerweile in Deutschland herumgesprochen. Weniger bekannt ist, daß die Dänen auch gute Comic-Autoren hervorbringen – genau genommen seit den Anfangszeiten des Multikünstlers Robert Storm Petersen, bekannt als Storm P. vor fast 100 Jahren. So sehr das heutige Dänemark vom Denken und Wirken des Theologen, Literaten und Psalmendichters N. F. S. Grundtvig geprägt ist, ist es dies auch durch eben jenen Storm P., der bis heute den Humor der Nation wie kein Zweiter prägt.
Freilich reüssieren immer wieder dänische Zeichner nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch fern davon – etwa jenseits des Atlantiks in den USA.
So wurde in San Diego Teddy Kristiansen (geboren 1964) der renommierte Eisner Award als «best painter of the year» verliehen. Kristiansen erhielt den angesehenen Preis für einen Superman-Comic der anderen, stillen Art. Die brillante Comic-Novelle für Erwachsene namens «It’s a bird» (erschienen bei Vertigo) überzeugt vor allem durch Kristiansens hervorragende Aquarelltechnik. Sie gewann in Amerika die Herzen der Kritiker wie des Publikums. Es ist eine anspruchsvolle, eher poetisch angelegte graphic novel, die der 41jährige Kristiansen zu einem teilweise autobiographischen Szenario Steven T. Seagles gefertigt hat.
Teddy Kristiansen steht, wie die Tageszeitung Politiken lobte, mit der Eisner-Award-Auszeichnung in einer Linie mit so bedeutenden Künstlerkollegen wie Art Spiegelman («Maus»), Joe Sacco und Jeff Smith («Bone»). So war «It’s a bird» unter den Top 400 der amazon.com-Bestsellerliste. 1993 debütierte Kristiansen auf dem US-Markt mit Tarzan-Geschichten (siehe «Comic-Almanach», ComicPress 1993). Seither hat Kristiansen (ähnlich wie sein Landsmann und Kollege Peter Snejbjerg) vor allem für den DC-Verlag gearbeitet. Für das Tarzan-Projekt wurde er bereits einmal für den Eisner-Award nominiert. Zu seinen Arbeitsfeldern in Amerika zählten bislang Matt Wagners Comic-Heft «Grendel Tales», 1993 bis 1994 schuf er die sechsteilige Serie «Four Devils – One Hell» (Text James Robinson). Für das DC-Vertigo-Heft «Witchcraft» folgten von 1994 an Kurzgeschichten, für «Sandman» hingegen auch längere Arbeiten. So entstand die Comic-Geschichte «The Kindly Ones» nach einem Text von Neil Gaiman. Prominente Texter standen ihm auch im Falle des DC-Comichefts «Showcase» zur Seite: Alan Grant und John Wagner lieferten die Story «The Secret Origin of Scarface». Für das Vertigo-Label schuf Teddy Kristiansen 1995 den prestige one-shot «Sandman Midnight Theatre» (Text: Neil Gaiman/Matt Wagner) – und machte sich damit endgültig einen Namen als einer der beliebtesten und bedeutendsten DC-Zeichner der Gegenwart. Die als Psychothriller angelegte Story spielt im New York und London des Jahres 1939. Von 1996 bis 1998 setzte Teddy Kristiansen grafische Maßstäbe bei der DC/Vertigo-Serie «House of Secrets» (Drehbuchautor war sein Leib- und Magen-Szenarist Steven T. Seagle). Storys wie «The Dreaming» (1999), «Grendel Devil Child» und «Superman: Metropolis» (2003) festigten Kristiansens guten Ruf in der Superheldencomic-Branche der USA. In Deutschland sind die Kristiansen-DC-/Vertigo-Comics bei dem rührigen Verlag Speed Comics von Thomas Tilsner verlegt worden («Grendel 1, 2 und 3: Vier Teufel, eine Hölle» sowie «Sandman: Die Gütigen»). Mit Texter Steven T. Seagle verbindet Kristiansen eine enge, fruchtbare Zusammenarbeit – quer über den Atlantik. Mal sei Seagle zu Gast bei ihm im Kopenhagener Stadtteil Gentofte, erzählt Teddy Kristiansen im Politiken-Gespräch, ein andermal jette er nach Los Angeles. Die Idee zu «It’s a bird» hatte Texter Seagle in Kopenhagen – und zwar eines schönen Abends auf der Toilette der Familie Kristiansen. Er sei plötzlich aus dem Badezimmer gestürzt und habe gerufen: «Du darfst noch nicht ins Bett gehen, ich habe eine Idee». «Es dauerte dann in dieser Nacht noch Stunden, ehe wir zu Bett gingen.» Daß die Chemie zwischen den beiden stimmt, die sich auf einem Comic-Festival kennenlernten, liegt wohl auch an ihrer beider Vorliebe für den kanadischen Filmregisseur Atom Egoyan («Exotica») und seine Art, Geschichten zu erzählen. Es ist dies die Erzählweise, harmlos-idyllisch zu beginnen, um dann überraschend an irgendwelche menschlichen Abgründe zu stoßen, die beide Comic-Macher in den Bann zieht.


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