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COMIC!-JAHRBUCH 2006
«Man müßte mal die ganzen
Comic-Schaffenden zusammenbringen»
Interview mit Edgar Brons

Von Harald Leinweber


COMIC!: Wie bist du zu den Comics gekommen?

Edgar Brons: Also, es ist wie bei vielen: Ich habe als Kind gerne gezeichnet. Das hat keiner wahrgenommen – außer mir. Irgendwann tauchte ein Freund mit der MICKY MAUS auf. Selbst wenn man nicht lesen konnte, konnte man diese Bilder gut verfolgen – das hat mir zugesagt. Als ich dann in die Schule kam, konnte ich sie auch lesen. Das hat mich so fasziniert, daß ich irgendwann selbst angefangen hab, erst die Figuren nachzuzeichnen, und dann habe ich eigene Figuren erfunden, die natürlich arg dran angelehnt waren – eine Ente, ein bißchen schief noch – und dann hab ich Geschichten darum herumgesponnen.
Welche Comics gab’s damals noch? Eine Freundin hat Fix und Foxi gelesen, da haben wir mal reingeguckt. Hin und wieder – wenn ich krank war – brachte meine Oma mir Felix mit. Das fand ich auch nicht schlecht, war damals noch relativ witzig. Das war’s eigentlich. Das waren die Fünfziger, da gab es nicht viel.

COMIC!: Wie standen die Erwachsenen in deinem Umfeld zu dieser Form der Bildgeschichten?

Edgar Brons: Das war okay. Da habe ich keinerlei Probleme gehabt. Gottseidank! Klassenkameraden waren immer total erstaunt, daß meine Eltern dazu nichts sagten. Im Gegenteil – die haben auch die MICKY MAUS gelesen. Geht mir ja heute noch so – kriege ich so ein Heft in die Hand, lese ich das!

COMIC!: Hast du einen Stil oder Zeichner bevorzugt kopiert?

Edgar Brons: Ja sicher, ich hatte Vorlieben. Als Kind ist mir aufgefallen, daß es verschiedene Zeichner gab. Barks hat mir natürlich gut gefallen – der fiel eben auf. Und der Micky-Maus-Zeichner Paul Murry. Das waren die beiden Zeichner, die mich damals angemacht haben, die ich zu kopieren versucht habe. Nicht so sehr die Figuren als vielmehr Hintergründe – Paul Murry hat so schöne runde Tannenbäume gemalt – oder Barks’sche Autos.

COMIC!: Hintergründe sind dir sehr wichtig.

Edgar Brons: Ja, aber ich weiß nicht, ob das von damals her rührt. In «Jack und Billy» ist z. B. haufenweise Winter drin, weil ich in der MICKY MAUS die Wintergeschichten immer gerne gelesen habe und wenige davon drin sind. Da dachte ich, jetzt machst du mal einen Comic, in dem haufenweise Winter ist und selten Sommer – halt genau umgekehrt. Deswegen habe ich da so viel im Schnee spielen lassen. Dann habe ich versucht, nicht nur den Schnee zu machen, weil ich dachte, jemand, der das über ein paar Alben hinweg liest, findet es vielleicht langweilig. Deshalb habe ich versucht, Hintergründe reinzubringen. Da hatte ich es zuerst mit Fotos versucht, um etwas zu bringen, was andere Leute auch erkennen, die in Köln oder Umgebung wohnen, in Troisdorf, in Fulda und so. Darauf bekam ich von vielen Leuten gute Resonanz. Da bin ich losgezogen, habe Fotos gemacht und die gezeichnet.

COMIC!: Jetzt sprechen wir schon über die «Jack und Billy»-Zeit, die Zeit, wo du Comics veröffentlicht hast.

Edgar Brons: Ich wollte erst gar nicht veröffentlichen. Ich hatte vorher nur für mich gezeichnet, um zu sehen, was ich selber leisten kann, und für Schulfreunde und den Freundeskreis. Die hatten da Spaß dran. Die ersten Figuren sahen nicht aus wie Jack und Billy, das waren eher bessere Strichmännchen. Da gab es ein Album in Klaus Bogdons Verlag: «Nur für Freunde» – nicht die allerersten Versuche, aber vor «Jack und Billy». Die sehen noch ein bißchen unförmig und komisch aus. Aber damit fing es an. Die hatte ich für mich gezeichnet. Ich hatte die Hartmut Becker gezeigt. Der hatte eine Annonce in der Zeitung gehabt, daß er Comics verkauft. Ich wollte meine MICKY MAUS-Sammlung komplettieren, weil ich sehr viele verliehen und nicht wiederbekommen hatte. Wir sind zu ihm gefahren, und ich habe ihm einige MICKY MAUS–Hefte abgekauft, wir kamen ins Reden und ich hab gesagt: «Ich mach auch selbst so was.». Ich habe ihm das gezeigt, und er meinte: «Wenn du willst, könnten wir in der COMIXENE was veröffentlichen.» Damit fingen die Veröffentlichungen an. Das lief einige Zeit in der COMIXENE, das haben Leute von einer Hamburger Stadtzeitung gesehen, und dann meldeten sich ein paar, die das auch haben wollten. Die Philosophische Fakultät der Uni Köln hat tüchtig raubgedruckt (lacht) ... Wenn es der Springer-Verlag gewesen wäre, hätte ich anders reagiert.

COMIC!: Du hast auch für «Lupo» gearbeitet hast, für den Kauka-Verlag. Wie kam das?

Edgar Brons: Ich habe mal an Kipka und Wiechmann geschrieben, die die LUPO-Taschenbücher und diese dickeren (Fix und Foxi Extra) herausbrachten, ob ich nicht für sie zeichnen könnte. Oder hatten die eine Annonce aufgegeben? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls haben die mir zurückgeschrieben, das könnte ich gerne machen, sie hätten aber genügend Zeichner. Sie bräuchten Leute, die ein Scribble machen und gleichzeitig Autoren davon sind. Ich durfte mir was einfallen lassen und das als Bleistiftzeichnung zu Papier bringen. Das ging dann nach Spanien zum Reinzeichnen. Das wollte ich eigentlich nicht – ich wollte das selbst machen. Die fertigen Zeichnungen gefielen mir nicht sonderlich, und ich hätte mir mehr Mühe gegeben. Die Scribbles waren schon so ausgefeilt, der Zeichner hätte bloß noch die Linien nachzuziehen brauchen. Aber die waren doch sehr eigen: Wenn ich einen von links nach rechts habe rennen lassen, rannte der auf dem fertigen Bild mit Sicherheit von rechts nach links (lacht). Naja, sei’s drum!

COMIC!: Du hast dich da auch nicht verstanden gefühlt?

Edgar Brons: Teils nicht, nein. Obwohl ich nachher sehr gute Resonanz hatte, so daß Fred Kipka mir sagte, ich wäre einer ihrer besten Scribbler und es täte ihm leid, daß ich das Handtuch geworfen habe. Das wollten sie eigentlich nicht. Aber da sind wir schon weiter, nämlich bei der Gründung des ICOM. Für das Geld, das die mir gezahlt haben, wollte ich das nicht mehr machen. Also habe ich Konsequenzen gezogen.

COMIC!: Du hast im Zusammenhang mit der Gründung des ICOM und im Kontakt mit den anderen Comic-Profis gemerkt, das sind nicht die Arbeitsbedingungen, die du willst, es müßte mehr drin sein. Und auch Selbstbewußtsein gewonnen?

Edgar Brons: Das war Ausbeutung, total! Ich mußte jeden Monat zwei 32seitige Geschichten abliefern. Das laß dir mal einfallen! Das habe ich zwei Jahre lang gemacht, dann lief nichts mehr. Da fiel mir bloß noch ein «Lupo rutscht auf einer Bananenschale aus». Das war’s. Ich wollte den Kindern, die das lesen, brauchbare Geschichten liefern, und nicht nur Slapstick. Ich war ja an Barks orientiert! Ich habe dann erst versucht, weniger zu machen, möglichst für das gleiche Geld. Das wollten sie nicht. Dann habe ich gesagt, wenn ich schon diese Menge machen muß, dann vielleicht mal ein Zuschuß. Das ging auch nicht. Dann habe ich gesagt, tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe meinen Beruf und bin nicht davon abhängig war – dann eben nicht! Zack!

COMIC!: Was ist dein Beruf?

Edgar Brons: Ich bin angestellter Grafiker im Grafikbüro der Luftwaffe.

COMIC!: Was zeichnet die Luftwaffe?

Edgar Brons: Wir machen alles, was in den grafischen Bereich fällt: Urkunden, Personal-Übersichten, Detailzeichnungen von Flugzeugen, Hubschraubern, Explosionszeichnungen, z. B. für technische Handbücher, Pla-kate für Veranstaltungen, Sommerfeste, Nikolaus und Karneval. Ich wollte immer wieder raus und habe den Absprung nicht geschafft. Dann kam was Privates dazwischen, und jetzt ist es effektiv zu spät, jetzt habe ich Altersteilzeit eingereicht und haue in drei Jahren ab. Gottseidank! (lacht)

COMIC!: Wie eng war dein Kontakt zur COMIXENE?

Edgar Brons: Zuerst habe ich ja den Hartmut Becker getroffen. Andreas Knigge und Achim Schnurrer habe ich dann durch Hartmut kennengelernt. So kam ich in die Szene rein. Ich habe erst gestaunt, daß es ein Fachblatt gab, das kannte ich noch gar nicht. Da hat man sich getroffen. Achim wohnte auch hier in Köln, den haben wir mal eingeladen und waren dann bei ihm zum Gegenbesuch. Er machte nicht direkt Journalismus, aber er hatte für einen Verlag einen Ratgeber gemacht, Verhaltensmaßnahmen. Dazu sollten Zeichnungen gemacht werden, und darüber hat er mit Hartmut gesprochen. Der hat dann mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, sowas zu machen, weil ich schließlich zeichnen könnte. So bin ich zu Achim gekommen. Wir haben das ausgearbeitet, und ich habe Zeichnungen dazu gemacht ... sehr dilettantisch, wenn ich mir das heute angucke (lacht) ...

COMIC!: Du bist sehr kritisch mit deinen frühen Werken!

Edgar Brons: Ja, auch heute noch.

COMIC!: Kommen wir zu dem legendären ersten Comic-Treffen in deinem Wohnzimmer im Oktober 1980. Das ist mittlerweile 25 Jahre her. Haben sich die Teilnehmer – etwa 15 Leute, für damalige Verhältnisse schon ein Großteil der deutschen Comic-Branche – vorher auf der Kölner Börse getroffen und sind von dort zu dir gekommen?

Edgar Brons: Die Idee hatte Achim. Er meinte, man müßte mal die ganzen Comic-Schaffenden zusammenbringen und sich kurzschließen, darüber unterhalten, was der Einzelne verdient und wie er arbeitet. Damit man sich kennenlernt und dabei vielleicht auch ein Zusammenhalt entsteht.

COMIC!: War da schon der Gedanke, eine Organisation oder einen verbindlicheren Zusammenhalt zu gründen?

Edgar Brons: Also, bei mir weniger. Vielleicht hat Achim daran gedacht. Aber man hatte ja keine Ahnung, was daraus mal entstehen könnte. Wir haben nur überlegt, wir müßten an die Zeichner und Autoren und Comic-Leute rankommen – keiner kannte ja damals den anderen – und sich mal zusammensetzen. Da haben wir eine Anzeige in der COMIXENE aufgegeben und den Termin so gelegt, daß er auf eine Börse fiel, hier in Köln, im Oktober. Die Kölner Comic-Börse hat Hartmut Becker ja anfangs auch mitorganisiert. Zuerst war die im Kolping-Haus und ist erst später nach Mülheim in die Stadthalle gegangen. Da waren also viele Comic-Leute eh schon da. Die sind dann so nach und nach bei uns im Wohnzimmer eingetrudelt. Manche riefen an: «Wo ist das, wie komme ich da hin?» Dann saß man in die Ecken verteilt, wie das früher halt so war, auf dem Fußboden, irgendwo, wo Platz war, und der eine oder andere hat noch übernachtet. Es ging ein bißchen länger, abends, man hatte ja ein gemeinsames Thema. Einige sagten irgendwann «ich muß noch eine Bahn kriegen» oder «ich bin jetzt müde, ich habe noch einen weiten Weg vor mir und muß nach Hause fahren» – so wurden es Laufe des Abends weniger.

COMIC!: Kannten sich die Leute vorher, oder sah man sich zum ersten Mal?

Edgar Brons: Ich kannte keinen außer Hartmut und Achim.

COMIC!: Gab es Pläne, wie es weiter gehen soll, für spätere Treffen, für einen Verein?

Edgar Brons: Als wir festgestellt haben, daß doch immerhin 15 Leute zusammenkamen, haben wir schon überlegt, ob wir ein regelmäßiges Treffen, vielleicht eine Art Stammtisch machen, und daß wir uns in bestimmten Abständen treffen. Aber Verein ... Es war vielleicht eine lockere Idee, aber richtig fest geplant? Vielleicht von Achim her. Von uns her war das einfach «prima, ein schönes Treffen», und man könnte versuchen, sich zu unterhalten: «Wie arbeitest du? Was machst du? Wieviel Geld verdienst du damit, wenn du überhaupt was damit verdienst?» Die zwei Kauka-Zeichner [Magdic und Karabajic], die haben natürlich verdient, aber richtig zufrieden waren auch die nicht. Sonst wären sie auch gar nicht da gewesen.

COMIC!: Nicht zufrieden mit dem Geld oder mit den Bedingungen?

Edgar Brons: Mehr mit dem Geld.

COMIC!: Es gab darauf folgend ein Treffen mit Ausstellung im Kulturtreff Helmstraße in Erlangen – unter anderem ging daraus später der Comic-Salon hervor.

Edgar Brons: Woran ich mich erinnere, ist, weswegen wir es nach Erlangen gelegt hatten: Achim Schnurrer war damals mit seiner Freundin dahin gezogen. Er hat das organisiert. 15 Leute waren es mit Sicherheit. Eher mehr [22]. Zuerst lief es wieder ähnlich an wie bei uns im Wohnzimmer – etwas langsamer, weil neue Leute dazu kamen. Man hat sich vorgestellt, hat gesagt «ich mache das und das, heiße so und so». Ein paar kannten sich auch bereits. Ich weiß noch, daß meine damalige Ehefrau, Ruth, ziemlich mitorganisiert hat ...

COMIC!: Ruth war dann auch im ersten Vorstand des ICOM.

Edgar Brons: Sie wohnt mittlerweile in Südfrankreich und ist in Marburg Professorin.

COMIC!: Etwas Comic-affines?

Edgar Brons: Nein – Linguistik. Wir haben noch Kontakt – ich habe grad Sonntag mit ihr telefoniert und sie gefragt, ob ihr noch was einfällt, aber in punkto Comics läuft bei ihr überhaupt nichts mehr. Sie hat das damals eigentlich auch nur mitgemacht, weil es mir Spaß machte. Sie hat sich sehr um die Dinge gekümmert, die mich interessierten. Sie war so ein Tatmensch. Organisieren und so konnte sie gut. Während ich meine Ruhe haben wollte, in meiner Ecke sitzen und zeichnen wollte und mit all dem nichts zu tun. Wenn die Sprache darauf kam, mal was zu veröffentlichen, dann kam das von ihrer Seite. Und sie hat das dann in die Wege geleitet.

COMIC!: Sie war deine Agentin?

Edgar Brons: Sozusagen. Sie hat sich sehr in der Richtung engagiert. Auch mit dem ICOM beziehungsweise diesen Treffen– da war sie voll dabei.

COMIC!: Es gab in deinem Leben Phasen, wo du dich aus dem Comic-Geschäft rausgezogen hast – etwa die letzten zehn Jahre. Ist diese Phase jetzt zu Ende? Hast du wieder mit dem Zeichnen angefangen?

Edgar Brons: Ich habe mich aus dem Comic-Geschäft zurückgezogen, aber nicht völlig vom Malen oder Zeichnen. Ich habe ca. 50 Bilder gemalt. Ich habe verschiedene andere Dinge gemacht – ich habe ein paar Ausstellungen in Köln und Umgebung mit meinen Bildern gehabt, hatte auch noch mal eine Comic-Ausstellung mit meinen alten Comics. Ansonsten versuche ich mich in Richtung Plastik, Skulptur, aber ganz klein. Kann man noch keinem zeigen (lacht). Dann hatte ich meine Eisenbahn-Phase, wo ich mich für Modellbahnen und alte Dampfloks interessierte. Im letzten «Jack und Billy»-Band fing das schon an: Da habe ich ein oder zwei Geschichten mit einer Dampflok gezeichnet. Das Interesse ist mittlerweile wieder etwas abgeflaut. Vor ca. vier Jahren habe ich angefangen, für Freunde Geburtstagskarten zu machen. Mittlerweile warten sie drauf, daß sie zum Geburtstag eine Karte von mir kriegen. Die sahen folgendermaßen aus: Ich habe Fotos als Hintergründe genommen – nicht gezeichnet, sondern Fotos in den Rechner eingescannt – und dann meine Figuren dazu gezeichnet, da reingesetzt, und dann einen Gag. Die Freunde erwarten das mittlerweile. Es ist so ähnlich wie die alten Geschichten, die ich für Freunde und Klassenkameraden gezeichnet habe – und für mich selber. Das hat sich dann angehäuft, 106 oder 107, aber erst in den letzten drei Monaten. Kann sein, daß ich da weiter mache, aber ob das jemals veröffentlicht wird, ist im Moment nicht absehbar. Ich weiß auch gar nicht, ob das tatsächlich zum Veröffentlichen ist. Es ist wirklich nur für Freunde, und selbst die haben das noch nicht gesehen. Ich habe es erst mal nur in einem Ordner, selbst meine Frau Angela hat es nicht gesehen ... (lacht) Just for fun im Augenblick. Ich muß mir das angucken und dran rumfeilen – mal sehen. Wenn sich was draus ergibt: schön! Ergibt sich nichts draus: auch gut!

COMIC!: Du verwendest heute zumindest teilweise den Computer.Wie wirkt sich der Einsatz des Computers auf das Zeichnen aus? Ist das ein wesentliches Werkzeug?

Edgar Brons: Für mich auf jeden Fall! Diese kleinen Zeichnungen, die ich damals gezeichnet habe, kriege ich nicht mehr hin. Ich brauche mittlerweile eine Brille, und das war ja wirklich sehr klein. Die ganzen «Jack und Billy»-Alben und die anderen waren 1:1 gezeichnet. Ich habe auf A 4 gezeichnet, und die Raster in den Hintergründen waren mitunter ganz schmale, winzig kleine Teile. Das sehe ich nicht mehr, egal welche Brille ich aufsetze. Und nach diesen zehn Jahren fehlt mir auch die ruhige Hand. Wenn ich jetzt Figuren zeichne, und ich gehe an den Computer, scanne ein, vektorisiere, kann ich die Linien bearbeiten und den ganzen Zitter rausnehmen. Dann sehen die Linien einigermaßen glatt aus. Ich kann mir auch Figuren zusammenbauen, kann mir einen Arm zeichnen, den ich irgendwo in die Figur reinpacke, die Augen verändern, verschiedene Münder zeichnen, die reinbauen. Das finde ich schon faszinierend. Und Fotos als Hintergründe: Ich nehme natürlich nicht nur Postkartenmotive (habe ich auch in den Alben nicht gemacht), sondern normale Ecken, und manches wirkt auch recht gut, aber das müssen nicht immer blendend tolle Fotos sein.

COMIC!: Du machst die Fotos selbst?

Edgar Brons: Ja, nur! Sonst sieht das jemand, druckt das ab, und ich kriege einen Copyright-Prozeß. Ich benutze nur eigene Fotos! Ich habe mir jetzt auch eine Digitalkamera zugelegt, und irgendwann ziehe ich los, Kölner Ecken fotografieren, mal gucken ... (lacht)

COMIC!: Zu einem anderen Thema: die Lage der deutschen Comic-Szene. In den USA spricht man von «industry», also Branche; bei uns heißt es eher «Szene». Wie siehst du das? Sind das eher Amateure, eher Profis?

Edgar Brons: Nach meiner Erfahrung fangen viele deutsche Zeichner klein an. Manche schaffen es dann, ein Album rauszubringen oder in einem Magazin veröffentlicht zu werden. Das würde ich hier in Deutschland eher als Szene sehen. Die Branche sehe ich bei Verlagen wie
Carlsen, Ehapa und so, den größeren halt. Das ist eine Branche. Ansonsten ... was sich da jetzt in den letzten zehn Jahren getan hat, ob das andere mittlerweile auch als Branche zu bezeichnen wäre, weiß ich nicht. Für mich selber sehe ich die Szene fast so ähnlich wie damals: Es gibt genügend Zeichner und Autoren, die Comics machen und veröffentlichen wollen und das vielleicht auch schaffen, aber das würde ich eher als Szene betrachten. Ich glaube, die Branche fängt da an, wo man Geld verdient.

COMIC!: Wie verstehst du deine eigene Tätigkeit in der Comic-Industrie? Bist du Profi, Amateur – «Amateur» ist ja nichts Schlimmes; es heißt «Liebhaber» – oder Nebenberufler?

Edgar Brons: Von jedem etwas. Profi ist zu viel gesagt – ich habe manchmal den Eindruck, ich kann überhaupt nicht zeichnen. Ich bin mit nichts zufrieden, was ich zu Papier bringe – irgendwas stört mich immer. Aber irgendwann sagt man sich, so bleibt es, Feierabend, jetzt gucke ich es mir nicht mehr an, so ist es jetzt.
Profi würde ich nicht sagen. Das andere trifft beides zu. Nebenberuflich habe ich es immer gemacht. Ich hatte damals mit «Fix und Foxi» gedacht, vielleicht könnte sich da was ergeben. Zumal damals die zwei Redakteure wollten, daß ich einen Kreis Comic-Schaffender um mich versammele, die alle scribbeln. Das war noch ein Zeitpunkt, wo ich kaum jemanden kannte. Da hat der ICOM noch nicht existiert. Ich habe also Freunde anzuheuern versucht. Die waren zwar alle Feuer und Flamme, konnten aber alle nicht zeichnen. Als ich das dann Wiechmann und Kipka geschickt habe, da sagten die «Um Gottes willen, da bleiben wir bei Ihnen». Also ist daraus nichts geworden. Die fanden meine Sachen so gut, daß sie glaubten, wenn ich eine Vorentscheidung treffen würde, hätten die zwei dann weniger Arbeit damit. So haben die sich das vorgestellt – so eine Art Zwischen-Agentur, ein Mann und ein kleines Team drum herum. Hätte ich auch gar nicht schlecht gefunden. Aber daraus ist nichts geworden. Ich sehe mich nicht als Profi, sondern als Nebenberufler. Es ist nichts draus entstanden, weil ich das Handtuch geschmissen habe.

COMIC!: Bedauerst du das?

Edgar Brons: Nein. Die Zeit hat Spaß gemacht, und ich habe gemerkt, daß man nicht in der Lage ist, so viele gute Ideen zu liefern. Du schaffst nicht im Monat zwei 32seitige Geschichten. Das waren bloß Taschenbuch-Seiten, aber trotzdem! Du mußt dir jedesmal eine neue Geschichte einfallen lassen, und dann 32 Seiten. Da fängst du manchmal an, das aufzublasen. Das lief nicht mehr. Insofern hat es mir gar nicht so leid getan, das aufzugeben.

COMIC!: Die ausbeuterischen Bedingungen waren ein wesentlicher Punkt, einerseits den Zusammenhalt mit den anderen Kollegen zu suchen und andererseits auch einen Job zu schmeißen, der es nicht mehr bringt. Hat sich das gebessert? Hat der ICOM da etwas erreichen können?

Edgar Brons: Der ICOM hat sich immer sehr angestrengt, Verbesserungen hinzukriegen. Man hat Leute gefragt, was in welcher Branche gezahlt wird. Da gab es
Flyer, wo für die Mitglieder aufgelistet wurde, was man für welche Leistung verlangen kann. Das war schon ein Fortschritt, denn viele Leute, die als Freiberufler grafisch oder texterisch tätig waren, wußten gar nicht, was sie dafür kriegen können. Achim hat für Bastei auch mal «Gespenster-Geschichten» geschrieben, und zufrieden war der mit der Bezahlung auch nicht. Da hat sich schon was getan. Nur was in den letzten Jahren läuft ... da würde ich nur dummes Zeug erzählen.

COMIC!: Du hast 1986 zusammen mit einigen anderen – Michael Götze, Anton Atzenhofer und anderen, unter anderem auch Burkhard Ihme –an einem Album mitgewirkt: «Comics für Afrika» in der Edition Quasimodo. Hatte das mit den damals gerade aktuellen Hilfsanstrengungen von Sir Bob Geldof zu tun?

Edgar Brons: Ja, und mit «Menschen für Menschen». Klaus Bogdon wollte Hilfe anbieten und hatte die Idee, Zeichner anzusprechen, Geschichten zu zeichnen, um dieses Album rauszubringen. Da sprach er mich natürlich auch an. Ich weiß nicht, ob das gut gelaufen ist, und wo das Geld hinging.*

* Bogdon hatte ohne Rücksprache damit geworben, daß der Reinerlös an «Menschen für Menschen» geht. Die fanden das nicht lustig und verlangten 8.000 DM Entschädigung. Danach konnte von einem Reinerlös nicht mehr die Rede sein.

COMIC!: Wie siehst du das heute? Hilfe für Afrika ist ja gerade vor ein paar Monaten wieder ein großes Thema gewesen im Zusammenhang mit «Live 8» und dem Gipfel in Schottland. 20 Jahre später: Hat es was gebracht?

Edgar Brons: Gut fand ich es eigentlich schon, denn jeder Cent zählt. Ich glaube auch, daß ich so was noch heute unterstützen würde.

COMIC!: Wir haben gerade Wahlkampf in Deutschland: Wenn du von einer Wählerinitiative für eine Partei irgendeiner Farbe angesprochen würdest – wärst du bereit, mitzumachen?

Edgar Brons: Es hätte mal eine Zeit gegeben, wo ich das gemacht hätte. Mittlerweile würde ich mich da raushalten. Ich denke zwar, daß ich in meinen Comics politisch gewesen bin, und bei den Cartoons, die ich jetzt zu Papier bringe, zielt auch der eine oder andere in eine politische Richtung. Die hat sich seit damals auch nicht geändert. Aber ich würde nicht für eine Partei Werbung machen. Zumindest nicht mit meinen Cartoons. Wenn eine Partei auf mich zutritt, der ich vielleicht nahe stehe, und sagt «Kannst du uns ein Plakat machen?» –nicht mit meinen Figuren –, das würde ich mir überlegen. Das könnte man schon machen. Aber das müßte eine Partei sein, der ich nicht abgeneigt bin.

COMIC!: Findest du, daß Comic-Zeichner eine gesellschaftliche – moralische, politische – Verpflichtung haben, sich zu gesellschaftlichen Bewegungen zu verhalten? Oder ist das eine rein individuelle Entscheidung?

Edgar Brons: Nein, ich denke, das ist eine individuelle Entscheidung. Es gibt ja viele Comic-Zeichner, die nicht politisch engagiert sind, die einfach Spaß daran haben, Geschichten zu erzählen, irgendwas darzustellen, oder wie es früher in meinem Falle war, daß ich mir selber zeigen wollte, was ich zeichnerisch leisten kann.

COMIC!: Es gibt ja die Ansicht, wenn man in der Öffentlichkeit steht, hätte man die Aufgabe, sich zu verhalten.

Edgar Brons: Ja, wie weit steht man in der Öffentlichkeit? Der eine mehr, der andere weniger. Ich stand mal in der Comic-Szene als ganz Kleiner am Rand, aber als Öffentlichkeit würde ich das nicht bezeichnen. Auch wenn ich Ausstellungen hatte und in dem einen oder anderen Blatt vertreten war oder mal Leute ein Interview haben wollten. Aber ich glaube nicht, daß ich jemals in der Öffentlichkeit gestanden habe. Das sollte man jedem selbst überlassen und den Leuten nicht böse sein, die es nicht machen.

COMIC!: Comics werden allgemein als Medium oder Kunstform geringgeschätzt. Woran liegt das? Und hat sich das geändert?

Edgar Brons: Daß sie geringgeschätzt werden, das wollten wir damals auch ändern. Das war einer der Ansatzpunkte, Comics populärer zu machen, daß normale Leute sehen, Comics sind nicht nur Kinderkram oder Sex and Crime, sondern daß auch ein gewisser Anspruch dahinter steht oder doch stehen kann. Ich hatte den Eindruck, bis zu dem Zeitpunkt, wo ich aus dem ICOM raus bin, hat sich da wenig getan. Und die ganzen Jahre, wo ich mich nicht mehr um Comics gekümmert habe, habe ich den Eindruck, wenn einen das nicht mehr sehr interessiert, kriegt man auch nichts mit. Ich habe weder im Radio noch in Zeitungen oder im Fernsehen was bemerkt. Vielleicht habe ich ja die falschen Sachen geguckt oder gelesen. Ich habe den Eindruck, daß viele Leute von Comics gar nicht berührt werden. Das steckt noch in vielen Köpfen, speziell bei Leuten, die als Kind damit nichts zu tun hatten, dieses Vorurteil von damals: «Comics sind Kinderkram oder Schrott». Und ich stelle immer wieder fest, daß gerade Frauen oder Mädchen mit Comics nichts oder wenig zu tun haben. Mittlerweile hat sich das vielleicht geändert, aber damals hatte ich das Gefühl, meine Frau sei die einzige (lacht). Und das auch nur am Rand.

COMIC!: Comics scheinen überwiegend ein jüngeres Publikum zu haben. Wenn sie ein gewisses Alter erreichen, sagen viele «das ist nichts mehr für mich. Das habe ich in meiner Kindheit und Jugend gelesen, aber als erwachsener Mensch bevorzuge ich reifere Produkte» ...

Edgar Brons: Ich lese heute noch ganz gerne Comics, auch, wenn ich damit zehn Jahre nichts zu tun hatte. Worauf ich damals und heute achte, ist die Grafik. Das ist es, was mich anmacht, weil ich selber in der Richtung engagiert bin. Ein Comic kann vielleicht von der Geschichte her gut sein – wenn die Grafik nicht stimmt, lasse ich die Finger davon. Das mag gegen mich sprechen, aber es ist so. Eher würde ich mir einen Comic holen, der grafisch ganz toll ist und von der Geschichte her nichts bringt – weil mich die Grafik interessiert.

COMIC!: Hast du da Beispiele?

Edgar Brons: «Der Turm» von François Schuiten. Das fand ich von der Geschichte her nicht so aufregend, aber die Grafik war einfach toll. Schwarzweiß-Grafik, mit vielen Schraffuren. Das hat mich sehr angemacht.

COMIC!: Erfolgreiche Comics in Deutschland orientieren sich oft an einer bestimmten Subkultur: «Werner» z. B. an motoradfahrenden, biertrinkenden Lehrlingen, Gerhard Seyfried an der spontaneistischen Linken, Franziska Becker an emanzipierten Frauen, Ralf König an Schwulen. Das zeigt auch wieder: Sich an eine Subkultur anzulehnen ist ein Erfolgskriterium.

Edgar Brons: Ich habe versucht, mich an nichts anzulehnen. Ich habe immer das gemacht, was ich machen wollte, was mir Spaß gemacht hat. Und ich habe das große Glück gehabt, daß ich Klaus Bogdon kennengelernt habe. Denn er hat die Sachen so übernommen, wie ich sie ihm geschickt habe. Beim letzten «Jack & Billy»-Album hat er gesagt «Schick es mir, ich habe keine Zeit, das durchzulesen. Macht nichts, ich gebe das gleich weiter an die Druckerei.» Das fand ich richtig gut. Ich hätte es nicht abgekonnt, daß mir ein Redakteur sagt «Die Figur mußt du noch anders machen, und kannst du da nicht den Text verändern oder das Bild weglassen» oder sowas. Dann hätte ich es sein lassen, von Anfang an! Als Klaus Bogdon den Verlag aufgegeben hat, sagte er, er hätte noch jemand in einem kleinen Verlag, der würde das übernehmen. Ich habe es nicht gemacht, weil ich keine Lust hatte, mich auf Debatten einzulassen. Manchmal denke ich «Warst ein Idiot – hättest du besser gemacht.» Aber ich dachte, wenn die das anders sehen als ich, da hast du keinen Nerv zu. Und ich war auch ein bißchen ausgepowert. Das letzte «Jack & Billy»-Album habe ich mit ziemlichem Druck – von mir selber auch – gezeichnet, weil Klaus damals schon anklingen ließ, daß er den Verlag nicht mehr allzu lange machen wollte. Und ich dachte «Oh, da mußt du sehen, daß du es fertig kriegst».

COMIC!: Ist nichts mehr zu erwarten von «Jack & Billy»? Oder könnte noch was kommen?

Edgar Brons: Bis auf diese Cartoons, die ich im Augenblick noch keinem gezeigt habe. Aber ob da was draus wird? Sicher würde mich freuen, wenn was draus wird, aber es muß nicht. Ich habe mein Auskommen, und ich mache die Dinge nur, weil sie mir Spaß machen. Ich kann nur eins sagen: Es war eine richtig schöne Zeit. Es hat unheimlich Spaß gemacht. Und ich bekam Feedback, was ich bei meinem Job weniger habe. Ich bin zu Comic-Buchhandlungen eingeladen worden, habe da Autogramme gegeben, und die Leute standen um mich rum, und das hat Spaß gemacht. Es ist schön gewesen!

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2005
224 Seiten DIN A4, S/W
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