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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

Bestes Szenario:
«On the run» von Markus Grolik

Ein Porträt von Achim Schnurrer


Von Katzen, Kindern und der gemeinen Hausstaubmilbe

Stellen Sie sich vor, Sie wären so klein, daß man Sie nur mit einem Mikroskop wahrnehmen könnte. Stellen Sie sich vor, Sie hätten keinen Namen und neben Ihnen lebten noch einige Tausend - was sage ich - einige Millionen anderer, die ohne Wenn und Aber ebenso gut Sie selber sein könnten. Sie ganz persönlich, in unendlicher Reproduktion, laufend multipliziert. Je nachdem wie Ihr Ego strukturiert ist, fänden Sie das erschreckend oder? - etwa verdammt cool?!
In erster Linie ist er wohl ein Geschichtenerzähler. Für die besten braucht er gelegentlich noch nicht einmal Worte. Mit Fleiß und Energie arbeitet er daran, seinen kleinen und großen Lesern die Absurditäten der Welt zu erklären. Er tut dies, indem er das Obskure, das Bizarre, das uns alle jeden Tag, in jeder Minute anfallen kann und allzu häufig auch attackiert, in Bilder packt, die jeder versteht und die man trotzdem erst einmal lesen lernen muß. Dabei sind diese Geschichten oft so spielerisch und wirken so einfach, daß man sich bei der Frage ertappt: Habe ich etwas übersehen? Dann schaut man zum zweiten mal hin und stellt fest - eine ganze Menge. Viele seiner Arbeiten laden so auf eine unterschwellige Weise dazu ein, sich mehr als einmal damit zu beschäftigen. Diese unsichtbaren Fangleinen, die sie im Gedächtnis des Lesers und des Betrachters zu verankern verstehen, gehören zum Eigentümlichen, zum Außergewöhnlichen, zum besonderen Kennzeichen seiner Comics. Sie sind ihr Markenzeichen.
Wie üblich ist das, was einfach aussieht, ganz besonders schwer. Hinzu kommt, daß Markus Grolik das Außergewöhnliche in seiner Kunst häufig in scheinbar nebensächlichen Details versteckt. Das trifft vor allem auf das vor einem Jahr erschienene Album «On the Run» zu1.


Preisgekrönt und ohne Worte

2004 wurde Markus Grolik zum zweiten mal Vater und zum zweiten mal mit dem ICOM-Independent-Comic-Preis ausgezeichnet2. Und das bei einem - nimmt man die Comics - nachgerade magersüchtig schmalem Werk. Womit unterstrichen wird, daß es letztlich auf die Qualität und nicht auf die Quantität ankommt. Bezeichnenderweise wurde ihm der ICOM-Preis 2004 für das Szenario seines Albums «On the Run» zuerkannt, eine Bildergeschichte ohne Worte. Dabei hätten auch die Zeichenkünste des Markus Grolik eine Auszeichnung verdient. Schließlich sind sie es, die die Story erzählen und mit dramatischem Tempo vorantreiben. Und so werden mit dem Preis ja auch die teils filigranen, teils expressiv-flächigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen gewürdigt.
Ich behaupte, daß die Kunst der Comics in keiner anderen Form einen vollkommeneren Ausdruck findet, als in der wortlosen Bildergeschichte. So wie die reinste Form des Theaters ohne Zweifel die Kunst der Pantomime ist. Ohne Worte ist der Comic zu hundert Prozent auf sich selbst angewiesen, auf die ihm innewohnenden, ureigenen bildnerischen Ausdrucksmittel, ohne die Möglichkeit auf das Hilfsmittel geschriebener Texte zurückgreifen zu können. Noch etwas macht den Comic ohne Worte zu einer äußerst praktischen Sache. Man braucht keine Übersetzer. Die Universalität der Zeichensprache wird von den Menschen überall auf der Welt verstanden.
Trotzdem mußten wir alle auch dieses universelle System erst einmal lesen lernen. Jemand mußte uns sagen, die Geschichte fängt oben links an und hört unten rechts auf. Seit bei uns Mangas in japanischer Originalleserichtung veröffentlicht werden, ist auch das keine Selbstverständlichkeit mehr. Der nächste Schritt ist das (Wieder)Erkennen der Zeichen. «Diese Linien weisen tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Baum im Park auf, jener Umriss erinnert an ein Auto, der dort mit den Flecken soll eine Kuh sein, der gelbe Kreis mit den kranzförmig darum angeordnete Strichen ist die Sonne ...» Derartige Kulturtechniken werden Kindern von ihren Eltern ab jenem Moment vermittelt, wo sie mit ihnen gemeinsam die ersten Bilderbücher anschauen.



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