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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

Der US-Comic-Markt 2004

Von Stefan Pannor


Ganz Erstaunliches wußte das «Wall Street Journal» im August diesen Jahres zu berichten. Unter der Überschrift «Learning Japanese, Once About Resumes, Is Now About Cool» ging es da um die Tatsache, daß Japanologie-Kurse an den Universitäten auf einmal gewaltigen Zulauf erhalten. Während sich unter Wirtschaftstudenten Chinesisch zunehmend größerer Beliebtheit erfreut, heißt es da, seien es hauptsächlich Manga- und Anime-Fans, die ab sofort in den Japanisch-Kursen hocken würden.
Ein ähnlicher Effekt ist bereits seit einigen Jahren in der BRD zu beobachten. Überhaupt kommt einem vieles bekannt vor dieser Tage auf dem US-Comicmarkt: da werden mit großem Brimborium US-Mangakas gecastet, Manga-aktive Verlage sprießen wie Pilze aus dem Boden und clevere Rechner stellen fest, daß allein für das Jahr 2004 über 1.000 Einzeltitel in diesem Sektor erscheinen sollen. Was in Deutschland bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist, überrollt den nordamerikanischen Markt und läßt dortige Beobachter ratlos stehen.


1. Zahlen, Zahlen, Zahlen

Erstmals seit langem war im vergangenen Jahr wieder ein signifikanter Anstieg der Verkaufszahlen zu beobachten, der auch länger als nur eine Handvoll Monate anhielt. Mindestens sechs Titel pro Monat schafften den Sprung über die magische 100.000-Marke der Verkäufe, die heutzutage die Upper-Class des Comic-Kommerz markiert. Im Schnitt also doppelt so viele wie im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Insgesamt sechs Mal schafften es einzelne Ausgaben sogar über 150.000 Exemplare und drei Mal sogar über 200.000.Neben den üblichen Verdächtigen, also Marvels seit Jahren die Charts dominierenden X-Men-Titeln, waren hier vor allem die Event-Comics stark vertreten. Das lang erwartete Finale des Batman-Runs von Jeph Loeb und Jim Lee bescherte DC eine ihrer eher seltenen Pole-Positions. Ebenso kurz darauf das erste von Lee gezeichnete «Superman»-Heft. Auch das nach über 20 Jahren endlich realisierte Crossover der Rächer mit der Justice League landete mit allen vier Ausgaben auf Spitzenplätzen, ebenso alle Ausgaben von Neil Gaimans Mini-Serie «1602» für Marvel.
Allerdings sind die Zahlen sehr skeptisch zu sehen. Beruhen die hohen Verkäufe doch zum großen Teil auf dem Angebot von Variant-Covern und manchmal obskuren Vorbestellungs-Taktiken. Während DC oft einfach nur eine Ausgabe mit zwei verschiedenen Covern auf den Markt wirft, um die Verkäufe anzukurbeln (ebenso werden Zweitauflagen mit einem neuen Cover versehen), macht es Marvel seinen Kunden da gelegentlich schwerer. Um etwa eine Ausgabe einer exklusiv gestalteten «Ultimate Spider-Man»-Story zu bekomme (die Serie liegt mit fast 100.000 Verkäufen pro Monat ebenfalls im Beststeller-Bereich), mußte ein Händler 20 Exemplare der neugestarteten «Amazing Fantasy»-Serie ordern. Die eine Serie hat zwar mit der anderen nichts zu tun - aber immerhin zieht man so die Aufmerksamkeit auf den neuen Titel.
US-Beobachter sehen die Entwicklung mit Sorge. Bereits in den frühen 90ern hatte ein ähnliches Hantieren mit Variant- und Spezialcovern zu einer gewaltigen Spekulationsblase geführt, die für kurze Zeit traumhafte Verkäufe bescherte. Und ebenso schnell platzte und mitverantwortlich ist für den heutigen Zustand des Marktes. Die Verlage geben sich dagegen gelassen. Man wolle, heißt es aus den diversen Chefetagen, derart die Aufmerksamkeit gezielter auf bestimmte Titel lenken.
Durch die steigende Zahl an Bestsellern verschoben sich jedenfalls auch die weiteren Chart-Positionen. Im Schnitt 30 Titel schaffen den Sprung über die 50.000er-Marke (2003: 25). Dieser Bereich des Marktes wird eindeutig von Marvel dominiert - jeweils knapp 20 Titel der Top 30 stammten aus dem «Haus der Ideen». Den Rest des Kuchen schnappt sich DC und nur sehr gelegentlich dringt ein Titel eines anderen Verlages in diese Verkaufsbereiche vor.
In den tieferen Regionen bleibt dann aber alles beim alten. Grade noch 20.000 Verkäufe schafft ein Titel auf Rang 100, darunter fällt das Zählen dann zusehends schwerer. Auch im Bereich bis 100 dominiert Marvel, relativ dicht gefolgt von DCs Superhelden-Schiene. Titel anderer Verlage und Label wie Image, Dark Horse oder Vertigo finden sich praktisch ausschließlich jenseits dieses Rangs.
Kein Grund also, von einer wirklichen Entspannung der Marktlage zu reden. Zumal auch die Comicpreise einmal mehr anstiegen. Kein Comic kostet mehr weniger als $ 2,25. Ein Durchschnittspreis von $ 2,75 ist inzwischen normal, mit starker Tendenz nach oben. Gerade potentielle Bestseller wie Gaimans «1602», Garth Ennis’ Punisher-Miniserie «Born» oder die «Hulk»-Miniserie von Jeph Loeb & Tim Sale liegen bei gleichem Umfang und ähnlicher Ausstattung wie ein reguläres Comic-Heft inzwischen sogar schon deutlich über drei Dollar.
Nicht berücksichtigt werden konnte bei dieser Betrachtung einmal mehr der Verkauf über Supermärkte und Kioske. Insbesondere die Comics zu Trickfilmserien und allgemein alle Titel für ein jüngeres Publikum dürften ihre Hauptkäuferschaft außerhalb der Comicshops haben, weshalb sie vom Vorbestell-System des Direkt-Vertriebs Diamond nicht erfaßt werden, auf dem die Verkaufscharts beruhen.
Und dann ist da noch der Sonderfall Manga und die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen



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