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COMIC!-Jahrbuch 2005
Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

Die Invasion der «Tankobon»
Der spanische Comicmarkt im Umbruch

Von Breixo Harguindey Barrio
aus dem Spanischen von Christof Ruoss


Vor nicht allzulanger Zeit existierte das, was gemeinhin als das «Comicland Spanien» bezeichnet wurde. Die Helden der großen spanischen Comicserien erfreuten sich enormer Popularität und waren als selbstverständlicher Teil spanischer Populärkultur allgemein anerkannt. Mit dem Niedergang des einflußreichen Verlagshauses Bruguera 1986 allerdings wurde diesem glücklichen Zustand schlagartig die Basis einer funktionierenden Comicindustrie entzogen.
Trotzdem und obwohl seitdem nie wieder an die Verkäufe damaliger Zeiten angeknüpft werden konnte, hat Spanien bis heute einen bedeutenden und erstaunlich aktiven Comicmarkt vorzuweisen. Betrachtet man ausschließlich die Anzahl publizierter Titel (und nicht deren verkaufte Auflagen) so erreicht die spanische Comic-Produktion sogar etwa die Hälfte des Ausstoßes des allgemein um seine «paradiesischen Zustände» beneideten Nachbarmarktes Frankreich.
Ehe wir uns aber nun etwas eingehender mit dieser aktuellen Situation befassen, wollen wir uns zuerst einen kurzen Überblick über die jüngste Geschichte der hiesigen Comic-Industrie verschaffen.*

Zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts rangen vor allem zwei Verlagsunternehmen um die Kontrolle des spanischen Comicmarktes: Grupo Z auf der einen Seite und Planeta de Agostini auf der anderen. Mit dem Trumpf des exklusiven Zugriffs auf Marvel-Material sowie durch eine äußerst effiziente Verlagspolitik entschied Planeta dieses Tauziehen bald für sich und befindet sich seither in der höchst bequemen Situation unumstrittener Marktführerschaft. Während des vergangenen Jahrzehnts war «einen Comic kaufen» in Spanien nahezu gleichbedeutend mit «ein amerikanisches Comic-book von Planeta kaufen». Dieser enge Zusammenhang zwischen Format, Inhalt und Verlagshaus war lange Zeit absolut marktprägend. Seit Anbruch des neuen Jahrtausends und speziell in den vergangenen zwei Jahren ergaben sich dann allerdings eine Reihe wichtiger Veränderungen, deren endgültige Folgen sich bislang nur erahnen lassen. Der bisherige «Kopf» der Programmplanung, der angesehene Historiker Antonio Martín, verließ Planeta, und der Verlag begann, neben dem erprobten Comic-book-Format fortan auch klassische Buch-Formate in seine Marktstrategie mit einzubinden.
Auf den ersten Blick scheint dies nicht viel verändert zu haben: Planeta zeichnet weiterhin für praktisch die Hälfte aller in Spanien veröffentlichten Comicpublikationen verantwortlich, und gut zwei Drittel dieser Produktion enthalten US-amerikanisches Lizenzmaterial. Oder umgekehrt betrachtet: die Hälfte aller in Spanien erscheinenden Comics sind amerikanischer Herkunft und zwei Drittel davon stammen aus dem Hause Planeta; für ernstzunehmende Konkurrenz scheint in diesem Panorama kein Platz zu sein.
Nun steckt allerdings - wie in nahezu allen uns bekannten Märkten - auch hierzulande das Comic-book-Format seit geraumer Zeit in der Krise, und bezeichnenderweise wurden gerade im vergangenen Jahr in Spanien erstmals mehr Comics in Buchformaten als im herkömmlichen Comic-book-Format verlegt. Beim Verlag Glénat beispielsweise sind 8 von 10 publizierten Titeln heute Bücher, immerhin noch 6 von 10 beim Dritten der «Großen», Norma, und bei Planeta selbst sind es immerhin schon vier von zehn Titeln (mehr als der verbleibende Anteil seiner klassischen Comic-books).
In den vergangenen Jahren zeigt sich selbst auf dem US-Markt immer deutlicher die Tendenz hin zum Trade-paperback und vergleichbaren Buchformaten. Analog dazu steigt auch die Akzeptanz dieser Sammel- oder Rekopilationsformate bei spanischen Käufern. Nach einer langen Phase spekulativ überreizter Titelschwemme bekommen die US-Verlage jüngst einen deutlichen Wandel im Kaufverhalten der Fans zu spüren. In gewisser Hinsicht scheint sich hier zu wiederholen, was in Europa seit Mitte der achziger Jahre im Zeitschriftenmarkt passierte.



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