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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2001
240 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2001

Comic: zensiert - Der "Alpha-Prozess"
Eine Bilanz nach sechs Jahren

Von Burkhard Ihme

Am 13. März 2001 begann am Landgericht Meiningen die dritte Prozessrunde gegen die Geschäftsführer der Edition Kunst der Comics GmbH (Alpha Comic Verlag), Sonneberg, Ilse Achatz, Achim Schnurrer und Hörb Schröppel. Die Anklage warf den Verlegern die Verbreitung von pornografischen und Gewalt verherrlichenden Comics vor. Dieses seit 1995 gegen die Edition Kunst der Comics/Alpha Comic Verlag betriebene Verfahren hat in der Vergangenheit schon für erheblichen Wirbel gesorgt.
Ende Juli 1995 stürmten auf Veranlassung von Oberstaatsanwalt Hönninger (Staatsanwaltschaft Meiningen) vierzig bewaffnete Polizisten das Verlagshaus in Sonneberg auf der Suche nach Pornographie und Gewalt verherrlichenden Schriften. Einkassiert wurden nach stundenlanger Durchsuchung mehr als hundert verschiedene Comic-Titel, darunter auch ausländisches Archiv-Material. Ausgelöst wurde diese Aktion durch eine Anzeige eines gewissen Michael Brenner aus Neckargmünd, der in der Begründung seiner Anzeige u. a. ausführt, dass Ralf Königs Buch "Kondom des Grauens" pornografisch wegen seines homosexuellen Inhalts sei.
Die Staatsanwaltschaft Meiningen und das Amtsgericht Sonneberg erweiterten kurz nach der Polizei-Aktion die Vorwürfe gegen die Edition Kunst der Comics und den Alpha Comic Verlag um den Vorwurf der Nazi-Propaganda. Sie begründeten diesen Vorwurf u. a. mit einem ebenfalls beschlagnahmten Plakat von Art Spiegelman, das Anlässlich seiner Maus-Ausstellung während des Comic-Salons 1990 vom Kulturamt der Stadt Erlangen herausgegeben und seitdem über die Edition Kunst der Comics vertrieben wird. Hinweise durch die Anwältin der Verlage, dass der New Yorker Jude und Pulitzerpreisträger Art Spiegelman schwerlich ein Nazi sein könne, schenkte die Staatsanwaltschaft keine Beachtung.
Ostern 1996 eskalierte die Situation. Ließ schon der Einsatz gegen die acht Mitarbeiter im Verlagshaus Sonneberg mit vierzig bewaffneten Polizisten am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel ernsthaft zweifeln, so kann der zweite Vorstoß der Meininger Staatsanwaltschaft nur als eine historisch neue Dimension bezeichnet werden. Auf Grund einer Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen, die an über 480 Polizeidienststellen ergangen ist, ermittelten Polizisten im gesamten Bundesgebiet gegenüber fast 1200 Buchhandlungen. Wie bereits der Börsenverein des Deutschen Buchhandels festgestellt hat, handelt es sich dabei um einen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaligen Vorgang.
Während also im Zuge dieser Aktion versucht wurde, etwa ein Fünftel des ganzen deutschen Buchhandels zu kriminalisieren, beschlagnahmte die Polizei mittlerweile längst nicht mehr nur Bücher aus der Edition Kunst der Comics und dem Alpha Comic Verlag, sondern kassierte auch munter Titel anderer Verlage wie Rowohlt, Eichhorn und Carlsen mit ein. Bevorzugtes Ziel der Beschlagnahmungen war, wen kann das noch wundern, Ralf Königs Bestseller "Kondom des Grauens". Doch auch Ralf Königs Bücher bei Carlsen und Rowohlt waren betroffen, und mit deutscher Gründlichkeit wurde - wieder einmal - "Das kleine Arschloch" von Walter Moers ebenfalls zum Objekt der polizeilichen Begierde...

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