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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2001
240 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2001

Zwanzig Jahre ICOM
Der Anfang

Von Achim Schnurrer

Das Vorspiel

Achim Schnurrer

In den 70er Jahren begann während des Studiums, ohne dass mir das bewusst war, meine Verwandlung vom Comic-Fan zum Profi. Ich lernte zum Beispiel einen damals etwa 16- oder 17jährigen Schüler kennen, der eigens wegen einer kleinen Comic-Ausstellung, die ich für die Volkshochschule Bergisch Gladbach zusammengestellt hatte, aus Hannover angereist kam. Er hatte vor, in einem von ihm und einem Schweizer Kumpel namens René Lehner publizierten Fanzine darüber zu berichten. Der Name des Schülers aus Hannover war Andreas C. Knigge und das Fanzine hieß "Comixene".
Wenig später merkte ich, dass auf einer Party hinter meinem Rücken abgelästert und getuschelt wurde. Jemand nahm mich schließlich beiseite und weihte mich ein: "Da drüben ist noch so ein Irrer wie du, der jede Menge Comics hortet...“ So lernte ich Hartmut Becker kennen. Inzwischen hatte ich bereits einige Artikel für die Comixene geschrieben. Dann konnte ich meinem Professor eine Examensarbeit über Comics aufschwatzen, die mir einen guten Abschluss verschaffen sollte, und Andreas C. Knigge bestand sein Abitur und wollte nicht zum Bund. Die Einberufung zum Zivildienst nötigte ihn schließlich zu einer Art Hilferuf nach Köln.

In Hartmut Beckers klapprigem R 4 fuhren wir nach Hannover und ließen uns als Mitherausgeber für die "Comixene" engagieren, um ihren Fortbestand während Knigges Zivildienstzeit zu garantieren. Sofort versuchten wir das Magazin zu professionalisieren. Um Missverständnissen vorzubeugen, dies bezog sich nicht auf den Inhalt, sondern auf die Verbreitung und gelang vor allem durch einige vertriebliche Maßnahmen, die eine Auflagensteigerung zur Folge hatten. Wir gingen in Köln zum Pressevertrieb Saarbach, der damals eigentlich auf die Auslieferung von fremdsprachigen Presseerzeugnissen in Deutschland spezialisiert war. Doch genau deshalb war dieser Vertrieb der Richtige für uns, denn er war gewohnt mit relativ kleinen Auflagen trotzdem profitabel zu handeln. Die "Comixene" kam so in den Presse-Grosso und den Bahnhofsbuchhandel, die Auflage ließ sich steigern, die Mehreinnahmen z.B. in den Luxus von Farbseiten investieren.

Hartmut Becker zog schließlich ganz nach Hannover und mir stellte sich nach meinem Studium die Frage, womit willst du deine Brötchen verdienen? Vorträge auf Volkshochschulen, die Organisation von Ausstellungen, ein Hiwi-Job an der PH, all das war ein gutes Zubrot, machte aber nicht satt. Die Einkünfte waren zu unregelmäßig.
Da hörte ich von einem Bekannten, Wolfgang Schiffer, der seinerzeit begann, für den WDR zu arbeiten (und dort heute der Chef der Hörspielabteilung ist), dass im nahen Bergisch-Gladbach der Bastei Verlag Autoren für einige seiner Comic-Serien suchte. Wolfgang Schiffer hatte bereits als Autor für Bastei gearbeitet und mir gelegentlich, wenn er zu viel zu tun hatte, einige Subaufträge für Comic-Szenarios abgegeben. So wusste ich, was mich erwartete, als ich mich bei Bastei in der Comic-Redaktion vorstellte. Etwa zur gleichen Zeit hatte Bastei auch im Kölner Stadt-Anzeiger seine Autorensuche inseriert. Später erzählte man mir, dass sich über 200 Leute beworben hätten, die Comic-Autoren werden wollten. Zwei wurden schließlich genommen. Kiefersauer.
Ich kann mich nicht mehr an den Namen des ersten Redakteurs erinnern, mit dem ich dort zu tun hatte, später waren es jedenfalls Werner Geismar und Ewald Fehlau. Ungefähr zur gleichen Zeit hat auch Hajo F. Breuer bei Bastei angefangen. Ansonsten kannte ich jedoch kaum andere Leute, die Comics zu ihrem Beruf gemacht hatten.
Zu den wenigen, mit denen ich mich über die Branche austauschen konnte, gehörte Eddy Brons, der ebenfalls gerade begonnen hatte, mit Comics Geld zu verdienen. Mit ihm und seiner damaligen Frau Ruth verband mich eine herzliche, auch über bunte Bildchen hinausgehende Freundschaft. Er zeichnete seinerzeit für Kaukas "Fix und Foxi"-Taschenbücher.

Von meinem Auftraggeber Bastei gewann ich immer stärker den Eindruck, dass er vermied, ja dass es ihm ausgesprochen unangenehm war, wenn sich die Kreativen untereinander kennen lernten. Während die Vernetzung innerhalb der Comic-Fan-Szene immer stärker wurde, nicht zuletzt dank eines Magazins wie "Comixene", aber auch wegen der von Hartmut Becker (kurzzeitig auch von mir) organisierten Kölner Comic-Börsen (damals hießen solche Veranstaltungen noch Tauschmärkte), wusste man zwar von der Existenz des einen oder anderen Zeichners, des einen oder anderen Übersetzers oder Autors, aber nur selten hatte man sich mal persönlich gesehen und kennen gelernt. Oft hatte man keinen blassen Schimmer, wo ein bestimmter Zeichner oder Autor zu finden war. Es war schon überraschend, später, nachdem der ICOM ins Leben gerufen worden war, zu erfahren, dass Zeichnerstars wie Riccardo Rinaldi nicht, wie der Name vermuten ließ, in Italien zu Hause waren, sondern in München.

Als Comic-Zeichner oder Szenarist fühlte man sich in jener Zeit bestenfalls wie ein Exot. Oft aber, wenn man nicht so gut drauf war, empfand man diesen Job eher wie eine ansteckende Krankheit. Wurde man in einer Kneipe oder auf einer Party gefragt, "was man denn so mache", erfand man am besten irgendwelche Phantasieberufe. (Psychiater, Archäologe oder professioneller Märchenerzähler kam seinerzeit bei Frauen immer besonders gut an. War man aber so dusselig und erzählte die schlichte Wahrheit, "ich schreibe Stories für Comic-Hefte", dann provozierte dies kurzfristiges Gegacker. "Ja, ja, Donald Duck..." oder "Ah, du schreibst also dieses Boing, Bumm, Platsch!" Man erreichte damit nur, dass sich die Angebetete gelangweilt von einem abwandte.)

Der erste Akt

Solcherart wuchs also das Verlangen, aus der Isolation auszubrechen und andere "Macher" aus der Branche kennen zu lernen. Aber natürlich gab es auch noch einige ganz pragmatische Überlegungen und Fragen. "Was verdienen eigentlich die Szenaristen von anderen Serien oder in anderen Verlagen?" "Wirst du von deinem Verlag vielleicht bewusst kurz gehalten?" "Gibt es möglicherweise Alternativen zur jetzigen Situation?"

Aus diesem Grund veröffentlichten Eddy Brons und ich schließlich eine Klein-Anzeige in der Comixene. Anlässlich der Comic-Börse in Köln luden wir jeden Comic-Zeichner, Autor, Übersetzer, Redakteur etc. ein, um sich am Rande dieser Veranstaltung mal kennen zulernen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Das erste ICOM-Treffen fand also im Anschluss der Comic-Börse im Wohnzimmer von Ruth und Eddy Brons statt. Und zwar am 25. Oktober 1980.

Kurz darauf wurden die ICOM-Treffen dann Anlässlich meines Umzugs ins Frankenland nach Erlangen verlegt. Doch von Anfang an kristallisierten sich auf diesen Treffen die ersten Ziele heraus, die der ICOM anvisierte. Diese Ziele existierten jedenfalls schon einige Zeit bevor sich der Verband, der ja ursprünglich "Interessenverband Comic-Zeichner und Autoren" hieß, offiziell konstituierte und eine Satzung gab.
Zu den Intentionen zählte, die Zeichner, Autoren, Übersetzer etc. untereinander zu vernetzen, sowie branchenspezifische Informationen auszutauschen und weiterzuleiten. Daraus aber ergab sich als quasi übergeordnete Motivation, in Deutschland etwas zur Imageverbesserung der bunten Bilderwelten zu tun.
Schließlich war Deutschland damals noch weit mehr als heute in Bezug auf Comics tiefste Provinz, nachgerade ein Entwicklungsland. Und nicht zuletzt war es immer noch das Land, das in seinem öffentlichen Bewusstsein Comics als "Schmutz und Schund" abtat. Noch Mitte der 80er Jahre gab es öffentliche Institutionen, die mit einschlägigen Aktionen gegen das "Comic-Unwesen" zu Felde zogen. "Tausche deine Comics und andere Schundhefte gegen ein gutes Buch!" (Eigentlich ja eine bestechende Idee für Sammler, um möglichst billig an die Objekte der Begierde heranzukommen.)

So wurden die Erlanger ICOM-Treffen schon bald mit kleinen Veranstaltungen, Ausstellungen und Vorträgen garniert, um auch den Blick der Öffentlichkeit auf die schönen, edlen und hehren Seiten der Comic-Kunst zu lenken. Das Kulturamt der Stadt Erlangen, namentlich Karl-Manfred Fischer hatte ich schon Ende der 70er Jahre kennen gelernt, Anlässlich einer von Hartmut Becker und mir für den Kölnischen Kunstverein organisierten Wanderausstellung. Sie hieß "Die Kinder des Fliegenden Robert" und wurde auch in der von Fischer geleiteten Städtischen Galerie gezeigt. Es war übrigens die erste Ausstellung, die sich mit den so genannten Comic-Vorläufern, also mit der Tradition der Bildergeschichte im deutschsprachigen Raum auseinandergesetzt hat.

Als offizielles Gründungsdatum des ICOM wird immer der 21./22. März 1981 angegeben, weil bei dieser Mitgliederversammlung der Beschluss gefasst wurde, eine Satzung auszuarbeiten und ein dreiköpfiger Vorstand (Achim Schnurrer, Gerd Zimmer und Ruth Brons) gewählt wurde. Soviel zur offiziellen Geschichtsschreibung. Für mich persönlich begann die Gründung jedoch, wie zuvor schon erwähnt, ein halbes Jahr früher in Köln.

Das Kulturamt der Stadt Erlangen stellte für die ICOM-Versammlungen Räumlichkeiten, Personal und - in bescheidenem Umfang - auch Geld zur Verfügung. So trafen sich die ICOM-Mitglieder in jener Zeit mehr oder weniger regelmäßig im so genannten "Kulturtreff" in der Helmstraße. Ein weiteres frühes Mitglied des ICOM kam ins Fränkische. Ich selber wohnte damals in einem kleinen Dorf in der Nähe Erlangens und in das nur zwei Kilometer entfernten Nachbardorf zog Gerd Zimmer, hauptberuflich Bahnbeamter und im Nebenjob als Szenarist tätig, seinerzeit übrigens auch für den Bastei-Verlag. Er und ich wurden Vorstand des Verbandes. Gerd hat sich schon früh um die ICOM-Infos gekümmert, die mehr oder weniger regelmäßig an die Mitglieder versandt wurden. Die Infos waren in der Anfangszeit beidseitig fotokopierte Blätter, die auf DIN A 5 zusammengefaltet wurden. Da diese Infos anfangs nur intern unter den Mitgliedern zirkulierten, waren sie bewusst schlicht und ohne jeden grafischen Anspruch gemacht. Bei der Bahn war Gerd Zimmer aktiver Gewerkschaftler, und schon früh versuchte er, dem Verband aus heillos individualistischen Comic-Kreativ-Chaoten eine stramm gewerkschaftliche Ausrichtung und Organisationsform zu verpassen. Das ist natürlich etwas übertrieben. Richtiger ist, dass die Energie, die Gerd Zimmer in die Organisation des ICOM investierte, das Überleben des Verbandes gesichert hat. Schon damals war es ausschließlich dem Engagement einiger ganz weniger Personen zu verdanken, dass der ICOM überhaupt Bestand hatte und weiterexistierte. Daran hat sich ja bis heute nicht viel geändert. Und zumindest in diesem Punkt kann man dem ICOM eine ungebrochene Kontinuität bescheinigen.

Ein schwieriges Verhältnis - ICOM und der Erlanger Comic-Salon

Cover des Erlanger Programmhefts 1986Seit Anfang der 80er Jahre besuchte ich Comic-Festivals in Italien, Spanien und Frankreich. Besonders der "Salon International de la Bande Dessinée" in Angoulême war eine Veranstaltung, die mir großen Respekt einflößte. Hier stimmte (fast) alles. Professionalität gemischt mit einer Prise freundlichen Chaos’ bestimmte die Organisation. Die Präsentation der Ausstellungen unterstrich den Kult- und Kunstcharakter der gezeigten Originale. Die meisten Verlage offerierten ihre bekannten Künstler und daneben ihre unbekannten Newcomer wie Stars, aber ohne die Unnahbarkeit und Distanz, die heute teilweise auch in der Comic-Szene Einzug gehalten hat. Etwas chaotischer waren schon viele Veranstaltungen, jedoch das bestimmende, das Beste an ganz Angoulême waren die zahllosen Künstler und das neugierige, aufgeschlossene, in großen Scharen anreisende Publikum. Diese Mixtur war für die unvergleichliche Atmosphäre des Salons verantwortlich, und damals begriff ich, dass das wesentlichste Element für den Erfolg einer solchen Veranstaltung diese einzigartige emotionale Komponente war, die zu jener Zeit kein anderes Comic-Festival, sei es Lucca oder Barcelona, so herstellen konnte wie Angoulême. Hier gelang der Spagat, zumindest unbewusst das Gefühl zu vermitteln, dass Comics Kunst und Vergnügen sind. dass dieses reiche Spannungsfeld zwischen Trivialität und höchsten künstlerischen Qualitätsansprüchen, zwischen populärer Massenkultur und Avantgarde, zwischen naivster Kindergeschichte und anspruchsvollster Lektüre für Erwachsene, dass dieses Spannungsfeld der Comics, egal wie widersprüchlich es in sich sein mag, zu den phantastischsten Medien der Gegenwart gehört und damit den anderen Künsten absolut ebenbürtig ist.

Und so kam ich mit einem Traum nach Deutschland zurück. Ein Festival mit einer solchen Atmosphäre, mit einer solchen emotionalen Qualität, wenn dies hier bei uns gelingen könnte, dann würde dies dem ungeliebten Stiefkind der Künste, diesem Bastard aus bildender Kunst und Literatur, enormen Auftrieb verleihen.
Natürlich war das irgendwie komplett größenwahnsinnig, aber auch der einzig mögliche Ansatz, um die im allgemeinen Bewusstsein damals kaum beachtenswerte Nebensächlichkeit Comics in der Öffentlichkeit zu einer schönen und damit beachtenswerten Nebensache zu machen. Mehr sollte es ja nicht sein. Ein bisschen Respekt sollte halt herausspringen, einigen Leuten die Augen öffnen: "Wow! Das ist doch mehr als nur billiger, trivialer und rasch hingerotzter Kinderkram!"
Es wäre natürlich völlig unrealistisch gewesen, auch nur einen Bruchteil der gewaltigen öffentlichen Resonanz auch in Erlangen zu erwarten. Bereits damals hatte Angoulême rund hunderttausend Besucher. Aber wenn man vielleicht tausend Leute würde mobilisieren können, wenn es gelingen könnte, wie in Angoulême auch in Erlangen die Stadt selber, die Geschäfte, die öffentlichen Plätze mit in das Spektakel einzubeziehen, dann sollte es möglich sein, zumindest Ansätze dieser Atmosphäre zu erzeugen, dieses Gefühl, dass es um etwas anderes geht als puren Kommerz, nämlich die ganz selbstverständliche Selbstdarstellung eines bestimmten Bereichs der populären Kultur.

Solche Gedanken, derart hemmungslos romantische Vorstellungen geisterten also durch meinen Schädel, und etwas von dieser Begeisterung muss wohl auch auf Karl Manfred Fischer übergesprungen sein, dem ich natürlich ausführlich und immer wieder von der Notwendigkeit zu überzeugen versuchte, aus den kleinen und beschaulichen ICOM-Mitgliederversammlungen aufzubrechen und den Schritt zu einer größeren Veranstaltung zu wagen.

Interessanterweise taucht in den ICOM-Infos jener Zeit bereits sehr häufig der Name "Erlanger Comic-Salon" auf, und zwar wurden die bereits stattgefundenen und geplanten Mitgliederversammlungen kurzerhand so genannt. Es ist nur eine Marginalie und nur für ICOM-Puristen und Nostalgiker interessant, aber nach der Zählung in den ICOM-Infos wäre der 1984er Comic-Salon bereits der vierte Salon gewesen. Um die Verwirrung komplett zu machen, wurde der nach dieser Zählung zweite Salon dann nach außen hin "Comic Con" genannt. Wie auch immer, am 16. Juni 1983 fand im Kulturamt ein erstes Vorbereitungsgespräch zum Comic-Salon statt. Teilnehmer waren von Seiten des Kulturamts Karl Manfred Fischer und Lisa Puyplat. Als Verleger war Abi Melzer anwesend, der zudem seinen Verlagsvertreter Reinhard Newrzella mitgebracht hatte. Beide traten daraufhin dem ICOM bei, von dem neben Gerd Zimmer und mir noch folgende Mitglieder an diesem Gespräch teilnahmen: Hartmut Becker, Paul Derouet, Riccardo Rinaldi und André Roche.

Zuvor aber, sozusagen als Testlauf für den ersten regulären Internationalen Comic-Salon Erlangen 1984, fand rund anderthalb Jahre zuvor der erste Erlanger Comic Con ‘82 statt. Noch immer war der Kulturtreff Helmstraße der Hauptveranstaltungsort, aber mit Herbert Feuerstein, damals Chefredakteur von MAD, fand einer der ersten Stars der deutschen Comic-Szene seinen Weg nach Erlangen. Mit ihm kam Ivica Astalos, viel beschäftigter Chefzeichner von MAD und ICOM-Mitglied der ersten Stunde. Mali und Werner gestalteten eines der beiden Plakate, den Entwurf für das zweite lieferte Chris Lynch (d. i. Chris Schnee, ein hochbegabter junger Zeichner, eines von leider so vielen Talenten, die mal kurz in Erscheinung treten, um dann wieder sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden). So verschwendeten wir den knappen Etat für zwei mit Siebdruck auf Packpapier gedruckte Plakate. Chris Schnee zeichnete außerdem - unübersehbar von Moebius beeinflusst - das Titelbild des kleinen im Schnelldruck hergestellten Programmfolders. Das war alles noch ziemlich dilettantisch gestrickt, der Folder sah aus wie eine schlechtgemachte Schülerzeitung. Generös sahen aber damals die meisten Beteiligten und vor allem die Presse über diese Anfängerstümpereien hinweg. Alles in allem konnten angereiste Künstler, Vorträge und Ausstellung soweit überzeugen, dass genug Potential vorhanden war, um Größeres zu wagen.

Vorher musste allerdings noch ein neuer Name für das nächste Ereignis gefunden werden. Denn zu den weniger angenehmen Begleiterscheinungen jenes Erlanger Comic Cons zählte ein Schreiben von der Firma Comicon, einem Kauka-Ableger aus München. In diesem Brief wurde uns untersagt, den guten Namen dieser Firma weiter für das unsägliche Unterfangen eines Comic-Festivals zu benutzen. Mein Vorschlag, dass doch beide Seiten von einer solchen Veranstaltung profitieren könnten, stieß leider nur auf taube Ohren. Vielleicht war’s aber auch besser so. Denn nur auf Grund dieser harschen Intervention wurde wieder auf den heute so klingenden Namen "Internationaler Comic-Salon Erlangen" zurückgegriffen. Denn ursprünglich war diese Bezeichnung bereits durchgefallen. Während ich damit gerne auf das Vorbild Angoulême verwiesen hätte, wurde seinerzeit von Seiten des Kulturamts nicht zu Unrecht argumentiert, dass "Salon" doch zu stark an Auto-Händler und Friseure erinnere. Weshalb es dann zu diesem einmaligen Comic-Con-Vorläufer kam. Heute hat niemand mehr solche Assoziationen.

Im unmittelbaren Vorfeld des ersten Erlanger Comic-Salons lastete die organisatorische Hauptarbeit auf meinen Schultern. Die vom Kulturamt bereitgestellte logistische und personelle Unterstützung war unverzichtbar, ebenso natürlich die Tatsache, dass Karl Manfred Fischers Amt Gelder für die Veranstaltung bewilligt bekam. Der heutige Kulturreferent von Frankfurt am Main, Dr. Hans Bernhard Nordhoff, war damals SPD-Stadtrat in Erlangen und einer der wenigen Befürworter des Salons in dieser Partei. Ironischerweise konnte der Salon jahrelang nur mit den Stimmen von CSU, FDP, Freien Wählern und natürlich dank des Einflusses von Oberbürgermeister Hahlweg (SPD) gegen die Stimmen seiner Partei und gegen die Stimmen der Grünen durchgesetzt werden.

Auch heute noch bilden diese drei Säulen die Basis für jeden Salon:
• die von Verlagen, Händlern und natürlich durch die Anwesenheit von Künstlern geadelte Comic-Messe
• Ausstellungen
• Veranstaltungen, also Vorträge, Podiumsdiskussionen, Trickfilmprogramm, Tauschbörse und vor allem die Preisverleihung
Das war schon beim ersten Salon 1984 so, und die Organisation aller drei Bereiche samt ihrer Einzelthemen musste bewältigt werden.

Die Hauptausstellung des ersten Salons in der Städtischen Galerie sollte, eine bewusste Provokation, "Die Kunst der Comics" heißen. Dieser Titel fiel mir ein, als ich zusammen mit Riccardo Rinaldi nach Italien fuhr, um dort in Rapallo den Disney-Autor Carlo Chendi und den Zeichner Luciano Bottaro (u. a. bekannt durch "Pepito") zu besuchen. Die beiden betrieben zusammen das Studio "Bierecci" und hatten in der Vergangenheit immer wieder prominente Comic-Zeichner aus aller Welt an die ligurische Küste eingeladen. So war quasi als Begleiterscheinung eine bedeutende und hochkarätige Sammlung an Comic-Originalen entstanden, in der sich Schätze aus der Frühzeit bis zur damals aktuellen internationalen Szene befanden. Hal Foster, Burne Hogarth, Carl Barks, George McManus, George Herriman, Rudolphe Dirks, Chester Gould, Hergé, Benito Jacovitti, Franquin, Jijé, Crepax - das waren nur ein paar der Künstler, von denen Originale in dieser Ausstellung zu sehen waren. Der Hauptfundus kam aus Italien, aber auch andere Sammler steuerten noch wichtige Stücke bei. Die einzige Möglichkeit, diese inhaltlich einigermaßen disparaten und stilistisch unterschiedlichen Blätter in einer Ausstellung zusammenzufassen, bestand darin, sie wie eine Art Comic-Museum zu präsentieren und anhand dieser Originale Spotlights auf die Kunstgeschichte der Comics zu werfen.

Eine weitere Ausstellung auf dem ersten Comic-Salon stammte vom damaligen ICOM-Mitglied Eckart Sackmann, der zur Figur des Redaktionsigels "Mecki", dem Maskottchen der Fernsehzeitschrift "Hör zu", interessantes Material zusammengestellt hatte.

Eine Sonderschau beschäftigte sich mit dem 50. Geburtstag von Donald Duck, entstanden in enger Zusammenarbeit mit den Hamburger Donaldisten. Das Thema wurde auch noch durch einige Veranstaltungen ergänzt, etwa das Streitgespräch "Wo liegt Entenhausen" zwischen Hans von Storch und Grobian Gans.
Eine F.K.-Waechter-Einzelausstellung bot den willkommenen Anlass, Teile der "Titanic"-Crew nach Erlangen einzuladen, die neben der legendären "Hau-Schau" (Die Wahrheit über Arnold Hau) von Waechter und Bernd Eilert auch die dramatische Lesung "Fug bis Unfug" von und mit Chlodwig Poth, Horst Tomayer und F.W. Bernstein darboten.

Die Verbindung von Rockmusik und Comics wurde mit einer von Horst Berner (ebenfalls ICOM-Mitglied) zusammengestellten Ausstellung "Mythen auf Tüten" dokumentiert, in der zahlreiche von Comic-Künstlern gezeichnete Plattencover gezeigt wurden.

Gerd Bauer, Nürnberger Karikaturist und langjähriges Mitglied beim ICOM, konnte Anlässlich des Salons eine Auswahl seiner besten Cartoons in der Buchhandlung Sonja Heinlein präsentieren, und außerdem zeichnete der ICOM für die im französischen Kulturinstitut gezeigte Ausstellung "Comics gegen den Krieg" verantwortlich.

Ohne Verlage, Agenturen und Händler hätte aber das Herzstück des Salons, die Verlagsmesse gefehlt. Deshalb hatte ich schon frühzeitig alle vorhandenen Kontakte aktiviert, um möglichst viele Verlage zur Teilnahme zu bewegen. Offizielle Anschreiben des Kulturamts der Stadt Erlangen unterstrichen die Seriosität, mit der sich das Projekt "Comic-Salon" deutlich von Comic-Börsen und Tauschtagen abheben wollte.
Ich wurde zu einem Reisenden in Sachen Comics. Keine Ahnung, wie oft ich auf Grund der Salon-Vorbereitungen allein in Frankfurt war. Besuche beim Melzer Verlag, bei Bulls Pressedienst, bei Klaus Strzyz und Volker Reiche, bei F.K. Waechter und nicht zuletzt bei der Messe-GmbH der Frankfurter Buchmesse fallen mir in diesem Zusammenhang ein. Beim Geschäftsführer der Messe-GmbH erreichte ich, dass der Salon preisgünstig ein größeres Kontingent an Standsystemen erwerben konnte, die von der Frankfurter Buchmesse ausgemustert worden waren. Sparsam wie die Stadt Erlangen nun einmal ist, kommen diese Stände auch heute noch zum Einsatz.
Abi Melzer vermittelte den Kontakt zu Bulls Pressedienst. Schließlich sollte ein Preis - eine Art Comic-Oscar - verliehen werden, der dauerhaft finanziert werden musste. Ich besuchte Abi Melzer in Dreieich, er vereinbarte einen Termin bei Bulls und schließlich konnten wir mit dem Geschäftsführer Svante Setterblad über die Ausstattung dieses Preises verhandeln. Als Syndikat für Zeitungsstrips bestand Bulls natürlich darauf, dass eine der Preiskategorien Comic-Strips gewidmet sein müsse. Seitdem wird zur Erheiterung (gelegentlich auch Verärgerung) der Szene der Preis in dieser Kategorie so gut wie ausnahmslos an Künstler und Serien verliehen, die von Bulls vertrieben werden. Von dieser Praxis wich die Jury nur zweimal ab: 1994 wurde "Die Memoiren von Captain J. Star" von Steven Appleby ausgezeichnet, 1998 "Dilbert" von Scott Adams. Auch der erstmals im Jahr 2000 verliehene Preis für den besten deutschsprachigen Strip unterliegt nicht dieser Restriktion (Preisträger: "Touché" von ©TOM). Einer der größten Comic-Strips aller Zeiten (aber eben nicht syndikalisiert von Bulls), nämlich die "Peanuts" von Charles M. Schulz, bekam niemals einen Preis in Erlangen. Als ich selbst noch Mitglied des erlauchten Jury-Kreises war, habe ich jedenfalls diesen Meilenstein der Comic-Kunst ebenso regelmäßig wie vergeblich vorgeschlagen.

Schon früh stand der Name der Auszeichnung fest: Max-und-Moritz-Preis. Heute streiten sich viele darum, quasi Erfinder dieses Namens zu sein. Ich finde ja, dass niemand anderem als Wilhelm Busch selbst diese Ehre gebührt, aber auf dem 2000er Salon erfuhr ich von einer Kultur-Journalistin aus München, dass ihr Chefredakteur erzähle, nicht nur Initiator des Salons, sondern auch Erfinder des Max-und-Moritz-Preises zu sein. Ich bin dem Mann zumindest bewusst nie begegnet, weshalb diese Äußerung ein gewisses Erstaunen bei mir ausgelöst hat. Jedoch bei Licht betrachtet ist so eine Bemerkung wenig verwunderlich, symbolisiert sie doch die Assimilationskräfte, die von erfolgreichen Ereignissen ausgehen können. Nicht ohne Grund ist gerade dies ein Thema, das den ICOM noch heute beschäftigt. Doch dazu später mehr.

Viele Verlage, die 1984 ihr Programm auf dem Erlanger Comic Salon präsentierten, gehören mittlerweile der deutschen Comic-Geschichte an. Allen voran der Abi Melzer Verlag, aber natürlich auch Raymond Martins Volksverlag lag seinerzeit schon in den letzten Zügen. Von der Werner Waigel Production, in der das Magazin Stripspiegel erschien, hat man ebenfalls schon lange nichts mehr gehört. Geschichte waren bald auch der Reiner Feest Verlag, dessen Namen immerhin als Label bei Ehapa überlebte und in dem der Ex-Croupier Georg Tempel als Redakteur arbeitete. Um die Reihe der Verlage, die es heute nicht mehr gibt bzw. die in der Comic-Branche keine Rolle mehr spielen, zu komplettieren, müssen noch Peter Skodziks Comicaze Verlag, das Wiener Comic-Forum, die Edition Erpf, der Heyne Verlag, der Jungjohann Verlag, der Carussel Verlag und die Pressluft Produktion von ICOM-Mitglied Klaus Wilinski erwähnt werden. Der Kölner Taschen-Verlag produzierte damals noch hauptsächlich Comics, und der Condor-Verlag hatte Aufstieg und Fall noch vor sich. Jürgen Janetzki stellte auf dem 84er Salon sein Comic-Magazin "Splitter" vor. Internationales Flair wurde durch die Édition Glénat und die Brüsseler Edition des Archers (Yves Swolfs, Durango) vermittelt. Der Bastei Verlag präsentierte als Star-Zeichner Hansrudi Wäscher, während Carlsen den Canardo-Zeichner Benoît Sokal einlud. Ungebrochen aktiv sind heute außerdem noch der Hethke Verlag, Schreiber und Leser und nicht zuletzt die Edition Moderne. Ebenfalls mit einem Stand vertreten war übrigens der Buch Musik & Film Verlag eines gewissen Burkhard Ihme. Und auch die Blutcrew, repräsentiert durch Michael Hau, versuchte besonders dem minderjährigen Publikum pädagogisch wertvolle Comic-Lektüre in Form von "Menschenblut" schmackhaft zu machen.

Schon 1982 auf dem Comic Con, aber erst recht 1984, setzte der Salon einen unübersehbaren Schwerpunkt auf ein umfangreiches Trickfilmangebot. Hier wurden nicht nur Klassiker und moderne Produktionen gezeigt, sondern auch unterschiedliche Workshops veranstaltet. Einer davon widmete sich der Arbeit von Curt Linda (eine Trickfilmlegende, u. a. stammt "Die Konferenz der Tiere" von ihm), der zu seinen damals aktuellen Produktionen Stellung bezog. Als Publikumsmagnet erwiesen sich zudem die Workshops und Vorstellungen, die sich im Rahmen von Late Night Specials mit erotischen Trickfilmen beschäftigten.

Aus der unter dem Titel "Comics - Industrieprodukt oder Kulturgut" veranstalteten Gesprächsrunde, an der u. a. auch verschiedene Verlagsvertreter teilnahmen (Eckart Sackmann für Carlsen, Dorit Kinkel für Ehapa, Klaus Strzyz für Condor) hat sich später die so genannte "Elefantenrunde" entwickelt. Zu den politischen Themen des ersten Salons zählte die Podiumsdiskussion zum Thema "Comics und 3. Welt", die mit Professor Alphons Silbermann, Dr. H.J. Kagelmann, Dr. H.D. Dyroff (UNESCO), dem Entwicklungshelfer Heinz Schulze und Andreas C. Knigge hochkarätig besetzt war.
Die denkwürdige Verleihung der Max-und-Moritz-Preise fand erst- und letztmalig in dem völlig überfüllten etwas außerhalb von Erlangen gelegenen Schloss Atzelsberg statt. Bekanntermaßen erhielt Chris Scheuer seinerzeit die Auszeichnung für den besten deutschsprachigen Comic-Künstler, eine Entscheidung, die ich auch heute noch richtig finde. In der Jury habe ich mich seinerzeit sehr für diesen Ausnahmezeichner eingesetzt. Matthias Schultheiss, der diesen Preis dann "erst" 1986 bekam, war damals sichtbar eingeschnappt. Aber er war nicht der einzige, der beleidigt war. Eine ganze Reihe von Leuten empfanden, nachdem der 1. Internationale Comic-Salon Erlangen vorbei war, ein Gefühl der Kränkung, das nicht zuletzt durch den überwältigenden Erfolg dieser Veranstaltung mit ausgelöst wurde.

Wie war das möglich?

Eine der Personen, mit der auch ich dann auf Grund dieser Kränkung in Konflikt geriet, war ICOM-Vorstand Gerd Zimmer, der im Vorfeld des Salons zu den wenigen Mitgliedern zählte, die unermüdlich, hauptsächlich administrativ an den Vorbereitungen beteiligt waren.

Nach über einem halben Jahr harter Arbeit rauschten die Salon-Tage an mir vorbei, als wäre ich auf einem Dauertrip; tatsächlich war ich nur total ausgelaugt und urlaubsreif.
Souverän lächelnd konnte Karl Manfred Fischer abwarten, wie sich der Salon entwickeln würde. Wäre der Salon ähnlich dem zur gleichen Zeit durchgeführten Science-Fiction-Kongress ein Flop geworden, er hätte sich bequem zurücklehnen können. Die inhaltliche Verantwortung fast des gesamten Programms lag ja auf meinen Schultern. Achim Schnurrer und damit auch der ICOM hätten sich den Schuh anziehen müssen, Comic-Szene und Branche falsch eingeschätzt zu haben. Tatsächlich aber kamen, so jedenfalls die Schätzungen in der Presse, rund 25.000 bis 30.000 Leute. Genaue Besucherzahlen ließen sich nur schwer ermitteln, damals kostete der Salon noch keinen Eintritt. Aber selbst wenn es tatsächlich nur 15.000 bis 20.000 Leute waren, Fakt ist: Das Projekt "Comic-Salon" war ein voller Erfolg.
Zudem hatte die Stadt Erlangen mit einem Schlag soviel Presse von Flensburg bis ins Allgäu wie mit keiner anderen Veranstaltung jemals zuvor. Eine Reihe Leute gratulierten mir zum unübersehbar positiven Ergebnis, manche schon in den ersten Stunden des Salons, als ich es selbst noch gar nicht wahrhaben wollte. Besonders gut kann ich mich noch an Abi Melzers Bemerkung erinnern, der mir versicherte, "damit ist ja klar, was du die nächsten zehn Jahre machen wirst!" Er sollte nur teilweise Recht behalten.

Es gab aber auch von Anfang an kritische Stimmen. Bernd Böhner, Fotograf für die Nürnberger Nachrichten, warnte mich, ich solle aufpassen, dass sich Karl Manfred Fischer nicht den "Salon unter den Nagel reißt".

Und auch Gerd Zimmer jedenfalls konnte sich über den Erfolg des Salons nicht recht freuen. Sein Ärger machte sich an der Preisverleihung fest. Zweifellos ist die Preisverleihung der glanzvolle Höhepunkt jeden Salons. Das war natürlich auch schon 1984 so. Zumindest eine namentliche Erwähnung, einen öffentlich ausgesprochenen Dank hatte er erwartet. Weder er noch der ICOM wurden mit einer Silbe erwähnt. Er war wohl der Ansicht, ich hätte dafür sorgen müssen, dass seine Person und der ICOM entsprechend gewürdigt worden wären. Es liegt nahe, dass der Konflikt zwischen ihm und mir unter anderem darauf zurückzuführen war.

Die Ausrichtung des zentralen Ereignisses der Preisverleihung lag, das war der strategisch geschickte Schachzug seitens des Kulturamts, von Anfang an - so auch bereits 1984 - in den Händen Karl Manfred Fischers. Traditionell wurden und werden die Reden des Oberbürgermeisters bzw. anderer städtischer Repräsentanten Anlässlich des Salons spätestens seit 1986, wahrscheinlich aber auch schon von Anfang an, von Fischers engster Mitarbeiterin Lisa Puyplat verfasst. Wer schon mal eine Preisverleihung miterlebt hat, weiß, wer neben den Preisträgern immer besonders lobend erwähnt wird.

1984 war ich von derartigen Einsichten noch weit entfernt. Aber - und das möchte ich betonen - auch heute gibt es nichts, was mir ferner läge, als die Energie und Arbeit, die Karl Manfred Fischer und sein Team an hervorragenden Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Organisation des Comic-Salons geleistet haben und immer noch leisten, zu diskreditieren. Im Gegenteil: Es ist nicht zuletzt seiner Zähigkeit und Ausdauer zu verdanken, dass der Salon bis heute existiert. Es ist ihm immer wieder gelungen, die richtigen Verbündeten in Politik, Stadtrat, Kulturausschuss und Verwaltung zu finden, um die von Anfang an schwierige finanzielle Ausstattung des Salons zu gewährleisten. Außerdem hat er einen unbestechlich guten Geschmack, der ihm instinktiv dazu verhilft, aus allen Angeboten, seien es Ausstellungen oder Plakatentwürfe das jeweils beste für den Salon herauszusuchen. Deshalb werden Fischer und sein Team zu Recht in den Reden des Oberbürgermeisters gewürdigt.
Man muss auch sehen, dass sich die Aktivitäten des ICOM in Zusammenhang mit dem Salon immer auf das Engagement einiger weniger Leute beschränkte. Unter pädagogischen Gesichtspunkten wäre sicherlich eine besondere Herausstellung dieser Arbeit wichtig gewesen. Insbesondere wenn man unterstellt, dass die Stadt mit diesem Partner weiter hätte zusammenarbeiten wollen. Doch Kulturpolitik wird nicht von pädagogischen, sondern von strategischen und gelegentlich auch mal qualitativen Überlegungen bestimmt. Aus der Sicht Karl Manfred Fischers war es zweifellos richtig, sich erst einmal zurückzulehnen und abzuwarten, ob sich aus dieser verrückten Comic-Sache wirklich etwas entwickeln würde, um dann - als dem so war - den Salon zu seiner Sache zu machen. Immerhin hatte er als Leiter des Kulturamts die besseren Voraussetzungen, den dauerhaften Bestand des Salons zu garantieren, als ein chaotischer, in sich zerstrittener Verein mit den widersprüchlichsten Interessen.
Hauptärgernis neben der fehlenden Anerkennung war für Gerd Zimmer ja auch immer die Inaktivität der meisten Mitglieder gewesen. Ich selbst empfand meine Rolle seinerzeit zunehmend vom ICOM losgelöst. Und zwar hauptsächlich deswegen, weil die meiste Arbeit bei mir hängen blieb und ich irgendwann nicht mehr unterscheiden wollte, ob jemand, der mit mir zusammenarbeitete nun ICOM-Mitglied war oder nicht. Eine Zeit lang war ich sogar felsenfest davon überzeugt, dass der ICOM seine Aufgabe erfüllt hätte und damit überflüssig geworden wäre. Immerhin war die Szene der Zeichner und Autoren nun vernetzt und mit dem Salon war schlicht und ergreifend das Instrument geschaffen worden, um der Neunten Kunst zu öffentlicher Anerkennung zu verhelfen. Heute sehe ich das anders und bin froh, dass nach meinem Rückzug aus der praktischen Vereinsarbeit der ICOM immer noch existiert und dass es ihm mittlerweile besser geht als je zuvor (so kommt es mir jedenfalls vor).
Zu den Schwierigkeiten der Verbandsarbeit zählte seinerzeit aber auch eine unnötig komplexe Struktur, die wir dem ICOM verpasst hatten. Wie lächerlich muten da zum Beispiel aus heutiger Sicht die krampfhaften Bemühungen an, mit denen wir seinerzeit versucht haben, quasi eine Zweiklassengesellschaft innerhalb des Verbandes aufzubauen. Die eine - erwünschte - Klasse war die der ausgewiesenen Profis, die andere - eher geduldete - Klasse, die der Fans und Amateure. Es war natürlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt, Kriterien zu entwickeln, über die dann der Beirat wachen sollte, nach denen die Beitrittsinteressenten in Voll- und Fördermitglieder unterschieden werden sollten. Verleger zudem sollten eh nur den Status des Fördermitglieds erhalten (aber wenn überhaupt, dann waren das doch eindeutig Profis?). Deshalb waren diese ganzen Mechanismen, die entwickelt wurden, um den ICOM zu einer Organisation der Comic-Profis zu machen, total widersprüchlich. Von außen dürften sie manchem als schlicht bescheuert oder zumindest reichlich dünkelhaft erschienen sein und ich muss gestehen, dass ich das mitgetragen habe. Heute bin ich froh, dass der ICOM diesen Quatsch, der aus heutiger Sicht wirklich nur noch unverständlich wirkt, über Bord geworfen hat.

Es ist allgemein bekannt, dass ich 1985 das Angebot erhielt, Verlagsleiter von Alpha Comic und damit Chefredakteur der von Raymond Martin gegründeten Magazine "U-Comix" und "Schwermetall" zu werden. Auch das ist mittlerweile Geschichte (aber eine andere). Doch daraus ergab sich, dass ich nicht nur mein praktisches, also aktives Engagement für den ICOM einfrieren musste (schließlich hatte ich gewissermaßen "die Seite gewechselt"), sondern auch meine Arbeit für den Comic-Salon Schritt für Schritt reduziert habe. Mein Einsatz für den 86er Salon war noch ziemlich groß, aber auch das Team des Kulturamts und von Comic-Enthusiasten, die von außerhalb ihre Mitarbeit anboten, wurde größer. Je wichtiger und zeitraubender die Arbeit des Verlags wurde, desto mehr habe ich mich aus der Salon-Arbeit zurückgezogen. Trotzdem war und wird es auch in Zukunft mein Ehrgeiz sein, wenigstens einen Beitrag - sei es eine Ausstellung oder einen Vortrag - im Rahmen des Comic-Salons anzubieten. Denn letztlich geht es nicht um irgendwelche verletzte Empfindlichkeiten oder unbefriedigte persönliche Eitelkeiten, sondern um eine Sache, von der nicht zuletzt auch der ICOM und seine Mitglieder profitieren können.
1988 war der ICOM noch Mitveranstalter des Salons, 1990 plötzlich nicht mehr. Dazwischen lag ein Streit mit dem Kulturamt, nachdem im Anschluss an eine ICOM-Werkschau in einem Messezelt auf dem Schlossplatz einige Exponate von der vom Kulturamt beauftragten Wach- und Schließgesellschaft Unbefugten ausgehändigt wurden. Das Kulturamt weigerte sich, für den Schaden aufzukommen. Seither werden wir vielleicht nicht schlechter als andere Aussteller behandelt, besser aber bestimmt nicht.

Es ist eine Tatsache, dass der ICOM heute in Bezug auf den Salon keine Rolle mehr spielt - teils ist dies selbstverschuldet, teils wurde er aus seiner ursprünglichen Rolle als Mitveranstalter herausgedrängt. Geschichte, auch die vergleichsweise unwichtige Geschichte der Comics, wird immer von den Überlebenden und vor allem von den Mächtigen geschrieben. Um andererseits der historischen Genauigkeit willen halte ich hier nicht nur meine Rolle, sondern auch die des ICOM und der meisten anderen fest, die an der Entstehung des Salons beteiligt waren. Denn die bedauerliche Entwicklung, dass der ICOM heute im Zusammenhang mit dem Salon keine Rolle mehr spielt, führt und verführt leicht dazu, die Dinge im Nachhinein anders darzustellen, als sie tatsächlich waren. Und sei es durch Totschweigen.

Letztlich lassen sich dadurch aber keine Fakten aus der Welt schaffen, die sich durch diverse Dokumente belegen lassen. Zusammenfassend wird man sich wohl auf den gemeinsamen Nenner verständigen können, dass der Salon weder ohne die Stadt Erlangen, namentlich das Kulturamt, vertreten durch Karl Manfred Fischer und seine Leute, noch ohne meine Person und einige andere bereits erwähnte ICOM-Mitglieder hätte realisiert werden können.

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