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 Dienstag, 4. Februar 2003

Comic zensiert - Der Skandal-Prozess

Am 13. März begann vor dem Landgericht Meiningen der Prozess gegen die Edition Kunst der Comics GmbH/Alpha Comic Verlag. Damit ging die Sache in die insgesamt dritte Runde. Das vorherige Urteil war, obwohl die Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren eine Strafe von 18 Monaten auf Bewährung beantragt hatte, ziemlich günstig für die Angeklagten ausgefallen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte das Urteil jedoch wegen juristischer Formfehler in der Urteilsbegründung aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine neue Kammer vor dem Meininger Landgericht zurückverwiesen.

Die ökonomischen Auswirkungen der Ermittlungen und der ersten beiden Verfahren waren für Alpha katastrophal gewesen. 8.000 Exemplare von Ralf Königs "Kondom des Grauens" waren neben einigen tausend anderer Comics bundesweit im Zuge fragwürdiger Ermittlungen beschlagnahmt worden. Durch diese total überzogenen Maßnahmen der Meininger Staatsanwaltschaft hatte der Verlag 1996/97 einen Umsatzeinbruch von rund 1,5 Millionen DM zu verzeichnen gehabt. Zur dritten Verhandlungsrunde verlangten die Anwälte des Verlags einen Honorarvorschuss in Höhe von 45.000 DM. Alpha war gezwungen, ganz oder teilweise auf Wahlverteidiger zu verzichten und sich mit Hilfe von unerfahrenen Pflichtverteidigern zur Wehr zu setzen.

Im Prozess ging es unter anderem um Comics wie "Hardboiled" von Frank Miller und Geof Darrow, "RanXeron" von Liberatore oder "Angel" von Iron, die einen Provinzstaatsanwalt dazu hinrissen, seit 1995 gegen den Verlag vorzugehen. Im Zuge seiner strittigen Ermittlungen war das Sonneberger Verlagshaus von vierzig Polizisten durchsucht worden, und in 1200 Buchhandlungen in ganz Deutschland waren Comics beschlagnahmt worden. Auch eine Reihe renommierter deutscher Comic-Künstler war unmittelbar betroffen: Ralf König, Walter Moers, Guido Sieber und Harm Bengen gehören dazu. Der ganze Skandal ist umfangreich dokumentiert - unter anderem auf der Homepage www.comic-zensiert.de - und war auch auf dem folgenden "comicologischen congress" in München Bestandteil des Schwerpunktthemas.

Wäre Alpha die Puste ausgegangen, und zu diesem Zeitpunkt fehlte nicht viel dazu, dann hätte das sicher auch Auswirkungen auf die ohnehin völlig unsichere Rechtslage in Bezug auf Comics für Erwachsene in Deutschland gehabt.

Der ICOM hatte daher eine freiwillige Umlage unter seinen Mitgliedern initiiert und darüber hinaus einen Betrag von 7.000 DM zur Verfügung gestellt. Wer sich an der Unterstützung beteiligen wollte, konnte unter dem Stichwort "Zensur" einen Beitrag auf das ICOM-Konto einzahlen. Alle eingehenden Gelder wurden unmittelbar an die richtigen Empfänger weitergeleitet.

Am fünften Verhandlungstag wurde der Prozess gegen die Edition Kunst der Comics GmbH/Alpha Comic Verlag gegen Zahlung von 15.000 DM eingestellt.
  WEITERE INFORMATIONEN ZUM THEMA
Presseerklärung der Edition Kunst der Comics GmbH vom 1. März 2001

www.comic-zensiert.de 
  NEWS 2001
Comic Jahrbuch 2001
ICOM auf der Buchmesse
Der ICOM Independent Comic Preis 2001
OSCAR-Nominierungen
Prozess gegen die Edition Kunst der Comics
Hommage an Carl Barks
RRAAH! nur noch online
Erlangen 2002
"MAUS" AM PRANGER
Pulitzerpreisgekrönt: "MAUS" von Art Spiegelman. Im Prozess Gegenstand des unglaublichen Vorwurfs der Nazi-Propaganda.