Comic zensiert - Der Skandal-Prozess
Am 13. März begann vor dem Landgericht
Meiningen der Prozess gegen die Edition Kunst der Comics GmbH/Alpha
Comic Verlag. Damit ging die Sache in die insgesamt dritte
Runde. Das vorherige Urteil war, obwohl die Staatsanwaltschaft
im ersten Verfahren eine Strafe von 18 Monaten auf Bewährung
beantragt hatte, ziemlich günstig für die Angeklagten
ausgefallen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte das Urteil
jedoch wegen juristischer Formfehler in der Urteilsbegründung
aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine neue Kammer
vor dem Meininger Landgericht zurückverwiesen.
Die ökonomischen Auswirkungen der Ermittlungen und der
ersten beiden Verfahren waren für Alpha katastrophal gewesen.
8.000 Exemplare von Ralf Königs "Kondom des Grauens"
waren neben einigen tausend anderer Comics bundesweit im Zuge
fragwürdiger Ermittlungen beschlagnahmt worden. Durch diese
total überzogenen Maßnahmen der Meininger Staatsanwaltschaft
hatte der Verlag 1996/97 einen Umsatzeinbruch von rund 1,5 Millionen
DM zu verzeichnen gehabt. Zur dritten Verhandlungsrunde verlangten
die Anwälte des Verlags einen Honorarvorschuss in Höhe
von 45.000 DM. Alpha war gezwungen, ganz oder teilweise auf
Wahlverteidiger zu verzichten und sich mit Hilfe von unerfahrenen
Pflichtverteidigern zur Wehr zu setzen.
Im Prozess ging es unter anderem um Comics wie "Hardboiled"
von Frank Miller und Geof Darrow, "RanXeron" von Liberatore
oder "Angel" von Iron, die einen Provinzstaatsanwalt
dazu hinrissen, seit 1995 gegen den Verlag vorzugehen. Im Zuge
seiner strittigen Ermittlungen war das Sonneberger Verlagshaus
von vierzig Polizisten durchsucht worden, und in 1200 Buchhandlungen
in ganz Deutschland waren Comics beschlagnahmt worden. Auch
eine Reihe renommierter deutscher Comic-Künstler war unmittelbar
betroffen: Ralf König, Walter Moers, Guido Sieber und Harm
Bengen gehören dazu. Der ganze Skandal ist umfangreich
dokumentiert - unter anderem auf der Homepage www.comic-zensiert.de
- und war auch auf dem folgenden "comicologischen congress"
in München Bestandteil des Schwerpunktthemas.
Wäre Alpha die Puste ausgegangen, und zu diesem Zeitpunkt
fehlte nicht viel dazu, dann hätte das sicher auch Auswirkungen
auf die ohnehin völlig unsichere Rechtslage in Bezug auf
Comics für Erwachsene in Deutschland gehabt.
Der ICOM hatte daher eine freiwillige Umlage unter seinen Mitgliedern
initiiert und darüber hinaus einen Betrag von 7.000 DM
zur Verfügung gestellt. Wer sich an der Unterstützung
beteiligen wollte, konnte unter dem Stichwort "Zensur"
einen Beitrag auf das ICOM-Konto einzahlen. Alle eingehenden
Gelder wurden unmittelbar an die richtigen Empfänger weitergeleitet.
Am fünften Verhandlungstag wurde der Prozess gegen die
Edition Kunst der Comics GmbH/Alpha Comic Verlag gegen Zahlung
von 15.000 DM eingestellt.
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WEITERE
INFORMATIONEN ZUM THEMA |
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Presseerklärung
der Edition Kunst der Comics GmbH vom 1. März 2001
www.comic-zensiert.de |
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"MAUS" AM PRANGER |
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Pulitzerpreisgekrönt:
"MAUS" von Art Spiegelman. Im Prozess Gegenstand des
unglaublichen Vorwurfs der Nazi-Propaganda. |
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